Westerhorner muss für fast drei Jahre ins Gefängnis. Er hatte im Juli 2011 eine 16-Jährige überfahren und war geflüchtet

Westerhorn/Itzehoe. Die Tränen, die Umut A. weinte, waren echt. Seine Reue auch. Genützt hat es nichts: Der 26-Jährige aus Westerhorn muss zwei Jahre und elf Monate ins Gefängnis, weil er im Alkoholrausch ein junges Mädchen totfuhr. Die Eltern der 16-jährigen Samantha B. waren als Nebenkläger im Gerichtssaal anwesend, als Richter Dominik Mardorf gestern Mittag das - für solche Fälle ungewöhnlich harte - Urteil des Itzehoer Schöffengerichtes verkündete.

Der schreckliche Unfall hatte sich am frühen Morgen des 3. Juli in Horst/Elmshorn ereignet. Samantha B. war zu Fuß auf der linken Seite der Heisterender Chaussee unterwegs; die schmale Straße hat keinen Bürgersteig. Etwa 200 Meter vor ihrem Elternhaus wurde sie von dem VW-Bus erfasst und in einen Graben geschleudert.

Umut A. kam von einer Disco-Party in der Elbmarschenhalle. "Ein Kumpel rief mich abends an und fragte, ob wir da hingehen wollen", erinnerte sich der 26-Jährige. Er habe zugesagt und seine drei Mitfahrer, darunter auch seinen Bruder, am Bahnhof in Westerhorn abgeholt. "Eigentlich wollte ich das Auto am Bahnhof abstellen und beide Strecken mit dem Taxi fahren. Dann habe ich mich aber entschlossen, mit dem Wagen hinzufahren und zurück ein Taxi zu nehmen."

Ein Vorhaben, das jedoch nicht umgesetzt wurde. "Wir haben zu viert eine Flasche Wodka getrunken", berichtete der Angeklagte, der einräumte, nicht an Alkohol gewöhnt zu sein. Er habe nach Ende der Feier sein Handy und seinen Wohnungsschlüssel aus dem VW Bus holen wollen. Warum er sich doch ans Steuer setzte, wisse er nicht. "Ich kann mich an die Fahrt nicht mehr erinnern", sagte Umut A. Er wisse lediglich noch, einen Knall gehört zu haben. "Ich wusste nicht, was wir gerammt haben. Einer meiner Mitfahrer sagte, es war ein Mädchen." Der 26-Jährige berichtete, ausgestiegen und einmal um den Wagen gelaufen zu sein. "Ich habe aber nichts gesehen. Einer meiner Freunde hat zum Handy gegriffen, um die Polizei anzurufen. Er sagte, 'Fahr los, ich regle das'." Während der Freund an der Unfallstelle zurückblieb, flüchteten Umut A. und die übrigen beiden Mitfahrer.

Einige Kilometer weiter endete die Alkoholfahrt im Graben. Polizist Sönke G., der den Angeklagten kurze Zeit später antraf, attestierte ihm vor Gericht eine "mittelstarke bis starke Alkoholisierung". "Er war völlig aufgelöst, sich aber der Tragweite seines Fehlverhaltens bewusst."

Rechtsmedizinerin Dr. Ute Lockemann berichtete über den Tod der Fußgängerin. Neben mehreren Knochenbrüchen war auch der erste Halswirbel zersplittert und drückte auf das Atemzentrum, so dass das Gehirn des Mädchens nicht mehr mit Sauerstoff versorgt werden konnte. Daher kam es zu einer massiven Hirnschwellung, die tödliche Folgen hatte. "Das Opfer war vermutlich sofort bewusstlos", so die Medizinerin. Die 16-Jährige hätte bei einer sofort eingeleiteten Reanimation überlebt - allerdings wäre sie ein lebenslanger Pflegefall geblieben.

Angesichts dieser Schilderungen weinten auch die Eltern des Unfallopfers. Bei ihnen hatte sich der Angeklagte zuvor tränenreich entschuldigt. "Es tut mir so leid, was ich getan habe. Ich wollte ihnen nach dem Unfall einen Brief schreiben; ich wusste nur nicht, was ich darin sagen soll."

Staatsanwalt Thorsten Schwarzer sprach von schwerem Unrecht. "Der Fahrlässigkeitsvorwurf ist enorm." Er forderte dreieinhalb Jahre Gefängnis. Opferanwalt Henrik Tantau betonte das unglaubliche Leid, das der Angeklagte den Eltern des Opfers angetan habe. Er beantragte vier Jahre und drei Monate Haft. Egon Robert, der Verteidiger des Westerhorners, bat dagegen um eine Bewährungsstrafe. Er betonte, dass sein Mandant nur schwer mit der Schuld fertig werde und inzwischen sogar in psychiatrischer Behandlung sei. "Er ist, salopp gesagt, ein Wrack. Von ihm wird nie mehr eine Gefahr ausgehen, er wird sich nie wieder alkoholisiert hinter das Steuer eines Autos setzen."

Richter Dominik Mardorf kannte keine Gnade. Er sprach von einem Tag der Tragödien - für die Nebenkläger, aber auch für den Angeklagten. "Sie haben die Verabredung, ein Taxi für den Rückweg zu nehmen, nicht eingehalten. So passierte, was passieren musste: Plötzlich machte es Krach und ein Mensch ist tot." Egal welches Urteil das Gericht auch fällen werde, so Mardorf, das junge Mädchen werde nicht mehr lebendig. "Es ist ein Schaden entstanden, den keine Versicherung der Welt mehr ersetzen kann." Angesichts des Vorlebens des Angeklagten - er hat zwei Verurteilungen wegen geringfügiger Vergehen - und seiner schwerwiegenden Schuld sei eine Bewährungsstrafe nicht mehr möglich.

Außerdem verhängte das Gericht eine Entziehung der Fahrerlaubnis. Umut A. wird mindestens drei Jahre lang kein Auto mehr fahren dürfen. Dem 26-Jährigen war bereits in der Unglücksnacht der Führerschein abgenommen worden. Seinen Job hat er daraufhin verloren, er lebt von Hartz IV. Umut A. nahm das Urteil nicht an. Sein Verteidiger kündigte an, Berufung einlegen zu wollen.

Das hat ein neues Verfahren vor dem Landgericht Itzehoe zur Folge, das in sechs bis neun Monaten stattfinden wird. Dann werden auch die Eltern des Opfers wieder anwesend sein - und erneut hören, auf welche schreckliche Weise die 16-Jährige verstarb.