Aktionsbündnis gegen neue Tarife: DJs, Produzenten und Veranstalter aus Norddeutschland schließen sich im Schenefelder Eberts zusammen.

Schenefeld. Schenefeld. "Da kann ich einpacken", murmelte ein Diskothekenbetreiber. Das Entsetzen war ihm ins Gesicht geschrieben, während Matthias Rauh, Gründer des Aktionsbündnisses "Kultur retten", die neuen Gema-Tarife weiter ausführte. Am Dienstagabend schlossen sich DJs, Produzenten und Veranstalter aus Norddeutschland im Schenefelder Eberts zusammen. Auf der Tagesordnung standen Informationen zu der ab 2013 geltenden Gema-Gebührenordnung und die Planung von neuen Demo-Aktionen. Kurz: In der Kultdisco an der Friedrich-Ebert-Allee ging es um die Zukunft der Branche - und die sieht düster aus.

Deutschlands Diskobetreiber fürchten angesichts der Tarifänderung, die sich an der Raumgröße, der Höhe des Eintrittspreises sowie der Länge des Veranstaltungsabends orientiert, enorme Gebührenerhöhungen von bis zu 1000 Prozent. "Wenn die neue Tarifordnung so kommt, dann haben drei Viertel von Ihnen keine Chance zu überleben." 100 000 Arbeitsplätze wären bedroht, erklärte Henning Franz den Discobetreibern. Der langjährige Vorsitzende und heutige BDT-Ehrenpräsident berichtete von einer völlig verfahrenen Verhandlungs-Situation mit der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (Gema). Er ließ keinen Zweifel daran, dass der Verband klagen werde, und zwar bis zur letzten Instanz. Aber bis der Fall vorm Bundesverwaltungsgericht lande, könnten Jahre vergehen. "Im schlimmsten Fall zahlen wir fünf Jahre lang diese Gema-Gebühren. Das überleben viele von uns nicht", so Knut Walsleben vom Bundesverband der deutschen Discjockeys. Beide sehen nur eine Lösung: "Wir müssen die Massen mobilisieren. Wir müssen einen enormen Druck aufbauen."

Bereits am 30. Juni ist eine bundesweite Aktion angedacht. In allen Diskotheken - ob auf der Reeperbahn, im Ruhrpott oder in München - soll gleichzeitig um 23.55 Uhr der Stecker gezogen werden. "Es muss ein Ruck durch Deutschland gehen", sagt Walsleben. Auf jeden Flyer sollen Veranstalter ab sofort das Aktionslogo "Schützenswerte Veranstaltung" drucken. Die Verbandsbosse appellieren zudem an die Diskobetreiber, sich an die Politik zu wenden. Walsleben: "Wir müssen alle Register ziehen."

Ein erster Erfolg: 123 602 Unterstützer unterzeichneten bis gestern die Online-Petition des Aktionsbündnisses "Kultur retten", die sich gegen die neue Tarifordnung der Gema wendet. Nach Ablauf der Frist in 112 Tagen wird die Liste an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages übergeben. Damit es bis dahin noch sehr viel mehr Unterschriften werden, wollen die Discobetreiber mit Facebook-Seiten und Aufrufen per Email ordentlich trommeln.

Im Kreis Pinneberg sind mehrere Diskotheken und Jugendzentren wie das Maxx in Wedel oder das Apollo in Elmshorn betroffen. Ganz weit vorn an der Demo-Front: Wolfgang Müller, Inhaber des Eberts. Allein ihm droht eine Steigerung der gebührenpflichtigen Abgabe um mehr als 1000 Prozent. Bislang zahlte er 9000 Euro an die Verwertungsgesellschaft, die die Rechte der Musiker vertritt. "Das ist ein solche Frechheit", ärgert sich Müller.

Dabei wollte die Verwertungsgesellschaft mit der neuen Tarifstruktur eine Vereinfachung und Ausgewogenheit erreichen. Einfacher ist es: Statt bislang elf Kategorien gibt es nun zwei Tarife, die zwischen Livemusik und Musik vom Tonträger unterscheiden. So gibt es nach fünf Stunden Musik vom Tonträger einen Aufschlag von 50 Prozent oben drauf. Damit sollen kleine Veranstalter entlastet werden.

Gaby Schilcher, zuständig für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Gema erklärte im Gespräch mit dem Abendblatt, warum die Tarife umstrukturiert werden. "Anlass war eine Verschiebung der alten Tarife", sagt sie. "Kleine Veranstaltungen haben im Verhältnis bisher deutlich mehr gezahlt als große. Das wollten wir ändern." Um Missverständnisse vorzubeugen, könnten sich Veranstalter und Discobetreiber bei der zuständigen Bezirksdirektion über Kosten und Änderungen informieren. Schilcher: "Wir sind mit den neuen Tarifen sehr offen umgegangen."