Industriemaler Tobias Duwe porträtiert für die IHK Kiel zehn Industriebetriebe. Drehnorm in Barmstedt ist der einzige aus dem Kreis Pinneberg.

Barmstedt/Kiel. Malstudien an der Schraubenpresse. Für Anlagenführer Christian Neuber sind diese Arbeitsschritte tägliche Routine: Ein Stück Eisen stanzt er in der richtigen Passgröße aus, erhitzt es im Schmelzofen auf 850 Grad, und schließlich hält er das tiefrot glühende Eisenteil mit der Zange unter die Presse und fertig ist die 36er Spezialmutter. Neuber wirft sie in einen Kessel, in dem sich schon Hunderte von Schraubenmuttern auftürmen, in dem Farbenspektrum von Rot über Goldgelb bis Grau, je nach Wärme-Zustand.

Heute wird jeder einzelne Arbeitsschritt des Schrauben-Machers bis ins letzte Detail beobachtet und festgehalten. Auf Leinwand. In Öl. Landschaftsmaler Tobias Duwe, 50, hat Pinsel und Farbpalette mit in die Werkhalle der Firma Drehnorm im Barmstedter Gewerbegebiet genommen.

In Deutschlands nördlichster Schraubenfabrik malt der Hamburger Künstler, der sich zu den Norddeutschen Realisten zählt, sechs Kunstwerke in verschiedenen Größen, die die typischen Arbeitsprozesse in dem 43-Mitarbeiter-Betrieb darstellen. "Diese Schraubenpresse ist das Herzstück des Unternehmens", hat der Künstler Duwe schnell erkannt. "Wir haben es hier mit einer sehr ursprünglichen Arbeit zu tun, die an das Schmieden erinnert. Das Eisen ist heiß. Es glüht regelrecht. Hier passiert etwas ganz Spezielles. Das spürt man sofort", sagt Duw. Er ist von der industriellen Fertigung seines Modells beeindruckt, das 1000 Tonnen Spezialschrauben im Jahr für den Schiffs- und Kraftwerksbau herstellt.

Der aus Bad Oldesloe stammende Künstler wird noch weitere Industriebetriebe besuchen und deren Mitarbeiter und Fertigungsprozesse auf seine Ölleinwand bannen. Im Auftrag der Industrie- und Handelskammer zu Kiel porträtiert Duwe zehn der 487 zum Kammerbezirk gehörenden Industriefirmen, die nächstes Jahr während einer großen Ausstellung gezeigt werden sollen (siehe Info-Kasten).

Schirmherr und Initiator der Aktion Kunst und Industrie ist Hans-Heinrich Driftmann, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages und Inhaber der Köllnflockenwerke in Elmshorn. Dort hat Duwe auch schon mal Hand und Pinsel angelegt. Und das Ergebnis hat Driftmann offenbar so überzeugt, dass er seine Kollegen in Kiel dazu animierte mitzumachen.

Bei IHK-Sprecher Michael Legband hat er da offene Türen eingerannt. Vor zwei Jahren ließ er zwei Künstler mit dem Fähre MS Color Magic zwischen Kiel und Oslo hin- und herfahren und ihre Eindrücke auf Ölbildern festhalten. Einer von ihnen war Tobias Duwe, der andere der Österreicher Wilhelm Fikisz.

Das Ergebnis dieser Schiff-Kunstreise ist ein beeindruckender Bildband, der herrliche Sonnenuntergänge, unbekannte Schiffswelten, Häfen, Kräne und Reisende auf und unter Deck zeigt.

Drehnorm-Chef Martin Sztanka war sofort begeistert von der Idee, dass ein Künstler seinen 1981 gegründeten Betrieb porträtieren solle. Und auch die Mitarbeiter scheuten sich überhaupt nicht, dem Industriemaler Modell zu stehen. "Das war alles sehr angenehm und hat den Betriebsablauf nicht im Geringsten gestört", berichtet Sztanka. "Meine Mitarbeiter sind richtig stolz darauf. Sie verstehen es als Anerkennung und Aufwertung ihrer Arbeit, dass sie Teil eines Kunstprojektes werden."

Mit Sicherheit werde er das eine oder andere Kunstwerk Duwes kaufen, kündigt der Barmstedter Firmenchef an. "Das werden wir dann in den Besucherraum hängen." Für den Künstler Duwe ist dieser Kaufwunsch auch der finanzielle Anreiz dieser Aktion. Denn die IHK bezahle ihn dafür nicht, versichert Sprecher Legband.

"Für mich ist das eine willkommene Abwechslung zur Landschaftsmalerei", erzählt Duwe. "Die Arbeitswelt hat ihre eigene Atmosphäre. Das kann man hier wundervoll sehen. Auch das Licht spielt eine wichtige Rolle."

Und Duwe stellt bei seiner Maltechnik die entscheidenden Arbeitsprozesse genau so dar, wie sie wirklich sind, lobt Firmenchef Sztanka. "Auf den Bildern kann man alles sehr gut wiederfinden, selbst wenn man ein wenig betriebsblind sein sollte", erzählt Sztanka. Besonders hat ihn die ungewöhnliche Maltechnik des Künstlers Duwe fasziniert. Hier mal ein Farbtupfer, dort ein interessantes Detail. Der Bildaufbau schien aus vielen kleinen Versatzstücken zu bestehen, die erst im Laufe des Schaffensprozesses zu einem Gesamtwerk wurden. "Das ist der große Vorteil der Malerei im Vergleich zur Fotografie", erklärt Künstler Duwe. "Beim Malen kann ich ein bestimmtes Detail hervorheben, das immer wiederkehrt, auch wenn es auf einer Fotografie in dem Moment nicht zu erkennen wäre. Dieses Heranzoomen entsteht in meiner Wahrnehmung, die das Gefühl bei der Arbeit wiederzugeben versucht."