Zur neu konzipierten Einwohnerversammlung kommen 250 Pinneberger ins Rathaus. Themen: Westumgehung und Bahnhofsumgestaltung.

Pinneberg. Politikverdrossenheit? Desinteresse am Geschehen hinter dem eigenen Gartenzaun? Von wegen. Die Pinneberger rannten Bürgermeisterin Kristin Alheit und ihren Kollegen aus dem Rathaus die Bude ein. Mehr als 250 Bürger kamen zur Einwohnerversammlung, die jetzt zum ersten Mal in einer ganz neuen Form organisiert wurde.

Vor der eigentlichen Versammlung in großer Runde konnten die Pinneberger sich in kleineren Informationszirkeln auf den neusten Stand bringen lassen - und vor allem mit Verwaltungsfachleuten und Mitbürgern in den Dialog kommen. "Ich bin ganz begeistert von den Pinnebergern. Sie haben supertoll mitgemacht", sagt Bürgervorsteherin Natalina Boenigk.

Sie hatte diese neue Form von Meinungsaustausch zwischen Verwaltung und Einwohnern zusammen mit Kristin Alheit federführend organisiert.

+++ So tragen Bürger Ideen an Verwaltung und Politiker heran +++

"Wir sind ein Stück weit erschlagen von ihrer großen Neugier", sagt die Bürgermeisterin angesichts der Massen, die in den Ratssitzungstrakt strömten. Natalina Boenigk freute sich besonders darüber, dass vor allem viele jüngere Menschen gekommen waren, die bisher noch weder die Ausschusssitzungen oder die Ratsversammlung besucht hatten.

Nach der Begrüßung hieß das Motto "Verteilen Sie sich." Die Bürger waren aufgefordert, sich dorthin zu begeben, wo über ihr Spezialthema informiert und diskutiert wurde. Nach einer Viertelstunde wurde ein Stationswechsel eingeläutet. Eine Art Speeddating in Sachen Stadtentwicklung.

Geht es nach dieser Abstimmung mit den Füßen, so ist die geplante Pinneberger Westumgehung das Topthema der Stadt. Roland Schulz, Straßenbauexperte der Stadtverwaltung, war jeweils dicht umlagert von Dutzenden Interessierten. Während des anschließenden formalen Teils der Einwohnerversammlung fand sich denn auch eine große Mehrheit für den Antrag des Vereins "Pinneberger-Westumgehung-Jetzt", dem Straßenbauprojekt in den Jahren 2012 und 2013 "oberste Priorität" einzuräumen. Alles, was am Dienstag während der Einwohnerversammlung von der Mehrheit beantragt wurde, wird demnächst offiziell in den politischen Gremien behandelt.

+++ Den Schwung mitnehmen +++

Gemessen daran, wohin sich die Einwohner orientierten, rangiert auch das Thema Bahnhofsumgestaltung ganz weit oben auf der Skala des öffentlichen Interesses. Die offenkundig große Fraktion der Nutzer des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) beantragte die Politik zu beauftragen, vor allem eine Verbesserung der S-Bahn-Anbindungen zu erwirken. Ein Wunsch der Versammlung lautete: Der Zehn-Minuten-Takt zwischen Hamburg und Pinneberg muss bis in die späten Abendstunden ausgeweitet werden.

Sehr viele Pinneberger wollten auch bei den Themen Finanzen und Flächennutzungsplan informiert werden und mitreden. Im Gegensatz dazu saßen die Verwaltungsmitarbeiter, die über das Bürgerfreundliche Rathaus informieren sollten, weitestgehend alleine an ihrem Stand.

Überall wurden auf kleinen Karten die Anregungen und Wünsche der Pinneberger festgehalten. Von diesen Sammlungen wurden Fotoprotokolle gefertigt. Bürgermeisterin und Bürgervorsteherin schrieben sich an ihrem Stand, der mit "Ideen für die Stadt" betitelt war, die Finger wund. Ein Bürger erläuterte Natalina Boenigk zum Beispiel durchaus fundiert das Konzept einer Ringstraßenlösung für die Innenstadt. Zu den Hits beim Wunschkonzert zählten: bessere Radwege, neue Sportanlagen auf dem Kasernengelände und eine Belebung der Innenstadt. Neu indes war der Vorschlag, in Pinneberg eine Jugendherberge zu bauen.

Am Schluss konnten die Bürger ein kurzes schriftliches Fazit, wie ihnen die neue Einwohnerversammlung gefallen hatte, in eine Wahlurne werfen. Deutlich zu spüren war, dass bei den meisten Besuchern diese Art des Informations- und Meinungsaustausches generell sehr gut angekommen war. Eine mehrfach kritisierte Kinderkrankheit bei der Premiere der neuen Veranstaltungsform war, dass im Gewimmel des Ratssaals, wo gleich drei Informationsrunden (Westumgehung, Schulentwicklung, Bahnhof) ihren Platz hatten, die Akustik grenzwertig schlecht war.

"Man kann noch vieles verbessern, aber es war eine sehr gelungene Veranstaltung", lautete das Fazit von Natalina Boenigk und Kristin Alheit. Erste Bürgerin und Verwaltungschefin wollen eine Einwohnerversammlung in dieser Form wiederholen. Die Bürgermeisterin über die Pinneberger: "Viele Menschen sind der Stadt freundlich zugewandt."