Die Übung auf dem PVG-Gelände gehörte zur Aktionswoche “Rücksicht auf der ganzen Linie“.

Schenefeld. Die Beine sind schwer heute. Die Knie lassen sich nicht wirklich beugen. Der Hals ist steif, der Kopf ist schwer zu drehen. Und mit dem klaren Gucken klappt es auch nicht wirklich. Wo kann ich mich denn festhalten? Rückwärts soll ich die Stufen runter? Das auch noch! Wie bitte?

Nein, Jörg Schlapkohl (47) ist nicht genervt. Nur erstaunt, wie mühsam der Ausstieg aus dem Bus sein kann. "Ich fühle mich wie 87", sagt er und lacht. Dann nimmt er den Gehörschutz und die dunkle Brille ab. Die gehören zum Altersanzug, in dem der Busfahrer steckt. Die Kluft lässt ihn nachempfinden, wie es sich mit 40 Jahren mehr auf dem Lebenskonto bewegen lässt.

Auf dem Gelände der Pinneberger Verkehrsbetriebe (PVG) parkte gestern ein Sonderbus. An Bord: Zwei Trainer des Deutschen Rollstuhlsportverbandes, Rollstühle, ein Hindernisparcours, Simulationsbrillen zu verschiedenen Sehbehinderungen und ein neun Kilo schwerer Altersanzug. Die Übung war Teil der Aktionswoche "Rücksicht auf der ganzen Linie". Die Utensilien sollten den 438 Busfahrern am Standort Schenefeld die unterschiedlichen Mobilitätsbehinderungen von Fahrgästen deutlich und erlebbar machen. Mit welchen Problemen kämpfen Rollstuhlfahrer, wenn die Rampe in den Bus zu steil ist? Was ist zu tun, wenn Autofahrer die Haltestellen versperren und sich die Rampe nicht ausfahren lässt? "Rollstuhlfahrer müssen ihren Alltag minutiös planen", so Trainer und Sportwissenschaftler Carsten Gugel. "Wenn dann noch der Busfahrer sagt: 'Ich kann sie nicht mitnehmen', ist der Tag gelaufen." Das war auch Thema des Aktionstages: Wie sensibilisiere ich andere Verkehrsteilnehmer und Fahrgäste für die Bedürfnisse mobilitätsbehinderter und alter Menschen?

Wie es sich anfühlt, mit gebrechlichen Knochen, stark eingeschränkter Sehkraft und schlechtem Gehör in einen Bus zu steigen, haben Jörg Schlapkohl und Kollegen gestern am eigenen Leib erlebt. Sie können nun noch schneller und besser erkennen, wie sie hilfebedürftige Menschen unterstützen können. "Das ist für uns die große Herausforderung der Zukunft", sagt PVG-Sprecher Kay Goetze. Die Menschen werden immer älter und wollen so lange wie möglich mobil bleiben. Allein die Zahl der Fahrgäste, die mit Hilfe von Rollatoren unterwegs sind, ist enorm angestiegen und wird es auch weiter tun".

Und auch das müssen Busfahrer können: Stets freundlich und hilfsbereit sein. Denn über die Hindernisse und Hürden, die die Teilnehmer des Trainings spielend meisterten, müssen sich gehandicapte Menschen quälen.