In kleinen Gruppen lernen Mädchen und Jungen, mit dem Verlust eines lieben Verwandten umzugehen.

Pinneberg/Uetersen/Appen. "Als mein Papa gestorben ist, haben in meiner Klasse alle gefragt, was passiert ist. Heute, nachdem er schon länger tot ist, fragt niemand mehr. Manchmal will ich trotzdem von meinem Vater erzählen", sagt Kimberley (9).

Wer schon einmal einen geliebten Menschen verloren hat, kennt dieses Gefühl: In Gesellschaft von Leuten ohne ähnliche Erfahrung lässt es sich schwer trauern, geschweige denn über lang anhaltenden Kummer sprechen. So geht es auch Kindern. Im Gegensatz zu Erwachsenen suchen die Kleinen meist vergeblich nach Wegen, um das auszudrücken, was sie bewegt. Kimberley hat eine Möglichkeit gefunden. Seit ein paar Wochen besucht sie die "Trauergruppe für Kinder im Kreis Pinneberg " des Ambulanten Hospizdienstes Pinneberg-Uetersen. Dort kann sie mit Kindern und mit Trauerbegleiterin Maria Traut über ihren Papa und den kürzlich verstorbenen Großvater sprechen.

Auch die neunjährige Luna trauert um ihren Vater: Er ist im vergangenen November an den Folgen einer Nervenkrankheit gestorben. "Weil er so krank war, hatte er sich verändert. Am Ende hat er oft mit mir geschimpft, wenn ich Fehler gemacht habe oder was vergessen habe", sagt Luna. Da setzt Kimberley wieder ein: "Ja, mein Papa und mein Opa haben auch öfter geschimpft. Manchmal hab ich deswegen geweint."

Anders geht es Nelly (9) und Tabea (8). Die Tage, in denen ihre Mütter noch lebten, waren in der Erinnerung der Mädchen stets gute Tage. Dagegen ist heute für Tabea ein schlechter Tag: "Wir haben in der Schule Wörter geschrieben, und ich hatte die Hälfte falsch." Und schon drehen sich die Gespräche um Mathetests, um Diktate, um Hausaufgaben und all das, worauf die Mädchen im Alltag ganz gut verzichten könnten.

Luna will die "Maria-Gruppe" - so nennen die Mädchen ihre Treffen - heute abschließen: "Es ist toll hier. Wir habe viel Spaß, haben gespielt, gelesen, gemalt und gelacht", sagt die Schülerin. "Hier kann ich so sein, wie ich bin. Ich darf viel erzählen, muss aber nichts sagen", meint Luna und überlegt noch mal: "Am besten war, dass ich nie erklären musste, wie es mir geht, weil die anderen Ähnliches erlebt haben." Jetzt wolle sie es mal ohne Maria versuchen.

Auch Nelly verlässt die Trauergruppe nach einem halben Jahr. "Ich glaube, jetzt geht es auch ohne." Die Kerze, die Nelly in der Trauergruppe für ihre Mutter verziert hat, hat die Neunjährige nie angezündet. Die will Nelly unberührt mit nach Hause nehmen. "Auch die anderen Mädchen haben ihre Kerzen während all unserer Treffen nur sehr sparsam brennen lassen", sagt die Heilpädagogin Maria Traut. "Sie sind das Symbol für Menschen, um die die Kinder trauern. Deshalb sollen sie möglichst lange halten."

Maria Traut hat heute jedem Mädchen einen Stein mitgebracht, passend zum Lesestoff "Matthis und der Troststein". Natürlich machen sich die Kinder im Anschluss ans Lesen gleich über Pinsel und Farben her, um ihre eigenen Troststeine zu bemalen. Lunas wird knallrot, Kimberleys blau, Tabeas bunt. Nur Nelly will ihre Töpferarbeit beenden. Sie malt die Buchstaben P und B schwarz und weiß an. "P für Panda und B für Bär", sagt Nelly. "Meine Mama hat Pandabären gesammelt". "Hast Du die noch?" will Luna wissen. "Sind die denn alle schwarz und weiß?", fragt Tabea - schon ist ein Gespräch über alle Bären dieser Welt im Gange. Es wird gekichert und ordentlich mit Farbe gekleckert.

"Schön, oder?", fragt Maria Traut. So soll es sein: Durch kleine Rituale des Erinnerns und durch viele kreative Angebote soll die Gruppe einen geschützten Raum bieten, um Gefühle auszudrücken, in der Gemeinschaft zu teilen und die vielen schönen Erinnerungen an die gemeinsame Lebenszeit zu stabilisieren. "Weinen und Schweigen, wütend sein und sich zurückziehen haben hier ebenso Raum wie Lachen und Erzählen, Spielen und Toben, denn das liegt bei trauernden Kindern nah beieinander."