In der Abendblatt-Diskussion sagte Altmann, Schleswig-Holstein sei nur einen Wimpernschlag von griechischen Verhältnissen entfernt.

Elmshorn. Aloys Altmann ist Präsident des Landesrechnungshofs in Kiel - und ein Freund klarer Worte. Bei der zweiten Abendblatt-Podiumsdiskussion zur Landtagswahl in der Elmshorner Nordakademie ging der 65-Jährige mit den sechs Landtagskandidaten für den Wahlkreis Elmshorn hart ins Gericht. Altmann leitete als Experte das Thema Finanzen ein und machte deutlich, dass "Schleswig-Holstein nur einen Wimpernschlag von griechischen Verhältnissen entfernt" sei.

Das nördlichste Bundesland hat derzeit 27 Milliarden Euro Schulden. Das strukturelle Defizit, das bis 2020 abgebaut werden muss, beträgt 1,25 Milliarden Euro. Nur dann greift die vom Landtag beschlossene Schuldenbremse. "Wir sind nicht am Ende mit Sparen, wir fangen gerade erst an", sagt Altmann. Und er schlug den Kandidaten einige Sparideen vor. Wie etwa die Zahl der aktuell 56 000 Landesbediensteten stark zu reduzieren. Oder im Bildungswesen angesichts sinkender Schülerzahlen den Rotstift anzusetzen. "Wir müssen den Bildungsbereich anders organisieren und mehr Qualität reinbringen. Wir brauchen aber nicht mehr, sondern weniger Lehrer."

Eine Steilvorlage, die Burkhard Stratmann (Grüne) kritisch aufnahm. "Die Probleme in den Schulen haben stark zugenommen. Wenn von 20 Schülern in einer Klasse die Hälfte verhaltensauffällig ist, dann brauchen sie mehr Lehrkräfte." Auch Beate Raudies (SPD) machte deutlich, dass ihre Partei bei den Lehrerstellen nicht sparen will. Im Gegenteil. "Wir stehen zur Schuldenbremse. Aber wir wollen gleichzeitig alles zur Verfügung stehende Geld in die Bildung stecken." Das könne durch Einsparungen in anderen Bereichen sowie durch Umschichtungen erreicht werden. Raudies nannte ein Beispiel aus Elmshorn. "Wir investieren hier viel Geld in die Bildung, dafür werden die Straße nicht so oft instand gesetzt."

Michael von Abercron (CDU) bekannte, dass ihm als Parlamentarier viele Sparentscheidungen, die bereits von der CDU/FDP-Koalition gefällt wurden, nicht leichtgefallen sind. Als Beispiel nannte er die Abschaffung des Blindengeldes. "Aber wir müssen jetzt handeln." Der Reduzierung der Landesbediensteten steht von Abercron positiv gegenüber. Ein Ansatz könne das Vorgehen im Umweltministerium sein, wo überflüssige Bürokratie abgebaut wurde. "Dort sind 400 Verordnungen zurückgenommen worden, dadurch sind viele Arbeitsbereiche weggefallen."

FDP-Direktkandidat Frank Schöndienst bekannte, seine Partei stehe bedingungslos zur Schuldenbremse und zum Sparen. Klaus-Dieter Brügmann (Die Linke) will genau das Gegenteil. Keine Schuldenbremse - und nicht nur auf die Ausgaben schauen "Wir müssen an die Höhe der Einnahmen ran", sagte er und rechnete vor: Eine Vermögenssteuer von fünf Prozent auf Privatvermögen ab einer Million Euro würde dem Staat auf einen Schlag 80 Milliarden Euro einbringen. Hans-Heinrich Piepgras (Piratenpartei) äußerte sich zum Thema Finanzen eher vage. "Unser Ziel sollte es sein, weniger Schulden zu haben."

