Baris Karabacak gründet einen Verein, der sich um Menschen mit Migrationshintergrund kümmert. Er will auch Sprachkurse organisieren.

Pinneberg. Baris Karabacak sieht sich als Wanderer zwischen den Welten. Der Pinneberger, 24, mit türkischen Wurzeln möchte möglichst viele Menschen auf seinem Weg mitnehmen. "Ich habe beide Kulturen kennengelernt, die türkische und die deutsche. Und wenn man es will, kann man in beiden Kulturen leben." Karabacak, der sich politisch in der CDU engagiert und bürgerliches Mitglied der Pinneberger CDU-Fraktion ist, sieht gerade auch viele Menschen mit Migrationshintergrund in der Pflicht, sich aktiv zu integrieren. "Es gibt viele Angebote, die aber nicht alle angenommen werden", so der Pinneberger, der in Hamburg als kaufmännischer Leiter eines großen Unternehmens aus der Reinigungsbranche arbeitet. Um das Angebot noch zu erweitern, ist Karabacak dabei, in seiner Heimatstadt einen Verein zu Gründen, der sich das Thema Integration auf die Fahnen schreibt.

Der neue Verein - Kontaktaufnahme per E-Mail an bariskarabacak4@hotmail.com - soll unter anderem zusätzliche Deutsch-Seminare organisieren. "Es gibt türkische Frauen, die fast immer zuhause bleiben und die deutsche Sprache kaum sprechen. Vor allem aber über die Sprache funktioniert Integration", sagt Karabacak. Im Blick hat er vor allem die "2. Generation", wie er sie nennt. Also türkische Einwanderer, die in den 60er- und 70er-Jahren als Kinder von Gastarbeitern nach Deutschland gekommen waren. "Wir müssen die 2. Generation erreichen, sonst kriegen wir die 3. Generation nicht. Die Eltern müssen ihre Kinder motivieren, sich zu integrieren."

Schonungslos spricht der junge Mann die Probleme an, die es seiner Meinung nach mit vielen jungen Leuten mit Migrationshintergrund gibt: "Es gibt ein Problem: Viele von ihnen hängen auf der Straße rum, machen die Leute an. Die 3. Generation spricht häufig weder gut Türkisch noch Deutsch."

+++ Migration als Chance +++

Karabacak erzählt, dass er von Türken bisweilen als "Deutscher" beschimpft werde. Das ficht ihn nicht an. "Ich gebe nicht auf", sagt Karabacak. Er sei parallel zur Grund- und Realschule auch zur türkischen Schule gegangen: "Ich bin glücklich, zwei verschiedene Kulturen und Sprachen zu kennen. Einseitigkeit funktioniert nicht." Er feiere Ramadan ebenso wie Ostern, sagt der gläubige Muslim. "Viele Menschen mit Migrationshintergrund aus der 2. Generation haben Angst, ihre Kultur zu vergessen, aber das muss ja gar nicht sein".

Mehmet Ata Gümüs, der in der Pinneberger Innenstadt einen Imbiss betreibt, lebt seit zehn Jahren in Deutschland. Er hat, bevor er nach Deutschland kam, in anderen europäischen Ländern die Kultur und vor allem die englische Sprache gelernt. "Das hat mir vieles hier in Deutschland erleichtert", sagt er. Um sich gut zu integrieren und natürlich auch um gut integriert zu werden, sei vor allem wichtig, die deutsche Sprache zu lernen. "Um überhaupt Chancen auf eine Karriere im Job zu haben, muss man Deutsch lernen. Man muss man es wollen." Der Geschäftsmann prangert allerdings auch an: "Die Integrationskurse, von denen ich auch einen besucht habe, bringen oft nur Menschen etwas, die schon Deutsch sprechen. Wie soll jemand, der kaum ein Wort Deutsch spricht, den Unterscheid zwischen Akkusativ und Dativ verstehen?" Man solle die Kurse professioneller gestalten und mehr auf die Teilnehmer eingehen, sagt Gümüs. Er selbst hat den Realschulabschluss in Deutschland gemacht und danach Elektroniker gelernt. "Natürlich gibt es auch Leute, die sich nicht integrieren wollen, aber ich finde man muss auch die andere Seite sehen", sagt er. "Vielen wird es nicht leicht gemacht." Das Problem zu erkennen, sei schon die halbe Lösung. "Wenn ich ohne zu arbeiten genau so viel Geld bekomme, als wenn ich mir Mühe gebe und mich anstrenge, warum sollte ich dann arbeiten gehen?" Das sei der Gedankengang vieler Jugendlicher, an diesem Punkt müsse man ansetzen.

