Das vor fünf Jahren eingeführte Ausbildungsmodell ist ein Erfolg. Im Kreis Pinneberg mehr als 100 Lehrverträge abgeschlossen.

Kreis Pinneberg. Erst der Schulabschluss, dann die Schwangerschaft: Für Irina Graf bedeutete der Nachwuchs zunächst das berufliche Aus. Am Sonnabend feierte die kleine Tochter der 21-Jährigen ihren dritten Geburtstag - und die Mama hat beruflich wieder Fuß gefasst. Bei der Bäckerei Kolls in Quickborn macht Irina Graf seit vorigem Jahr eine Ausbildung zur Bäckereifachverkäuferin. Dass sie inzwischen Beruf und Familie problemlos unter einen Hut bekommt, liegt an einem Ausbildungsmodell, das vor fünf Jahren eingeführt wurde: einer Ausbildung in Teilzeit.

Die simple Idee dahinter: Ausbildungsbetrieb und Lehrling reduzieren die wöchentliche Stundenzahl, damit sich die Ausbildung und die familiären Verpflichtungen besser miteinander vereinbaren lassen. "Insbesondere junge Mütter erhalten so die Chance, einen qualifizierten Einstieg in das Berufsleben zu finden", sagt Tamara Zieschang, Staatssekretärin im Kieler Wirtschaftsministerium. Schleswig-Holstein sei mit diesem Modell bundesweit führend. "Wir wirken so dem Fachkräftemangel entgegen und nutzen alle Potenziale, die wir haben", betont Zieschang. Die Teilzeitausbildung sei Bestandteil der Regelausbildung und keine Benachteiligtenförderung. So erhalten die Betriebe keine Förderung, wenn sie dieses Ausbildungsmodell wählen. Seit der Einführung vor fünf Jahren haben 1200 junge Mütter landesweit diese Chance genutzt.

+++ Jung, alleinerziehend und erfolgreich +++

"Mit so einer großen Nachfrage haben wir nicht gerechnet", sagt Christian Maack, Geschäftsführer der Handwerkskammer Lübeck. Sie ist landesweit für die Beratung der Interessenten und der interessierten Ausbildungsbetriebe zuständig. Im Kreis Pinneberg hat Antje Gerdau als örtlich zuständige Beraterin mit mehr als 780 Bewerbern - fast ausschließlich jungen Frauen - Gespräche geführt. "Es waren sieben junge Männer in der Beratung. Aber das Modell hat keiner von ihnen gewählt." Bei den jungen Müttern sah dies anders aus: "Wir haben mehr als 100 direkt in Ausbildung gebracht", sagt Antje Gerdau. Inzwischen seien viele nach Ende der Lehrzeit in unbefristete Arbeitsverhältnisse übernommen worden.

Eine davon ist Denise Flor. Sie hat 2011 ihre Ausbildung - ebenfalls bei der Bäckerei Kolls in Quickborn - abgeschlossen und ist seitdem dort für 30 Stunden pro Woche tätig. Für Geschäftsführerin Susanne Neuendorf ist die Ausbildung in Teilzeit eine Herzensangelegenheit. "Wir bekommen auf diese Weise besonders motivierte und sozial kompetente Auszubildende. Wer schon in jungen Jahren Verantwortung für eine Familie übernehmen muss, geht ganz anders an die Berufsausbildung heran." Die Teilzeit-Lehrlinge seien leistungsbereiter als normale Azubis und deutlich weniger krank. Landesweit hat sich außerdem gezeigt, dass die Quote der Abbrecher relativ niedrig ist.

Aktuell bildet die Bäckerei drei junge Mütter in Teilzeit aus. Irina Graf lernt 20 Stunden im Betrieb und ist acht Stunden die Woche in der Berufsschule. "Wir bekommen den ganz normalen Unterrichtsstoff vermittelt. Und auch die Prüfungen unterscheiden sich nicht." Die 21-Jährige lobt, dass sie die Arbeitszeiten flexibel abstimmen und damit ihren Verpflichtungen als junge Mutter nachkommen kann. "Ganz ohne Unterstützung geht es natürlich nicht", sagt die 21-Jährige. So hat sie etwa Oma und Opa eingespannt, um die Tochter vom Kindergarten abzuholen.

Die meisten, die sich für dieses Modell entscheiden, schließen die Ausbildung innerhalb der normalen Lehrzeit ab. Voraussetzung ist, dass sie einschließlich der Berufsschulzeiten mindestens 25 Wochenstunden arbeiten. Die Alternative ist, die Lehrzeit um maximal ein Jahr zu verlängern. Dann muss die wöchentliche Arbeitszeit mindestens 20 Stunden betragen. Eine Ausbildung in Teilzeit ist grundsätzlich für alle Berufe möglich. Weil meistens junge Frauen das Modell nutzen, liegen Friseurinnen, Bäckereifachverkäuferinnen sowie kaufmännische Berufe weit vorne. Die Beratungsstelle der Handwerkskammer ist im "Forum am Bahnhof", Bahnhofstraße 112, in Quickborn zu finden. Beraterin Antje Gerdau ist unter der Telefonnummer 04106/999 87 19 zu erreichen.