Die Zahl der Fälle, in denen Frauen nach häuslicher Gewalt Rat und Hilfe erbitten, ist schon 2008 auf 168 gestiegen.

Kreis Pinneberg. In der Wirtschaftskrise wächst die Gewalt. Diese erschreckende Beobachtung macht Halstenbeks Gleichstellungsbeauftragte Celia Letzgus. "In diesem Jahr haben sehr viel mehr Frauen in Halstenbek um Rat und Hilfe gebeten, weil ihre Partner zu Hause gewalttätig geworden sind."

Auslöser für häusliche Gewalt in der Krise sind Frust, Angst vorm Verlust des Arbeitsplatzes, Existenzsorgen und damit verbundene Minderwertigkeitskomplexe, unter denen Männer als Ernährer der Familie in der Wirtschaftskrise leiden.

Auch langfristig ist die Zahl der Frauen kontinuierlich angestiegen, die sich nach seelischen und körperlichen Attacken durch ihre Partner Schutz und Hilfe in Frauenhäusern, in Frauenberatungsstellen und bei Gleichstellungsbeauftragten im Kreis Pinneberg suchen. "Weil sich mehr Frauen trauen, darüber zu sprechen", sagt Hanna Wolz, Koordinatorin des KIK-Netzwerkes, das Kooperations- und Interventionskonzept bei häuslicher Gewalt im Kreis Pinneberg. Im Jahr 2008 sind insgesamt 168 Fälle von häuslicher Gewalt aktenkundig geworden. 97 Frauen fanden alleine den Weg zu einer der drei Frauenberatungsstellen oder Gleichstellungsbeauftragten. In 71 Fällen hatte die Pinneberger Polizei eine sogenannte Wegweisung ausgesprochen: Bei einem Polizeieinsatz auf Grund häuslicher Gewalt kann der Täter für zwei Wochen aus der gemeinsamen Wohnung verwiesen werden. Die Beamten informieren die Beratungsstellen über den Vorfall, die Kontakt zum Opfer aufnehmen. "Das ist nur ein kleiner Teil der tatsächlichen Fälle", sagt Hanna Wolz. Laut einer Studie des Bundesfamilienministeriums hat jede vierte Frau mindestens einmal Gewalt durch einen Mann erlitten. Gewalt gegen Frauen ist laut dieser Untersuchung kein Problem sozialer Brennpunkte, sondern findet in allen gesellschaftlichen Schichten statt und ist unabhängig vom Bildungsgrad. "Die Ursache ist die Geschlechterhierarchie ", sagt Hanna Wolz. Mit Gewalt übe ein Mensch Macht über einen Schwächeren aus. Besonders häufig komme es in privaten Stresszeiten zu Gewalttätigkeiten - zum Beispiel wenn Frauen sich von ihren Partnern trennen wollten.

Darin sind sich die Beraterinnen und Gleichstellungsbeauftragen des Kreises einig: Das Bekanntmachen, das Sprechen über häusliche Gewalt sei der wirkungsvollste Weg aus der Not. Denn: "Die Gewalt in Partnerschaften passiert heimlich hinter verschlossenen Türen", sagt Ulrike Berg-Weichert vom Pinneberger Frauennetzwerk. Frauen sollten mit Freundinnen, Nachbarn, Angehörigen oder Kollegen über die Gewalt, die ihnen angetan wird, sprechen. Häusliche Gewalt dürfe nicht länger tabu sein.

Die Frauenberatungsstellen, Frauenhäuser und Gleichstellungsbeauftragten der Städte und Gemeinden im Kreis Pinneberg wollen in der kommenden Woche mit vielen Aktionen auf das schwere Thema aufmerksam machen. Anlass ist der "Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen" am Mittwoch, 25. November. Emil Schmalfuß, Schleswig-Holsteins neuer Minister für Justiz, Gleichstellung und Integration, startet an dem Tag um 11 Uhr im Elmshorner Rathaus mit der Gleichstellungsbeauftragten Dorathea Beckmann und Holger Rathjen, Landesinnungsmeister des Bäckerhandwerks Schleswig-Holstein, zentral die landesweite Aktion "Gewalt kommt nicht in die Tüte". Im Kreis Pinneberg verteilen dann zehn Innungsbäckereien mit Brötchen gefüllte Papiertüten, die mit der Telefonnummer der Frauen-Helpline bedruckt sind.

Eine erfolgreiche Kampagne: "In den vergangenen sechs Jahren ist jeweils nach der Aktion die Zahl der Frauen, die sich zu uns trauten, gestiegen", sagt Karina Sahling vom Frauentreff Elmshorn.

Die Aktionen im Kreis Pinneberg zum "Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen" sowie die Kontaktadressen für Opfer von häuslicher Gewalt stehen auf der Internetseite der Pinneberger Zeitung.

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