Der schwäbische Reeder Thomas Pötzsch investiert in die Architektur seiner Wahlheimat und findet damit nicht nur im Rathaus Freunde.

Rellingen. Das kombinierte Wohn- und Geschäftshaus an der Einmündung Hauptstraße/Tangstedter Chaussee in Rellingen fristete jahrelang ein Schattendasein. Bäcker Manssen hatte seinen Laden längst aufgegeben und sich zur Ruhe gesetzt. Seinem Nachfolger ging die Puste aus, ein Fleischer hielt nur wenige Monate durch. Seitdem stand das Geschäft leer. Zwar wiesen die Reklameschilder über den kahlen Schaufenstern noch jahrelang auf die Schlachterei hin, doch zu kaufen gab es dort nichts mehr.

Einer fand dann doch noch was zu kaufen: nämlich gleich das ganze Haus. Thomas Pötzsch, Rellinger Reeder und Logistikunternehmer, hatte Gefallen an der Immobilie im Herzen der Gemeinde und erwarb das Gebäude. Seit Ende vergangenen Jahres erstrahlt der heruntergekommene Laden in neuem Glanz: Pötzschs Ausstellung maritimer Raritäten ist längst zum Blickfang im Ortskern geworden.

In den liebevoll dekorierten und wirkungsvoll ausgeleuchteten Geschäftsräumen präsentiert Pötzsch die schönsten Auswahlstücke seiner riesigen Sammlung aus diversen Epochen der Seefahrt. Nicht nur blitzblank gewienerte Messing-Armaturen, Steuerräder sowie altertümliche Maschinentelegrafen und Schiffsmodelle gibt es zu bewundern. Sogar mannshohe Kopien der Soldatenfiguren aus Chinas legendärer Terrakotta-Armee stehen im alten Bäckerladen stramm. Und die Passanten drücken sich an den Schaufensterscheiben die Nase platt.

Typisch Pötzsch: Der Reeder mit dem Kapitänspatent A 6 für große Fahrt plant langfristig. Bis er gemeinsam mit seinem Architekten Jürgen Waskow, den benachbarten Anliegern und der Gemeinde eine stimmige Neubaulösung für das ehemalige Manssen-Haus gefunden hat. Und auf dem Weg dorthin poliert eben die maritime Raritätenshow den Ortskern auf.

Das war auf dem Grundstück der alten Stellmacherei Ecke Hauptstraße/Hamburger Straße kaum anders. Nach dem Grunderwerb ließ Pötzsch die vom Vorbesitzer arg vernachlässigte Ruine abreißen. Als Zwischenlösung spendierte der erklärte Rellingen-Fan eine attraktive Grünanlage, die den frei gewordenen Blick auf die Kirche noch schöner macht. Zudem wurden Parkplätze geschaffen.

Zur Weihnachtszeit gab es sogar noch einen im Lichterglanz strahlenden Tannenbaum dazu. Mittlerweile sind weitere Areale, wie das Gebäude mit dem früheren Sonnenstudio an der Hauptstraße hinzugekommen. Auch hier sucht der Kapitän mit seinem Team nach einer Bebauungslösung für den Gesamtkomplex - am liebsten im breiten Konsens mit den Nachbarn. Nach wie vor aktuell sind Überlegungen für eine Kombination aus Wohnen für junge Familien in Verbindung mit Praxen und Büros sowie eventuell einer Gastronomie.

Mit den Immobilien will sich Pötzsch neben der Schifffahrt ein zweites Standbein schaffen. "Von dem, was wir einatmen, wollen wir hier auch etwas ausatmen", umschreibt der gebürtige Stuttgarter sein Engagement in der Baumschulgemeinde. Dabei hat Pötzsch speziell jene Eingangsbereiche zum Rellinger Ortskern im Visier, die bislang vernachlässigt wurden. Kein Wunder, dass er auch einen Blick auf das dem Verfall preisgegebene alte Reetdachhaus am Markt geworfen hat, in dem einst "Schmidts Weinstuben" Treffpunkt für Generationen von Rellingern waren. Nachdem die Planung des niederländischen Baukonzerns Ten Brinke wegen zu massiver Wohnbebauung auf Widerstand in den gemeindlichen Gremien stieß, sagt nun Pötzsch: "Wir sind interessiert. Es gibt Kontakt mit der Eigentümerfamilie." Ob und was daraus werden könnte, bleibt abzuwarten.

Mit seinen langfristig orientierten Zielsetzungen für eine ebenso bauliche wie erbauliche Abrundung des Rellinger Zentrums hat der Chef der Firma Cargo Trans Pool (CTP) inzwischen auch im Rathaus Unterstützung gefunden. Seine Vorstellung ist es, kleine Grundstücksparzellen zu Gunsten einer großzügigen Flächenkonsolidierung zusammenzufügen. Für die Realisierung hat sich Pötzsch einen Zeitrahmen von zehn Jahren gesetzt. Und damit beeindruckt er Bürgermeisterin Anja Radtke (parteilos) ebenso wie den Bauausschussvorsitzenden Eckhard Schlesselmann (CDU). "Rellingen bekommt eine Riesenchance für die Zukunft. Das ist ein Geschenk für die Gemeinde", würdigt die Verwaltungschefin das Engagement ihres Mitbürgers und lobt dessen langen Atem. Schlesselmann weiß aus seiner Tätigkeit im Bauausschuss, dass Investoren oft vor allem daran orientiert seien, das Optimale für sich herauszuholen. Pötzsch gehe einen anderen Weg, wie schon seine Aktivitäten bei der Gestaltung des Stellmacherei-Areals bewiesen hätten.

Dass der CTP-Chef (das Firmen-Logo steht auch für Captain Thomas Pötzsch) ein großes Herz für Rellingen hat, bewies er im vergangenen Jahr mit einer Einzahlung über 25 000 Euro für das Kapital der Rellinger Bürgerstiftung. "Nicht mit der Gießkanne, aber für eine gezielte Förderung, wie für den Kinder -und Jugendbereich", umreißt er sein Engagement auf diesem Sektor.

Aktuell steht allerdings die Vollendung eines firmeneigenen Projekts im Vordergrund. Im Frühjahr will Pötzsch mit der ganzen Belegschaft von seinem Reederei-Domizil an der Tangstedter Straße in den neuen Standort an der Hauptstraße 12 umziehen. Dort wurde unter Leitung von Architekt Waskow die frühere Villa von Zahnarzt Martens aufwendig umgebaut und mit einem eindrucksvollen gläsernen Büro Gebäudetrakt ergänzt.

Mit dem Einzug in seinen Büro-Kreuzer will sich der Reeder allerdings genug Zeit lassen, um nicht auf einer Baustelle arbeiten zu müssen. Typisch: Thomas Pötzsch hat beruflich oft in China zu tun. Die asiatische Mentalität des langen Atems beschreibt wohl am besten seinen Weg zum Ziel. Große Fahrt eben, wie mit dem Kapitänspatent A 6.