Appens Ex-Bürgermeister Detlev Brüggemann arbeitet jetzt für das Amt Pinnau. Doch Appen zahlt weiter Geld an ihn

Rellingen/Appen. Er hat sich als Feuerwehrmann für Verwaltungen mit Führungskrisen bewährt. In Helgoland übernahm Detlev Brüggemann kurzfristig für neun Monate die Verwaltung, als Bürgermeister Frank Botter aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig ausschied. Im Juli 2011 ist der ehemalige hauptamtliche Bürgermeister von Appen mit der Aufgabe des Leitenden Verwaltungsbeamten (LVB) für das Amt Pinnau betraut worden, nachdem Amtsinhaber Michael Hirsekorn von dieser Aufgabe entbunden wurde.

Dabei wählten das Amt und der LVB eine Form der Entlohnung, die jetzt in Appen auf Kritik stößt. Denn Brüggemann erhält sein LVB-Entgelt in zwei Tranchen ausbezahlt: je zur Hälfte als Gehalt und als Honorar. Vorteil für ihn: Der 54-Jährige bekommt dadurch weiterhin einen Großteil seiner Bürgermeister-Pension, die die Gemeinde Appen anteilig bis zu seiner regulären Pensionierung bei Vollendung des 63. Lebensjahres bezahlen muss.

Im vorigen Jahr waren es 21 600 Euro, die die Gemeinde Appen dafür an die Versorgungsausgleichskasse (VAK) in Kiel abführen musste, die die Pensionsgelder an die Ruhestandsbeamten auszahlt. Würde das LVB-Gehalt jedoch in Gänze ausbezahlt, würde sich der Pensionsanspruch fast vollständig aufheben, weil das Einkommen angerechnet wird. Folge: Appen wäre fein heraus.

Appens FDP-Fraktionsvorsitzende Jutta Kaufmann hat von dieser Regelung noch nie etwas gehört. Das Amt Moorrege, das Appen verwaltet, habe die Politik darüber bislang nicht informiert, wundert sie sich. "Wir haben nur die Information erhalten, dass sich die Pensionszahlung verringert hätte. Wenn dies aber so sein sollte, hätte ich damit ein Problem", sagt Jutta Kaufmann und fordert die Amtsverwaltung auf, dies aufzuklären. Ein Verwaltungskollege von Brüggemann, der lieber ungenannt bleiben möchte, geht noch einen Schritt weiter. Er hält diese Konstruktion für "moralisch bedenklich".

Rainer Jürgensen, LVB des Amtes Moorrege, betont, seine Verwaltung konnte die Gemeinde-Politiker in Appen darüber bisher nicht informieren. "Das Amt Pinnau hat uns überhaupt nichts darüber mitgeteilt."

Dazu sieht Wilfried Hans, Amtsvorsteher des Amtes Pinnau, auch keine Veranlassung. "Wir haben das mit Herrn Brüggemann zu regeln. Alles andere ist eine Sache zwischen ihm und seinem vorherigen Arbeitgeber. Ob das moralisch bedenklich ist, habe ich nicht zu bewerten", sagt Amtsvorsteher Wilfried Hans.

Brüggemann selbst erklärt die finanzielle Aufteilung seines Einkommens vom Amt Pinnau mit dem ungerechten Steuersystem. Würde er als LVB - Jahresgehalt rund 56 000 Euro brutto - regulär bezahlt, würde durch die hohen Abzüge der Steuerklasse 6 fast die gesamte Pension aufgezehrt. "Dann bekäme ich weniger Gehalt, als wenn ich gar nicht arbeiten würde", erklärt Brüggemann. Dass das nicht gerecht sei, müsse doch jeder einsehen.

Darum habe er mit der Versorgungsausgleichskasse diese Thematik besprochen und man sei zu dieser Lösung gekommen, das Einkommen zu splitten: Zur Hälfte wird er als LVB bezahlt und zur Hälfte als selbstständiger Berater des Amtes. So wird auf beide Einkommensarten ein Freibetrag von jeweils 2000 Euro angerechnet, wobei die restliche Summe beim öffentlichen Dienst voll von der Pension abgezogen wird und als privat Angestellter und Selbstständiger nur zur Hälfte.

Für Brüggemann heißt das, wie er sagt, dass er nun durch den Job im Amt Pinnau etwa 450 Euro seiner Pension verliere. Er halte diese Art der Bezüge für legitim und plausibel. Andere ausgeschiedene Bürgermeister, die ihr Pensionsalter noch nicht erreicht haben, würden dagegen mit Mauscheleien ihre Pensionsbezüge weiterhin in voller Höhe genießen, selbst wenn sie arbeiten. "Bei mir ist das transparent."

Tatsächlich ist Brüggemann nicht der einzige Bürgermeister im Kreis, für den eine Kommune noch für sein Einkommen bis zur Pensionierung aufkommen muss. In manchen Fällen sogar darüber hinaus. Beide Beispiele finden sich in Uetersen: Wolfgang Wiech, 59, bekommt noch etwa vier Jahre seine Pension von der Stadt Uetersen ausbezahlt, in einer Höhe, die sich in etwa in der Größenordnung bewegt, die Appen an Brüggemann bezahlt. Und Karl Gustav Tewes, der 2003 nach neun Jahren altersmäßig als Bürgermeister in Uetersen ausschied, bekommt sogar sein Ruhestandsgeld zum Teil von Uetersen bezahlt. Das liegt daran, dass die Rosenstadt Tewes nicht bei der Versorgungsausgleichskasse angemeldet hat, die sonst ab dem Pensionsalter voll einspringt. Für Wiech zahlte die Stadt dafür bei seinem Amtsantritt einen fünfstelligen Abschlagsbetrag an die VAK.

Brüggemanns Arbeitsvertrag beim Amt Pinnau läuft Ende dieses Jahres aus. Das hängt damit zusammen, dass ursprünglich zum 1. Januar 2013 das Amt aufgelöst und in die Verwaltungsgemeinschaft mit der Gemeinde Rellingen einfließen sollte. Diese Fusion ist nun um zwei Jahre auf den 1. Januar 2015 verschoben worden. Amtsvorsteher Hans geht davon aus, dass Mitte des Jahres der Vertrag mit Brüggemann bis zum Zeitpunkt der Verwaltungsgemeinschaft verlängert wird. "Wir sind sehr zufrieden, wie Detlev Brüggemann die Amtsverwaltung leitet. Er hat die Verwaltungsstrukturen vorangebracht." Und auch die rund 60 Mitarbeiter arbeiteten wieder voll motiviert und engagiert, was zuvor lange nicht der Fall war. Er könne sich gut vorstellen, dass die Honorar-Gehalt-Variante auch bis 2015 mit Brüggemann beibehalten wird. "Das verstößt nicht gegen Recht und Gesetz."

Auch die Kommunalaufsicht hat daran nichts auszusetzen, wie Kreissprecher Marc Trampe versichert. Zum einen müsse der LVB kein Beamter sein. Er könne auch angestellt sein, sofern er die Qualifikation des gehobenen Dienstes vorweisen kann, was für Brüggemann gelte. Wie er bezahlt werde, sei Sache des Amtes.