Schüler, Eltern und Lehrer äußern während der Podiumsdiskussion im Pinneberger Ratssaal ihren Unmut über die Profiloberstufe

Pinneberg. Die vor zwei Jahren eingeführte Profiloberstufe sei ein einziges Ärgernis, schimpften die 100 Schüler, Eltern und Lehrer, die am Freitagabend zur Podiumsdiskussion in den Pinneberger Ratssaal gekommen waren. Zu viel Stress für die Schüler, zu wenig Wahlfreiheit in den Fächern, zu viel Aufwand für die Lehrer, lauteten die Vorwürfe an Bildungsminister Ekkehard Klug. Der wehrte sich, indem er seine neue Verordnung, die am 1. August in Kraft treten wird, als "eine Reform mit Sinn und Verstand" verteidigte. Mit dieser Meinung war Klug aber ziemlich allein. Nur sein persönlicher Referent Gunnar Meyer sprang ihm zur Seite. Der hat aber auch den neuen Erlass zur Profiloberstufe ausgearbeitet.

Dies sei viel zu hektisch geschehen, kritisierte Christian Hack, Oberstufen-Koordinator aller 125 Gemeinschaftsschulen in Schleswig-Holstein. "Uns fehlt Ruhe und Sicherheit." Gerade erst hätten die Lehrer versucht, die jetzt in den elften und zwölften Jahrgängen geltende Profiloberstufe zu einem "kreativen Unterricht" zu gestalten. Schon müssten sie sich wieder umstellen. "Da fehlt die Bereitschaft der Kollegen, neben dem Unterricht die neuen Richtlinien so anzuwenden, dass die Schüler davon profitieren können. Das ist ärgerlich. Denn Schule ist für die Schüler da."

Dieser Auffassung ist auch der zwölfte Jahrgang des Johannes-Brahms-Gymnasiums in Pinneberg, der diese Diskussion organisierte. "Schule ist nur noch anstrengend", fasste Mitveranstalterin Isabel Rahnenführer ihre Erfahrung der Profiloberstufe zusammen. Kaum Wahlmöglichkeiten, zu gedrängter Stoff, zu volle Klassen, bis zu 38 Unterrichtsstunden in der Woche. "Das ist Kindesmisshandlung", rief Irene Thelen-Denk, Lehrerin der IGS Thesdorf.

Genau da setze seine Reform an, versuchte Minister Klug zu beruhigen. Statt der 34 Unterrichtsstunden, die in den letzten drei Schuljahren vor dem Abitur verpflichtend vorgeschrieben sind, sollen es jetzt nur noch 30 sein. Auch die Wahlmöglichkeiten der Schüler würden verbessert, indem sie nicht mehr jeweils zwei Naturwissenschaften und Fremdsprachen belegen müssen. Sie können jetzt sogar Physik, Biologie und Chemie miteinander kombinieren und nur noch eine Fremdsprache wählen. Statt fünf werde es nur noch vier Prüfungsfächer geben, erläuterte Klug: neben Deutsch, Mathematik und Englisch sei dies das gewählte Profilfach.

Doch das reicht den Schülern nicht. "Früher im Kurssystem war es viel einfacher, Abitur zu machen", sagte Björn Boldt, Schulsprecher der IGS Thesdorf. Da konnten die Schüler je nach Talent und Vorliebe Biologie als Leistungs- oder Grundkurs belegen oder ganz abwählen. Damit ist es nun vorbei in Schleswig-Holstein. Stattdessen lernen die Schüler den Abitursstoff wie vor 1970 in fest eingeteilten Klassen. Boldt: "Das reißt den Notendurchschnitt runter. Der Unterricht im Klassenverband ist unser Hauptkritikpunkt."

Lehrer Hartmut Seipel sekundierte. Eine Studie aus Baden-Württemberg, wo die Profiloberstufe seit fünf Jahren gilt, habe ergeben, dass zwar das "untere Leistungsniveau angehoben, aber die Leistungsspitze gekappt" wurde. "Ich habe als Lehrer die Studienstufe mit dem Kurssystem sehr geschätzt, weil dies die Gruppen durchmischt hat. Nun sind die Klassen sehr homogen."

Auch aus wirtschaftlicher Sicht gebe es einiges an der Profiloberstufe zu bemängeln, sagte VR-Bank-Vorstand Horst Alsmöller. Wer nach dem Abitur eine Ausbildung anfange, fahre gut damit, da zählten ohnehin "mindestens zu 50 Prozent" neben der Schulnote soziale Talente wie Teamfähigkeit, Ausdrucksstärke und sprachliche Fertigkeit. Wer aber studieren will, dem bot das alte Leistungskurssystem eine viel bessere Spezialisierung.

Doch die ist nicht gewollt. Klugs Assistent Meyer: "Es gibt 400 Ausbildungsberufe und 6000 Studienfächer. Da macht eine frühzeitige Spezialisierung keinen Sinn. Man braucht in allen Ausbildungsberufen bestimmte Fähigkeiten, die einfach jeder besitzen muss."