Fachärzte in Elmshorn und Pinneberg bevorzugen Privatpatienten gegenüber Kassenpatienten bei der Terminvergabe durchschnittlich um 31 Tage.

Kreis Pinneberg. Wer als Kassenpatient in Elmshorn und Pinneberg einen Termin beim Facharzt braucht, hat schlechte Karten. Er muss durchschnittlich 31 Tage länger auf einen Termin warten als ein Privatpatient. Wenn der Facharzt dann auch noch Augenarzt ist, sieht es für ihn ganz schwarz aus. Denn in dieser Berufsgruppe ist die Situation für den Kassenpatienten besonders problematisch. Hier muss er 41 Tage länger auf einen Termin warten als privat Versicherte. Das ergab eine Untersuchung der Bundesfraktion von Bündnis 90/Die Grünen.

Die Testpersonen riefen in 225 Facharztpraxen je zweimal in kurzen Abständen an und baten um einen Termin - einmal als Kassenpatient, einmal als privat Versicherter. Dabei wurden fünf Fachrichtungen untersucht: Hautärzte, Augenärzte, Hals- Nasen-Ohrenärzte, Kardiologen und Radiologen. In allen sieben untersuchten Regionen Schleswig-Holsteins (Elmshorn/Pinneberg, Neumünster, Hamburger Speckgürtel, Westküste mit Husum, Heide und Sylt, Lübeck, Flensburg und Kiel) warten gesetzlich Versicherte im Schnitt 23 Tage länger auf einen Arzttermin als privat versicherte Patienten.

In jeder Region wurden im März dieses Jahres 30 bis 40 zufällig ausgewählte Praxen angerufen. In mehreren Fällen unterschieden sich die Wartezeiten in der Spitze um mehr als 100 Tagen. Bei einem Augenarzt aus Elmshorn wurde das schlechte Ergebnis noch getoppt: Hier konnte der Testanrufer als Kassenpatient erst einen Termin im November bekommen. Als er am selben Tag als Privatversicherter in der Praxis anrief, hätte er in 23 statt in 250 Tagen einen Termin bekommen können. Nur bei einem Viertel aller Praxen spielte die Art der Versicherung keine Rolle.

Offensichtlich legt nicht jeder Augenarzt in Elmshorn und Pinneberg großen Wert auf Kassenpatienten. In keiner Arztgruppe und Region mussten Kassenpatienten so lange auf einen Termin warten. In sechs angerufenen Praxen (bei insgesamt acht im Internet aufgelisteten Augenarztpraxen in diesen beiden Städten) musste der Patient im Durchschnitt 88 Tage auf einen Termin warten. In insgesamt zehn Praxen in Schleswig-Holstein haben Kassenpatienten gar keinen Termin bekommen. Die Arzthelferinnen hatten dies unter anderem damit begründet, dass keine neuen Patienten angenommen werden können. Offensichtlich hatten die Ärzte aber durchaus Kapazitäten, um Privatpatienten aufzunehmen. In vielen Fällen durften diese sich nämlich relativ zeitnah beim Arzt vorstellen.

+++ Wie lange warten Sie? +++

Die unterschiedlichen Wartezeiten entstehen aufgrund der unterschiedlich hohen Honorare der gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen. Im Durchschnitt bekommt ein Arzt die 2,5-fache Erstattung für einen Privatpatienten, oft noch mehr. Da lohnt es sich, die zehn Prozent der Deutschen zu bevorzugen, die privat versichert sind.

Kaum ein Arzt wollte sich gegenüber dem Abendblatt zu dem Thema öffentlich äußern. Ein Hals-Nasen-Ohrenarzt sagte, er versorge 4000 Patienten im Quartal. Die durchschnittliche Wartezeit betrage drei Stunden trotz Termin. Der Grund: In seiner Praxis würden Kassenpatienten behandelt - anders als bei acht ihm bekannten Kollegen in Hamburg. Die würden "die Sahne abschöpfen", indem sie nur Privatpatienten annehmen, während er von morgens bis abends arbeiten müsste.

Ähnliche Erfahrungen macht auch ein Augenarzt in Pinneberg, der seinen Namen ebenfalls nicht in der Zeitung lesen möchte. Er registriere in seiner Praxis Zulauf von Kassenpatienten, die unter anderem aus Schenefeld und Schnelsen zu ihm kämen, weil die Kollegen dort sie nicht mehr aufnehmen. Er spricht von schwarzen Schafen, die eine ganze Branche in Verruf brächten.

Timo Gomille, Radiologe in Pinneberg, zweifelt die Statistik an. Ein Telefontest am Dienstag gab ihm Recht. In der Praxis am Fahltskamp hätte ein Privatpatient am Freitag zur Computertomografie kommen können, ein Kassenpatient am darauffolgenden Montag. Ähnlich sah es für einen Termin zur Kernspintomografie aus. "Beim Röntgen vergeben wir gar keine Termine. Jeder Patient kommt sofort ran", sagt Gomille. "Wir machen keinen Unterschied." Gleiches gelte für Notfälle.

Dem Pinneberger Allgemeinmediziner Thomas Loeck unterscheidet bei Terminen nicht zwischen Kasse und privat. Loeck registriert aber zunehmend, dass entnervte Patienten zu ihm kommen, nachdem sie von Fachärzten auf weit spätere Termine vertröstet worden waren.