Für Natalina Boenigk, Bürgervorsteherin in Pinneberg, ist ebenfalls die Sprache der entscheidende Faktor bei der Integration. Nach einer CDU-Veranstaltung in der Kreisstadt mit Aygül Özkan, niedersächsische Ministerin für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration, sagte die CDU-Politikerin: "Der Schlüssel beim Erlernen der Sprache liegt schon in der Zeit vor der Schule." Die Veranstaltung habe ihr gezeigt, so Natalina Boenigk, wie wichtig es sei, in den Dialog miteinander zu kommen, um bestehende kulturelle Unterschiede überbrücken zu können.

Einer, der sich in Pinneberg seit vielen Jahren auch um die Problemfälle aus der 3. Generation kümmert, ist Kadir Saim Cetinkaya. Der Sozialarbeiter, der als "Kasi" unter Kindern und Jugendlichen in der Kreisstadt beinahe Legendenstatus genießt, ist 1966 in Istanbul geboren worden. 1970 kam er mit seinen Eltern nach Pinneberg. "Der ideale Weg in Sachen Integration ist noch nicht gefunden. Es gibt die Kids, die einfach nicht aus dem Einfluss ihres Kulturkreises rauskommen", sagt Cetinkaya.

Auch "Kasi" propagiert, dass ein Miteinander der Kulturen möglich, ja erstrebenswert ist. "Mich bringt im Leben Menschlichkeit weiter. Dabei ist es egal, woher der Mensch kommt." Er selbst hat in den 70er- und 80er-Jahren viele Facetten des Lebens als "Ausländerkind" in Pinneberg erlebt. Das Außenseitertum in der Einzimmerwohnung an der Unteren Dingstätte mit Klo auf dem Hof, aber auch ehrenamtlich in der Diakonie engagierte Menschen, die sich um ihn und seine Familie kümmerten; die dunklen Seiten der türkischen Subkultur mit Zockerrunden in Hinterhofkaschemmen ebenso wie seit Jahrzehnten bestehende Beziehungen zu deutschen Freunden. "Man muss sich öffnen, sonst passiert nichts", sagt Cetinkaya.

Für Igballe Sylejmani, 47, aus Pinneberg ist die gemeinsame Begeisterung für Musik und andere kulturelle Dinge ein wichtiger Schlüssel zum Miteinander. Die Deutsche, die im Kosovo geboren ist, setzt sich seit Jahren beruflich und ehrenamtlich für Integration insbesondere von Menschen aus ihrem Geburtsland ein. Auch sie ist dabei, einen Verein zu gründen. Sie möchte den Deutschen ein anderes Bild von Albanien und vom Kosovo malen, möchte gemeinsame Netzwerke auf kulturellem, aber auch auf wirtschaftlichem Gebiet schaffen. Und auch sie kritisiert die Isolation, in der sich noch viele aus dem Kosovo stammende Menschen in Deutschland befänden.

"Jede Generation hat etwas Tolles anzubieten. Die Elterngeneration bleibt noch zu oft zuhause. Dabei kann jeder ein kleines Projekt anbieten, jeder kann etwas einbringen", sagt Igballe Sylejmani. Wer sie unterstützen möchte, kann per E-Mail unter igballe.sylejmani@gmail.com Kontakt zu ihr aufnehmen.