In Deutschland entwickelt sich Parkour zu einer Trendsportart. Der 20-jährige Felix Quinton aus Ellershoop ist Traceur und erzählt von seinem Sport.

Ellerhoop/Hamburg. Felix Quinton geht nicht durch die Stadt wie andere Menschen. Er läuft, er springt, er rollt sich ab. Für ihn sind Bänke, Zäune oder Poller keine Hindernisse, sie sind Teil seines Weges. Und für ihn sind das Springen, das Laufen und das Balancieren so normal wie für andere Leute das Atmen. Felix Quinton ist Traceur. Das ist französisch und heißt soviel wie "der den Weg ebnet". Seine Sportart ist Parkour. Der Sportler überwindet jedes Hindernis, das ihm im Weg steht, durch Springen, Ducken oder Klettern. Es geht dabei in erster Linie darum, möglichst schnell und auf direktem Weg von Punkt A zu Punkt B zu kommen und die Bewegungen dabei möglichst elegant, flüssig, geschmeidig und effizient auszuführen.

"Beim Parkour hat man ein unglaubliches Freiheitsgefühl, es gibt keine Grenzen, die ganze Welt ist dein Spielplatz", sagt Felix Quinton. "Es geht um den Körper selbst, um Leidenschaft. Die Sicht auf die Welt um einen herum verändert sich durch den Sport total." Wenn Felix erzählt, ist seine Begeisterung für den noch jungen Sport Parkour förmlich zu spüren. "Es geht darum, seine körperlichen Grenzen auszutesten und diese wieder und wieder zu brechen", sagt er.

Die wichtigsten Voraussetzungen seien, sich selbst nicht zu überschätzen und körperlich in Form zu sein, sagt Felix. "Vor allem die Gelenke, die Bänder und der Rücken werden beim Parkour stark belastet. Deshalb ist es wichtig, die Muskeln langsam aufzubauen und auszubilden." Nur so könne ein Traceur besser werden. Das bedeutet aber nicht, dass es beim Parkour darum geht, der Beste zu sein. Es ist viel mehr ein Miteinander als ein Gegeneinander. Zwar ist Parkour kein Teamsport wie Fußball oder Handball, zum Trainieren finden sich aber immer mehrere Traceure zusammen - und zwar aus einem einfachen Grund: "Wenn man mit anderen trainiert, pusht man sich gegenseitig und spornt sich an", sagt Felix. "Man kann sich von den anderen Sportlern neue Techniken abschauen, Figuren lernen oder Tipps bekommen."

Begründer des Sports ist der Franzose David Belle. Er entwickelte den Sport aus der Méthode Naturelle, einer Kunst der Bewegung durch die Landschaft mit ihren natürlichen Hindernissen, die er von seinem Vater lernte. Belle übertrug die Methode auf die urbane Landschaft der Pariser Banlieues. 2004 wurde der Sport durch Daniel Ilabaca vor allem in England bekannt. Ilabaca entwickelte Parkour weiter, legte mehr Wert auf flüssige Bewegungen. Er gilt als einer der besten Traceure der Welt. In Russland entwickelte sich ein etwas anderer Stil. Salti und Drehungen spielen hier eine größere Rolle. "Jeder Traceur hat seinen eigenen Stil. Jeder macht die Bewegungen anders", sagt Felix Quinton. "Man schaut sich natürlich hier und da etwas ab, versucht dem aber immer seine eigene Note zu verleihen." Mittlerweile ist der Sport überall auf der Welt verbreitet und zu einer echten Trendsportart geworden.

David Ilabaca ist für den 20-Jährigen aus Ellerhoop ein großes Vorbild. Durch Videos im Internet ist Felix auf Parkour aufmerksam geworden. "Ich habe schon immer gerne Extremsport gemacht", sagt er. "Ich bin Skateboard gefahren, war oft klettern. Als ich mit Parkour angefangen habe, bin ich öfter mit Freunden klettern gegangen, habe meine Grenzen ausgetestet, erste Erfahrungen gesammelt." Mit 16 versuchte er seinen ersten Backflip, einen Rückwärtssalto. Alles was er kann, hat Felix sich selbst beigebracht. "Besser kann man aber vor allem werden, wenn man mit anderen zusammen trainiert." Aufhören will er nicht. "Parkour ist ein Teil meines Lebens, ein Teil von mir. Ich vergesse die Zeit, bin voll in meinem Element", sagt Felix. Besonders gut gefalle ihm, dass er seine Erfolge allein für sich verbuchen kann. "Ich hab niemanden, auf den ich mich verlassen können muss. Wenn was schief geht, dann bin allein ich Schuld. Aber wenn etwas klappt, dann habe ich das geschafft."

Angst, dass etwas schief geht, hat Felix aber selten. "Bevor ich springe, fühle ich die Bewegungen. Wenn es sich nicht gut anfühlt, dann springe ich nicht. Es ist wichtig, auf sein Gefühl zu achten, sonst geht schnell mal was in die Hose." Trotz der zunehmenden Kommerzialisierung von Parkour steht für Felix der Sport und nicht der Erfolg in der Öffentlichkeit im Mittelpunkt. "Ich mache Parkour für mich, nicht für andere", sagt er. Allerdings bekommt er immer öfter Anfragen für Werbefilme oder wird für Veranstaltungen gebucht. Mit einigen anderen Traceuren zusammen begleitete er zum Beispiel die Vorstellung eines neuen Autos deutschen Fabrikats in Hamburg als Live-Act.

Entgegen der eigentlichen Philosophie des Sports werden mittlerweile diverse Wettkämpfe organisiert, bei denen die Traceure auf Zeit einen bestimmten Parcours absolvieren müssen. "Teil der Philosophie ist, der Umgebung, den Menschen, einfach allem mit Respekt zu begegnen", sagt Felix. Auch der Polizei. Mit den Beamten hätten die Traceure öfter Kontakt, sagt er, aber immer auf respektvolle und anständige Weise. "Wenn man weggeschickt wird, dann geht man halt."

Ein anderes Kriterium, das Felix an Parkour gefällt, ist die stetige Entwicklung und Wandlung des Sports. "Es gibt keine Grenzen, die Möglichkeiten sind unendlich, weil man überall neue Hindernisse, neue Herausforderungen findet." Und: "Jeder kann sofort loslegen. Turnschuhe an und fertig." Ein wichtiger Aspekt beim Training sei die Überwindung der eigenen Angst. "Wenn man keine Angst hat zu fallen, ist eigentlich alles möglich", sagt Felix.

Ewig wird er den Sport wohl aber nicht machen können. "Parkour belastet den Körper extrem, das merkt man, wenn man älter wird", sagt Felix und wirkt dabei fast schon ein bisschen wehmütig. "David Belle ist jetzt fast 40 und auch nicht mehr so beweglich wie vor 20 Jahren." Doch das ist noch weit entfernt. Näher sind der Frühling und der Sommer. Und die wird Felix mit Sicherheit mit Gehen verbringen - aber nicht wie normale Menschen.