Ute Matzkewitz aus Elmshorn ist eine von 300 Frauen im Kreis Pinneberg, die zu Hause professionell die Kinder anderer Eltern betreuen.

Im Wohnzimmer liegen Bausteine und Autos auf dem Boden. Eine Puppe lehnt am Sofa. Doch die kleine Emma, 1, weint. Pepe, 1, und Erik, 2, lassen die Autos auf dem Parkhaus fahren. Dabei wollte sie doch einfach nur darauf rumklettern. Paul, 2, beobachtet die Szene. Er sieht skeptisch aus. Doch dann zaubert Ute Matzkewitz ein zweites Spielzeug-Parkdeck hervor. Ein paar tröstende Worte, ein Küsschen - Emmas Welt ist wieder im Lot.

Nach 19 Jahren als Tagesmutter ist Trösten eine ihrer leichtesten Übungen. Ute Matzkewitz betreut die Kinder in ihrem Haus in Elmshorn. Als die gelernte Einzelhandelskauffrau vor 21 Jahren selbst Mutter wurde, wünschte sie sich flexiblere Arbeitszeiten. In ihrem Job war das nicht möglich. Zudem wollte sie schon immer mit Kindern arbeiten. Sie wendete sich an die Familienbildungsstätte in Elmshorn. In 160 Stunden wurde sie in Psychologie, Pädagogik, Recht, gesunder Ernährung, Mal- und Spielentwicklung und Erster Hilfe am Kleinkind unterrichtet. Einfach nur kinderlieb zu sein, das reicht nicht, um Tagesmutter zu sein.

Ute Matzkewitz musste eine ärztliche Bescheinigung und ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen, ehe sie als Tagesmutter zugelassen wurde. 185 Euro kostete der Eigenanteil der Fortbildung. Sehr gute Deutschkenntnisse, Hauptschulabschluss und ein Mindestalter von 21 Jahre waren die Vorraussetzung. Regelmäßige Fortbildungen, monatliche Arbeitstreffen, Austausch mit Kolleginnen, Kontrollbesuche - die Standards sind hoch, wenn es ums Wohl der Kinder geht.

Die strengen EU-Hygienevorschriften für Lebensmittelunternehmen hingegen, die seit 2006 für einheitliche Standards in ganz Europa sorgen sollen und in den vergangenen Wochen für Aufregung gesorgt haben, stoßen bei vielen Tagesmüttern auf Skepsis und Ratlosigkeit. Sie fürchten unverhältnismäßig aufwendige Auflagen. Die Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin reagierte vor einigen Tagen darauf. Demnach sollen die Regeln nicht für Tagesmütter gelten, da sie nicht unter die Definition von "Lebensmittelunternehmen" fallen.

Wer nur gelegentlich oder in kleinem Maße Lebensmittel zubereitet oder serviert, ist von den Regeln der Hygiene-Verordnung ausgenommen. Natürlich müssen auch Kinder bei Tagesmüttern einwandfrei verpflegt und allgemeine Grundregeln der Lebensmittelhygiene und des sicheren Umgangs mit Lebensmitteln eingehalten werden. Wie das im Detail aussehen soll, kann jedoch gut auf nationaler oder Länderebene geregelt werden, ohne europäische Vorgaben, heißt es seitens der Europäischen Kommission.

In Hamburg hatte die Sozialbehörde alle Tagesmütter 15 Seiten umfassende Hygienevorschriften zugeschickt. In Schleswig-Holstein beraten die Behörden derzeit noch, wie sie mit dem EU-Recht künftig umgehen. Wann entschieden wird, ist noch nicht abzusehen. Bis zu einer einheitlichen Regelung auf Landesebene will der Kreis Pinneberg seinen Spielraum nutzen und auf die strenge Auslegung bei Tagesmüttern verzichten.

Elisabeth Pauls von der Familienbildungsstätte Elmshorn hat eine Erklärung für die unterschiedliche Auslegung des Gesetzes. "Im Kreis Pinneberg legen die Behörden großen Wert darauf, dass der familiäre Charakter erhalten bleibt", sagt die Sozialpädagogin. "Es wird nicht gern gesehen, dass sich mehrere Tagesmütter zusammenschließen, denn sie sollen den Krippen keine Konkurrenz machen."

In Hamburg ist das jedoch anders. Hier arbeiten häufig Tagesmütter zusammen, versorgen zehn bis 15 Kinder am Tag, auch mit Essen. Hamburgs Vorgehen hat viele der rund 300 Tagesmütter im Kreis Pinneberg verunsichert. Einige spielen mit dem Gedanken, dann aufzuhören. Ein zweites Waschbecken im Bad, alle paar Stunden die Temperatur im Kühlschrank messen, jeden Apfel dokumentieren, wo und wann er gekauft wurde. Das ist kaum machbar.

"Ich habe mit meinen Eltern darüber gesprochen", sagt Ute Matzkewitz. "Sie belächeln die EU-Vorschriften." Schließlich wissen sie, dass ihre Kinder gut behütet werden. "Ich versuche den Kleinen ein zweites Zuhause zu geben." Ute Matzekewitz mummelt ihre Kinder in einen Berg aus Mützen, Schals und Schneeanzügen ein. Dann setzt die 49-Jährige Emma und Pepe in den Kinderwagen, schnappt den Sack mit Buddeleimern, Förmchen und Schaufeln. Erik ist heute sehr anhänglich und will unbedingt an ihre Hand. Und Paul bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Er fegt lässig allen mit seinem kleinen Besen den Weg zum Spielplatz frei. Ein großes Problem für Tagesmütter: Immer mehr Kinder haben Allergien und vertragen nicht alle Lebensmittel, trotz strenger Hygienevorschriften. Oder gerade wegen? "Während ihrer oralen Phase stecken Kinder alles in den Mund, gern auch mal eine Schippe Sand", sagt Ute Matzkewitz. So schnell kann man manchmal gar nicht gucken. In der Zeit stärken sie allerdings auch ihr Immunsystem.

Nach dem Mittagessen werden noch einmal Windeln gewechselt, bevor die ersten Kinder von ihren Eltern abgeholt werden. Die anderen legen sich zum Mittagsschlaf hin. Es dauert nicht lange und sie schlafen fest. Zeit für Ute Matzkewitz aufzuräumen. "Der Beruf hat sich verändert", sagt Ute Matzkewitz. "Die Eltern müssen länger arbeiten und immer abrufbar sein." Die Tagesmutter reagiert flexibel und hält den Eltern den Rücken frei. Zu vielen Kindern und ihren Familien hat sie auch Jahre später noch Kontakt, mit manchen Eltern verbindet sie eine Freundschaft. "Die Chemie muss schon stimmen", sagt sie und rät allen Eltern, sich mehrere Tagesmütter anzusehen und zu vergleichen. Schließlich gehen beide Seiten eine lange Verbindung ein und bekommen viel Privates voneinander mit. Trennungen, Todesfälle, Jobwechsel wirken sich auch auf das Verhalten des Kindes aus. "Da ist es gut, wenn wir offen miteinander umgehen", sagt Ute Matzkewitz. In Fällen, in denen reden nicht mehr hilft, vermitteln die Familienbildungsstätten.

Am späten Nachmittag wird das letzte Kind bei Ute Matzkewitz abgeholt. Ruhe kehrt dennoch nicht ein. Ute Matzkewitz muss den Einkauf für die nächste Woche planen und für morgen Mittag vorbereiten. An Feierabend ist noch nicht zu denken.