Alexander Gross, Mitglied im Landessprecherrat der “['solid]“-Linksjugend, über Kommunismus und die Bürde SED.

Kreis Pinneberg. Politikverdrossenheit: Immer wieder fällt das Schlagwort, das Jugendliche beschreibt, die sich nicht für politische Vorgänge interessieren und nur schwer zu motivieren sind, wählen zu gehen. Doch es gibt positive Beispiele, die das Engagement junger Leute belegen: Die Nachwuchsorganisationen der großen Parteien. Die Pinneberger Zeitung hat deren führende Köpfe interviewt. Heute: Alexander Gross von der "['solid]"-Linksjugend.

Seit 2007 hat auch die recht junge Linkspartei einen Jugendverband. Aus den Jugendorganisationen der WASG und der PDS entstand die linksdemokratische "['solid]"-Linksjugend. Der Schüler Alexander Gross (18) ist Mitglied im Landessprecherrat. Er setzt sich schwerpunktmäßig für ein gerechtes Bildungssystem und einen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan ein.

Pinneberger Zeitung:

Wie ist es dazu gekommen, dass Sie den Weg in eine Partei gegangen sind?

Alexander Gross:

Ich war in der Antifa tätig und habe mich im Bereich Antifaschismus engagiert. Allerdings wollte ich nicht nur Nazis bekämpfen und habe mir Parteiprogramme von verschiedenen Parteien durchgelesen. Mit der Linken hatte ich die höchste Übereinstimmung und bin im Oktober 2008 eingetreten.

PZ:

Was war für Sie das entscheidende Kriterium, sich bei der Linkspartei zu engagieren?

Gross:

Eine große Rolle spielte für mich schon immer der Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Dort hat sie einfach nichts zu suchen. Außerdem habe ich mich stark mit dem kommunistischen Manifest beschäftigt und sehe mich als Kommunisten. Für mich hat das nichts mit DDR oder Sowjetunion zu tun.

PZ:

Was verbinden Sie denn mit dem Kommunismus?

Gross:

Für mich bedeutet Kommunismus, dass es eine gerechte Grundverteilung gibt und Gleichheit herrscht. Arbeiter und Angestellte werden gerecht behandelt, und es gibt dementsprechend ein angemessenes Lohnsystem.

PZ:

Wie erleben Sie Jugendliche, wenn es um Politik geht?

Gross:

Jeder Jugendliche ist politisch und hat eine Meinung zu dem, was um ihn herum passiert. Auch in der Schule sind viele Jugendliche engagiert dabei, wenn es um Politik oder Wirtschaft geht. Der Schritt in eine Partei ist vielen zu groß, wenn man dafür Freizeit opfern muss, vor allem angesichts der Schulbelastung.

PZ:

Muss man den Schritt in eine Partei gehen, um als Jugendlicher politisch zu sein?

Gross:

Nein, schon wenn junge Menschen eine Petition gegen einen Atommülltransport unterschreiben, ist das politisch. Auch ein Engagement in einer Schülervertretung ist natürlich ein guter Schritt. Wer sich beispielsweise gegen die hohe Schulbelastung stellt, ist definitiv politisch.

PZ:

Häufig wird Jugendlichen ja eine regelrechte Verdrossenheit gegenüber politischen Prozessen vorgeworfen. Spielt dieses politische Desinteresse wirklich eine so große Rolle?

Gross:

Viele Schüler sind wirklich politikverdrossen, was daran liegt, dass sie sich allein gelassen fühlen. Dann kommen Jugendliche schnell dahin, alles auf sich zukommen zu lassen, und so kommt es dann zu diesem Problem. Allerdings übertreiben die Medien bei diesem Thema immer sehr stark.

PZ:

Was muss und kann man dagegen tun?

Gross:

Aufklärung muss her und zwar nicht nur in Schulen. Hier müssen Organisationen parteiübergreifend gezielt dieses Problem angehen. Nur so kann man Jugendliche motivieren und ansprechen. Es ist schwer als einzelner, weil man so immer schnell verdächtigt wird, jemandem eine Meinung aufzudrücken. Andere Meinungen muss man respektieren.

PZ:

In der DDR wurden kaum andere Meinungen zugelassen, was auch das Parteienspektrum zeigt. Wie fühlt man sich als Kreisvorsitzender der Nachfolgeorganisation der SED?

Gross:

Leider kommt dieses Beispiel immer wieder auf. Man muss da mal etwas differenzierter rangehen. Die Nachfolgeorganisation der SED war die PDS, und dann kam nach dem Zusammenschluss mit der WASG erst die Linkspartei zustande. Mann muss sich die Frage stellen, warum sich die Partei umbenannt hat und was im Parteiprogramm steht. Zwar gibt es Parallelen mit der SED, aber beim Blick ins Programm wird klar, dass wir uns zum demokratischen Sozialismus bekennen. Das war in der DDR nun wirklich nicht so. Viele stellen die Linke völlig falsch dar. Die Leute, die ich in der Partei getroffen habe, lehnen allesamt das DDR-Regime und die SED ab, und so denke ich auch.

PZ:

Wie geht man mit Abgeordneten mit Stasi-Vergangenheit um?

Gross:

Wenn sich jemand ändern will, der derartige Vergangenheiten hat und das zugibt, dann finde ich das okay. Wenn so etwas beiläufig herauskommt, ist das schlecht für den gesamten Verband, und dann muss man daraus Konsequenzen ziehen.

PZ:

Die Linkspartei präsentiert sich auf Bundesebene momentan nicht unbedingt als geschlossener Verband. Sind die Linken mehrheitsfähig?

Gross:

Das ist das allergrößte Problem der Linken. Wir haben ein breites Spektrum - doch alle Facetten aus derselben Partei. Wir sind für Mindestlöhne und einen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Wir sind eine junge Partei und müssen uns jetzt ordnen. Machtkämpfe müssen gestoppt werden, sowohl in Bund als auch auf Landesebene.

PZ:

Viele Parteimitglieder von SPD, Grünen und Linken bereiten schon erste Sondierungsgespräche für eine gemeinsame Koalition vor. Wäre das gut?

Gross:

Wenn wir nicht alle Inhalte verlieren, dann wäre das ein absolutes Wunschbündnis. Der Bürger darf nur nicht das Vertrauen in unsere Positionen verlieren.

PZ:

Was ist Ihre Botschaft als Mitglied im Landessprecherrat von ['solid] an Jugendliche?

Gross:

Veränderung braucht Engagement. Wir haben in Deutschland Meinungsfreiheit und sollten diese nutzen. Also sollten junge Menschen sich Gehör verschaffen und ihre Meinung sagen.