Der Mediziner war erstaunt über sein Bild in der Tagesschau und freut sich nach all dem Trubel über den Alltag.

Pinneberg. Wie schön. Der ganze Medienrummel ist ihm nicht zu Kopf gestiegen. Vielmehr lässt Jens Petersen sein Pinneberger Publikum spüren, wie sehr er sich freut, zu Hause zu sein. Mit einem Lausbubengrinsen erzählt der schlaksige Zwei-Meter-Mann seinem "Bücherwurm"-Publikum, wie es ist, berühmt zu sein: Dass er es lustig findet, wenn der Chef seines Lieblingsrestaurants am Zürcher See, der ihn bisher stets ignoriert hat, plötzlich Champagner auf Kosten des Hauses serviert. Dass es ihn ein bisschen ärgert, wenn er in der Zeitung als Schweizer bezeichnet wird. Jens Petersen wundert sich über die Einladung zum Fotoshooting in Kärnten. "Man stelle sich das vor: Ich als sinnierender Schriftsteller am See". Und er staunt darüber, dass er sein eigenes Gesicht in der Tageschau gesehen hat.

Jens Petersen (33) hat Ende Juni in Klagenfurt den Ingeborg-Bachmann-Preis verliehen bekommen und ist damit in die erste Liga der deutschsprachigen Literaten aufgestiegen. Den ausgezeichneten Text las der in Pinneberg geborene, inzwischen in Zürich lebende Arzt jetzt vor rund 250 Zuhörern im "Bücherwurm" vor. "Bis dass der Tod" ist die beklemmende Geschichte eines Liebespaares. Alex erweist seiner schwer erkrankten und längst völlig hilflosen Freundin Nana den größten aller Liebesdienste: Er tötet sie. Petersen spielt in dem unveröffentlichten Romanauszug mit dem berühmten Motiv des als Doppelselbstmord geplanten, gemeinsamen Liebestodes, den er laut Klagenfurter Jury "in einer furchtbaren zeitgenössischen Variante präsentiert".

Der Text ist sehr schwer, legt sich wie Blei aufs Gemüt. Im Bücherwurm-Publikum herrschte Grabesstille, die Minen der Zuhörer waren ernst, die meisten lauschten mit geschlossenen Augen. Kein Husten, kein Räuspern. Petersen schaute 26 Minuten lang nicht ein einziges Mal vom Manuskript auf. Und dann der erlösende Applaus. Es folgte eine kurze Diskussion über das Thema Sterbehilfe. Dann wollten die Pinneberger wissen, wie er sich fühle als berühmter Schriftsteller. "Ich weiß es immer noch nicht", so Petersen - und grinst. Aber er weiß, dass er für den Moment genug vom Ruhm hat. "Nach all dem Trubel habe ich mich sehr auf meinen ganz normalen Nachtdienst im Krankenhaus und sogar über den ersten Anschiss gefreut." Was ihm wichtiger sei, wollen die Leute wissen, das Schreiben oder der Arztberuf? Ohne Schreiben könne er nicht leben. "Der Bachmann-Preis", sagt Petersen, "das ist eine Sahnetorte. Die sieht toll aus und ist lecker. Aber man kann nicht drauf stehen." Seine Ausbildung zum Facharzt dauere noch zwei Jahre. "Ich werde jetzt den Hintern zusammenkneifen und mich darauf konzentrieren."

"Bis dass der Tod" soll Ende 2010 als Roman erscheinen. Ob er schon wisse, ob Alex sich selbst auch tötet?", fragt eine Zuhörerin. "Nein! Weiß ich nicht", sagt Petersen und grinst wieder spitzbübisch. Eins weiß er genau: Er wird wieder nach Pinneberg kommen und aus dem kompletten Roman lesen. Die Einladung dazu aus der Drostei hat Jens Petersen schon in der Tasche.