Gerechtigkeit ist ein hohes Gut. Jeder, der sich in Justitias Hallen begibt, tut dies wohl im Vertrauen, dass ihm Gerechtigkeit widerfährt - und in Streitfällen in der Hoffnung, dass sich die Waagschale der Göttin der Gerechtigkeit zu seiner Seite neigt. "Wo Gericht, da ist auch Ungerechtigkeit", heißt es in Tolstois "Krieg und Frieden". Wer sich im Recht fühlt, aber kein Recht bekommt, erlebt gefühlte Ungerechtigkeit. Sich dem allgemein anerkannten Regelwerk zu unterwerfen, gehört zu den Grundzügen der Demokratie. Weil manche Menschen dies nicht können, brechen sich immer wieder Gewaltexzesse Bahn. So wie jetzt in Dachau, wo ein Mann sich mit tödlichen Schüssen für seine Verurteilung "rächte".

Solche schrecklichen Vorfälle hat es bereits gegeben, und es wird sie (leider) auch in Zukunft geben. Zu stark ist bei Einzelnen offenbar die Triebfeder der gefühlten Ungerechtigkeit. Und in vielen Fällen ging es bei tätlichen Angreifen oder gar Amokläufen in Gerichten nicht um Schwerstkriminelle, sondern um bis dahin scheinbar harmlose Menschen. Davor, dass jemand wegen des Streits um einen Gartenzaun "ausrastet", sind Richter und Staatsanwälte ebenso wenig gefeit, wie Lehrer vor urplötzlich gewalttätigen Schülern oder Amtsmitarbeiter vor Übergriffen.

Es ist deshalb richtig, dass die Justiz am Konzept des offenen Gerichtes festhält. Denn wie jeder Personenschützer weiß: Absolute Sicherheit gibt es ohnehin nicht.