Pädagoge von der Anne-Frank-Gemeinschaftsschule war auf dem Weg ins Rathaus, als er am Steindamm von einem Auto erfasst wurde.

Elmshorn. Die Nachricht sprach sich an der Anne-Frank-Gemeinschaftsschule in Elmshorn schnell herum - und sie schockierte alle 528 Schüler und die 40 Lehrer: Ihr Rektor Claus Carstens ist tot. Der beliebte Pädagoge wurde am Mittwochabend bei einem Verkehrsunfall getötet. Der 58 war gegen 18 Uhr mit dem Fahrrad auf dem Weg zu einer Ausschusssitzung ins Rathaus, als er von einem Auto erfasst wurde und auf dem Weg ins Krankenhaus verstarb. Er hinterlässt eine Frau und zwei Kinder.

"Die Klassenlehrer haben den Schülern die traurige Nachricht überbracht", sagt Schulrat Michael Doppke im Abendblatt-Gespräch. Die Schulleitung und der Elternbeirat hatten ihn um Hilfe gebeten. "Der Schock unter den Lehrern, den Schülern und den Eltern, die Herrn Carstens aus seiner jahrelangen Arbeit kannten, sitzt tief", sagt Doppke. Er entschied sofort, allen Betroffenen Zeit zu geben, mit dem schrecklichen Ereignis umzugehen. Doppke: "Wir haben es allen Schülern und Lehrern freigestellt, in die Schule zu kommen."

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In dieser Woche fand für die neunten und zehnten Klassen eine Projektwoche statt. Die Ergebnisse werden am Montag und Dienstag präsentiert. Alle anderen Schüler haben dann unterrichtsfrei. Am heutigen Freitag ist lediglich eine Notfallbetreuung von 8 bis 12 Uhr gewährleistet. Möglicherweise findet heute eine Trauerfeier für Claus Carstens statt.

"Er hat sich immer für seine Schule und seine Schüler eingesetzt, war rund um die Uhr für sie da", sagt Schulrat Doppke. Sein Mitgefühl gelte den Hinterbliebenen. "Aber auch für die Schüler, Lehrer und die anderen Mitarbeiter ist das eine Extremsituation", sagt Doppke weiter. Um sicherzustellen, dass niemand Schaden nimmt, hat er den schulpsychologischen Dienst sowie einen Notfallseelsorger in die Einrichtung geschickt. Sie besteht aus der ehemaligen Hauptschule Langelohe und der einstigen Realschule Propstenfeld.

Carstens hatte 1977 die erste Lehrerprüfung bestanden und kam nach dem Abschluss des zweiten Staatsexamens 1981 an die damalige Hauptschule. 2002 wurde er zum Konrektor ernannt und übernahm 2005 die Führung der Hauptschule. Nach dem Zusammenschluss von Haupt- und Realschule wurde Carstens 2009 mit der Leitung der neuen Einrichtung betraut.

Erst seit dem 1. Februar heißt sie nach langwieriger Namensfindung Anne-Frank-Gemeinschaftsschule. Die Feier zur Namensgebung sollte am 10. Februar stattfinden, sie wurde nach dem Tod des Schulleiters abgesagt. "Das ist ganz furchtbar. Die Schule war doch gerade erst etwas zur Ruhe gekommen", kommentiert Bürgermeisterin Brigitte Fronzek. Neben der Namensdebatte gab es eine weitere, langwierige "Baustelle". Die betraf Carstens selbst.

Der hatte sich am 3. Juni 2010 am landesweiten Lehrerstreik beteiligt und war daraufhin von Kultusminister Ekkehard Klug (FDP) seines Amtes enthoben worden. Carstens, der sich als Chef der beiden zusammengelegten Schulen noch in der Probezeit befand, war daraufhin ein Jahr lang an der Einrichtung als normaler Lehrer tätig. Schließlich einigte er sich in dem Rechtsstreit mit dem Land darauf, seine Meinung zum Streik zu widerrufen.

Daraufhin wurde seine Strafe auf einen Verweis herabgestuft, er durfte mit Beginn dieses Schuljahres wieder kommissarisch die Leitungsfunktion übernehmen. Die Probezeit sollte ein Jahr dauern - erst zum nächsten Schuljahr wäre der 58-Jährige zum offiziellen Schulleiter ernannt worden. Dazu wird es nun nicht kommen. "Wie es an der Schule weitergeht, wissen wir noch nicht. Dazu ist es auch noch viel zu früh", sagt Schulrat Doppke.

Das Schulgelände war gestern fast leer. Wegen der Projektwoche waren nur wenige Schüler und Lehrer im Gebäude, äußern wollte sich kaum jemand."Dass unser Schulleiter ums Leben gekommen ist, haben mir erst die Mitschüler und dann die Lehrer erzählt", sagt Alexander Flick, 16, aus Kölln-Reisiek. " Ich hatte ihn nie im Unterricht. Schüler sind von dem Unglück sehr betroffen. Viele Lehrer sind heute deshalb auch gar nicht erst in der Schule erschienen."

Bonnie Marie Grabbert erinnert sich daran, dass sie als Sängerin und Gitarristin der Schülerband "Red Ocean" mit Carstens immer die Konzerttermine abgestimmt hat. "Er war sehr nett und überwiegend auch bei den Schülern beliebt. Von dem Unglück habe ich auf der Homepage gelesen", sagt die 15-jährige Elmshornerin. Ihre Mitschülerin Tatjana Kamp, 16, war eine der Ersten, die von dem tragischen Geschehen erfuhr. "Mein Freund hat den Unfall gesehen und mich dann sofort angerufen. Herr Carstens war Metall-, Mathe- und Naturwissenschaftslehrer. Ich war zwar keine Schülerin von ihm, aber ich empfand ihn immer als netten Menschen."

Den Unfall verschuldet hat ein 27 Jahre alter Autofahrer aus Quickborn. Er war die Hamburger Straße Richtung stadteinwärts gefahren und bog rechts in den Steindamm ein. Carstens war in gleicher Richtung auf dem Geh- und Radweg unterwegs und wollte den Steindamm überqueren. Für beide zeigte die Ampel grün. Warum der Autofahrer an der hellerleuchteten Einmündung den Radfahrer übersah, wird jetzt ein Unfallsachverständiger klären.

Der Einmündungsbereich gilt als Unfallschwerpunkt. Voriges Jahr wurden dort 13 Unfälle aufgenommen.

Elfmal krachte es zwischen zwei Pkw, je einmal war ein Fußgänger beziehungsweise ein Radfahrer beteiligt. Beide wurden nur leicht verletzt.

Claus Carstens ist im Kreis Pinneberg der zweite Verkehrstote des Jahres 2012. Bereits am 2. Januar hatte ein 76-jähriger Mercedes-Fahrer in Halstenbek eine 64-jährige Fahrradfahrerin umgefahren. Die Frau ist inzwischen ihren Verletzungen erlegen.