Modekonzerne statten Kleidung mit Computer-Chips, die sechs Meter weit funken aus. Kunden in Pinneberg fühlen sich nicht gut darüber informiert.

Pinneberg. Die junge Frau, die über den Lindenplatz bummelt, trägt eine modisch-graue Daunenjacke. Was sie nicht weiß: Das schöne Stück sendet rund um die Uhr Funksignale, die von der Gerry Weber-Filiale gleich nebenan empfangen werden können. Das klingt nach Science Fiction, ist aber Realität. Kleidung des Modekonzerns wird seit 2011 mit Funksendern ausgestattet. Hierbei werden Chips in Pflege-Etiketten befestigt, mit denen Produkt- und Seriennummern an ein Lesegerät gesendet werden können. Diese Technologie trägt den sperrigen Namen Radiofrequenz Identifikation, kurz RFID.

Sie erleichtert die Logistik und steigert die Transparenz, heißt es in der Zentrale von Gerry Weber: "Das kommt unseren Kundinnen in den Läden zu Gute." Datenschützer sehen das kritisch. Viele Kunden wissen nicht, was sie in ihrer Kleidung tragen. Persönliche Daten können gesammelt und eventuell an Dritte weitergegeben werden. Christian von Grone, RFID-Projektleiter bei Gerry Weber, sagt hierzu: "Wir speichern keine personenbezogenen Daten im RFID-Chip." Das Unternehmen habe sich intensiv mit dem Datenschutz beschäftigt. "Eine offene Kommunikation und Transparenz im Umgang mit der neuen Technologie ist uns sehr wichtig."

Zu den meisten Verbrauchern in Pinneberg ist das noch nicht vorgedrungen, wie eine Straßenumfrage zeigt. "Ich höre zum ersten Mal davon", sagt Inge Marquardt, 73, aus Schenefeld. "Das macht mich stutzig. Warum wird der Chip nach dem Kauf nicht entfernt?" Auch Daniel Petznick, 31, aus Pinneberg ist überrascht. Er steht Datenspeicherungen skeptisch gegenüber: "Wenn Konzerne mich über eine Jacke mit einem Chip ausstatten, möchte ich informiert werden. Ich will nicht ohne mein Wissen geortet werden."

Gerry Weber schreibt dazu: "Wir weisen unsere Kundin auf den Einsatz der Technologie mit Informationsmaterial im Kassen- und mit Schildern im Eingangsbereich hin." In der Filiale in Pinneberg sucht der Kunde allerdings vergeblich nach Broschüren oder Hinweisen. Eine Mitarbeiterin dort verweist auf die Vorteile dieser Technik: "Die Inventur am Ende des Tages nimmt nur noch eine halbe Stunde ein." Das Problem ist laut Datenschützerin Rena Tangens vom "Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs" auch nicht das Etikett, sondern dass es nach dem Kauf nicht entfernt wird. Eine ständige Datenübertragung ist die Folge. Wenn mit EC-Karte bezahlt wird und sich ein RFID-Lesegerät in der Nähe befindet, könnten Außenstehende, basierend auf getätigten Einkäufen, Bewegungs- und Kaufprofile über Kunden erstellen. So könnte zum Beispiel personenbezogene Werbung verschickt werden.

Einen Erfolg haben Datenschützer bereits erzielt. Noch vor ein paar Monaten war auf einigen RFID-Etiketten die Aufschrift "Don't remove this label" zu lesen. Aufgrund des Drucks der Datenschützer wurde das Schild durch einen Entfernungshinweis ersetzt. Doch damit ist das Problem noch nicht gelöst. Ministerien für Verbraucherschutz kritisieren die dauerhafte Bestrahlung durch elektromagnetische Wellen. Risiken für die Gesundheit, wie Gewebeschädigung, Muskel- und Nervenstimulationen, seien nicht auszuschließen. Die Frequenzbereiche der von Gerry Weber eingesetzten Chips gehören zu den höchsten gesetzlich zugelassenen. Ihre Reichweite beträgt sechs Meter. Wofür, fragen sich Datenschützer, wenn die Technik angeblich nur für logistische Zwecke verwendet werden soll.

Gerry Weber ist nicht die einzige Modemarke, die RFID einsetzt. Auch S.Oliver wird von Datenschützern verdächtigt. Abendblatt-Mitarbeiter haben sich daraufhin die Kleidung in einer Pinneberger Filiale genauer angesehen. Kein Kleidungsstück war sichtbar mit RFID-Chips bestückt. Der Konzern teilte mit, im Einzelhandel keine Chips einzusetzen. Innerbetriebliche Tests soll es laut Unternehmen allerdings gegeben haben. Eine Ausweitung auf alle Filialen sei nicht beschlossen worden.

C&A äußerte sich nicht zu Fragen nach RFID. Eine Verkäuferin in Pinneberg sagte, C&A habe lediglich versteckte Diebstahlsicherungen in Form von Etiketten, welche nach dem Kauf entfernt würden. Modehäuser in Pinneberg wie Glindmeyer verzichten komplett auf den Einsatz der Funkchips.

Verbraucher können sich gegen eine mögliche Spionage schützen, indem sie das Etikett abschneiden. "In unseren Filialen entfernen wir den RFID-Chip auf ausdrücklichen Wunsch der Kundin selbstverständlich jederzeit gerne", sagt Christian von Grone. Allerdings wird auch damit geworben, den Kassenbon nicht aufbewahren zu müssen, wenn das Etikett mit dem RFID-Chip noch vorhanden ist.