Die dreifache Mutter Ruth M. aus Halstenbek erkrankte vor einem Jahr während der Epidemie an EHEC und überlebte nur knapp.

Kreis Pinneberg. Ihren 45. Geburtstag hat die Halstenbekerin Ruth M. doppelt gefeiert. Für sie war es der erste Geburtstag ihres neuen Lebens. Das ist fast ein Jahr her. Kurz zuvor war die dreifache Mutter nur knapp dem Tod entronnen.

Ruth M. litt an EHEC - und zwar dem hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS), der besonders gefährlichen Variante. Sechs Wochen lag die heute 45-Jährige in der Klinik. Die Krankheit hat ihr Leben verändert. Gesundheitliche Einschränkungen sind geblieben, ihren Beruf hat sie aufgeben müssen. Und trotzdem ist Ruth M. nicht unglücklich: "Ich betrachte das Leben anders und habe vieles neu wertschätzen gelernt."

163 bestätigte EHEC-Infektionen, davon 17 HUS-Fälle, ein Todesfall: Der Kreis Pinneberg lag in Schleswig-Holstein, wo es insgesamt 1000 Fälle gab, an der Spitze der Infektionen. Zwischen dem 20. Mai und dem 17. Juni 2011 versorgten die Regio-Kliniken 250 Menschen mit Symptomen, die auf EHEC hindeuteten. Zum Glück bestätigte sich eine Infektion nicht bei allen.

"Es war jeden Tag Krisenmanagement gefragt", sagt Michaela Maring, die Leiterin der zentralen Notaufnahme am Regio-Klinikum Pinneberg. Nach dem 20. Mai sei die Zahl der Menschen, die in den Notaufnahmen der Regio-Kliniken wegen unklarer Durchfälle Hilfe suchten, sprunghaft angestiegen. "Wir mussten erkennen, dass sich selbst hinter vergleichsweise harmlosen Symptomen eine EHEC-Erkrankung verbergen konnte", sagt Maring.

Positiv empfindet die Ärztin heute noch den großen Teamgeist während der Epidemie. "Die Zusammenarbeit mit den Kollegen der einzelnen Abteilungen und anderen Krankenhäuser in Elmshorn und Wedel hat sehr gut funktioniert. Ressourcen wurden schnell und unbürokratisch zur Verfügung stellt." Selbst der Ärztliche Direktor, Dr. Thorsten Wygold, war eingesprungen, damit Maring zumindest am Himmelfahrtstag mal frei nehmen konnte.

+++ EHEC und HUS +++

Ruth M. gehörte am 17. Mai zu den ersten, die das Regio-Klinikum Pinneberg aufsuchten. "Ich hatte vorher zwei Wochen lang Bauchkrämpfe", erinnert sie sich. Sie habe zunächst an ein Magengeschwür gedacht. "Dann kam der blutige Durchfall, da wusste ich, dass ich handeln musste." Die damals 44-Jährige, die bei einer Steuerberatungskanzlei arbeitete, fuhr zunächst nach Hause, um ihre drei Kinder noch einmal zu sehen. "Mein Mann war auf einer Dienstreise, ich habe mich dann von unserem Au Pair ins Krankenhaus bringen lassen."

Die folgenden Tage waren für Ruth M. ein einziger Albtraum. Eine Untersuchung folgte der anderen, doch die Ursache ihres Leidens blieb zunächst unklar. Und der dreifachen Mutter ging es immer schlechter. Es folgte die Verlegung ins UKE. "Da musste ich schon beatmet werden, das war für mich ganz schlimm."

Schließlich lautete die Diagnose EHEC. Ruth M. erhielt Bluttransfusionen und eine sogenannte Plasmapherese, bei der das körpereigene Blutplasma ausgetauscht wird. "Mir ging es trotzdem immer schlechter." Die Nieren der Halstenbekerin versagten, sie hing permanent an Maschinen. "Ganz schlimm war, als die Ärzte sagten, sie wüssten nicht mehr weiter." Die damals 44-Jährige machte sich Gedanken über das Sterben. "Ich habe mir Vorwürfe gemacht, immer nur gearbeitet und nichts mit den Kindern gemacht zu haben."

Ruth M. beschreibt sich selbst als Workoholic. Ein Umstand, der ihr vielleicht geholfen hat. Denn sie kämpfte sich zurück ins Leben. Die Nieren nahmen wieder ihren Dienst auf, der Blutaustausch war nicht mehr notwendig. "Nach fast sechs Wochen im Krankenhaus sollte ich noch zur Antikörpertherapie, aber ich wollte nur nach Hause." Ende Juni kam sie zurück nach Halstenbek. Zurück zu ihren drei damals sechs, neun und zehn Jahre alten Söhnen, die sie nicht im Krankenhaus besuchen durften. Und zurück zu einem neuen Leben.

"Meinen Job musste ich kündigen", sagt die 45-Jährige. Bis Ende 2011 musste sie regelmäßig zur Nachsorge ins UKE. Bis heute leidet sie unter kognitiven Störungen, kann sich Sachen schlecht merken. "Mir fallen plötzlich Worte nicht mehr ein. Ich kann Stress ganz schlecht ab, bin manchmal zur falschen Zeit am falschen Ort." Es dauerte fast ein Dreivierteljahr, bis die sportliche Halstenbekerin wieder joggen gehen konnte. "Die Bereitschaft, sich zu quälen, ist nicht mehr da", sagt sie von sich. Sie hat eine Psychotherapie angefangen und macht einen kleinen Schritt nach dem anderen. "Ich war erfolgsverwöhnt und sehr ehrgeizig. Jetzt habe ich gelernt, dass es auch langsam geht. Ich bin froh, dass ich es soweit geschafft habe." Langfristig, so sagt die Halstenbekerin, wolle sie wieder arbeiten gehen. "Aber ich muss mich ganz sicher fühlen und etwas Passendes finden."