+++ Podiumsdiskussion: Was die Wirtschaft wissen muss +++

Jörg Probst, Chef der Elmshorner Firma Drei-D Direktwerbung, und Niklas Dwenger, Juniorchef der Pinneberger Bäckerei, ließen sich über die Themen Fachkräftemangel und regionale Wirtschaft aus. "Wir haben Schwierigkeiten, Auszubildende für Lagerlogistik zu finden", sagte Probst und regte an, die Attraktivität Elmshorns und des Kreises Pinneberg zu erhöhen. "Es wäre wichtig, den 17- bis 27-Jährigen klar zu machen, dass sie nicht nach Hamburg müssen, sondern auch in Elmshorn, Pinneberg oder Schenefeld eine gute Ausbildung erhalten." Auch Dwenger klagte über den Fachkräftemangel: "Gerade die regionale Wirtschaft ist auf gute Azubis angewiesen."

Beate Raudies gab den Unternehmen eine Mitschuld. "Wer jahrelang nicht ausgebildet hat, darf sich jetzt nicht wundern, wenn ihm der Nachwuchs fehlt." Die SPD-Frau forderte, ältere Fachkräfte nicht vorzeitig in Rente zu schicken. Außerdem sei eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf notwendig,. "Sechs Millionen junge, hochqualifizierte Frauen sind nicht beruflich aktiv, weil sie Kinder erziehen." Stratmann (Grüne) hält die Ausbildungs-Abbrecherquote von 7,2 Prozent für zu hoch und plädiert für Hilfestellungen, damit alle jungen Leute ihre Lehrzeit erfolgreich überstehen. Aus dem Publikum heraus forderte Leserin Erika Reimers, dass sich die Unternehmen verändern müssten. "Die wollen immer Leute mit Berufserfahrung haben statt jungen Menschen eine Chance zum Berufseinstieg zu geben."

Zum Schluss der Veranstaltung kam es zu einem regen Frage- und Antwortspiel der Kandidaten mit dem Publikum. So wollte Siegfried Konjack von den Vertretern von CDU und SPD wissen, ob sie sich auch eine Große Koalition vorstellen könnten. Von Abercron und Raudies bejahten dies, betonten jedoch, dass dies nicht ihre bevorzugte Option sei. Auch nach der Notwendigkeit der A 20 wurde gefragt. CDU, SPD und FDP wollen die Autobahn. Stratmann betonte, die Grünen würden nicht "über einzelne Autobahnen diskutieren", sondern ein Gesamtmobilitätskonzept einfordern. Piepgras von den Piraten hält den Ausbau der A 20 bis zur A 23 für notwendig, die Elbquerung wiederum solle auf den Prüfstand. Brügmann (Die Linke) dagegen will die neue Autobahn nicht. "Wir sollten das Geld lieber in den Öffentlichen Personennahverkehr stecken."

Brügmann und Raudies waren einzigen, die sich für Änderungen am Schulsystem aussprachen. Während Brügmann längeres gemeinsames Lernen bis zur zehnten Klasse forderte, setzte Raudies auf ein Abitur nach acht Jahren an Gymnasien sowie nach neun Jahren an Gemeinschaftsschulen.

Noch viel zu lernen hat auch die Piratenpartei - zumindest wenn es nach Piepgras geht. Auf die Frage, ob seine Partei nach einem eventuellen Einzug in das Landesparlament auch zum Mitregieren bereit sei, antwortete er folgendes: "Das wäre eine spannende Herausforderung, käme aber zu früh."

Die öffentlichen Abendblatt-Wahldiskussionen werden am Donnerstag, 19. April, im Schulauer Fährhaus an der Parnaßstraße 29 in Wedel fortgesetzt. Es geht von 19 Uhr an um Energiewende, Elbvertiefung und Tourismus. Mittwoch, 25. April, folgt die letzte Station in der Jugendbildungsstätte Barmstedt, Düsterlohe 5. Ab 19.30 Uhr diskutieren die Kandidaten über soziale Netzwerke, Jugendkriminalität, Fluch und Segen der Technik.