Rettung für das Pinneberg-Heim: Der Kreisjugendring rief zur Krisensitzung. Der Stiftungsvorstand plädiert für langfristigen Pachtvertrag.

Hejsager/Pinneberg. Wir sind in Dänemark, fahren im Auto des Kreispräsidenten und hören eine deutsch-polnische Spaßband. Burkhard E. Tiemann will uns sein Lieblings-Lied der Popolski-Show vorspielen und dreht an den Lautstärke-Reglern. Mit einer Ententanz -Parodie in einer Art Jazz-Punk-Version biegen wir auf den Strandweg in Hejsager bei Hadersleben ab. "Etwas leiser", fleht Norbert Hoppe auf dem Beifahrersitz, Fraktionschef der KWGP im Kreistag. Vergeblich. Wie in einem mobilen Konzertsaal düsen wir zwischen Strand und Ferienbungalows entlang. Die Ostsee strahlt im kräftigen Blau, die Sonne versteckt sich hinter Wolken. Wir erreichen unser Ziel, Tiemann parkt seinen Audi im Schatten eines Baumes.

Der Kreisjugendring (KJR) hat zu einer Krisensitzung nach Jütland eingeladen, 220 Kilometer nördlich des Kreises Pinneberg. Dort unterhält der Kreis seit Jahrzehnten ein Ferienhaus für Klassenfahrten und Ausfahrten von Sportvereinen, das der KJR seit 2005 im Auftrag des Kreises betreibt und mit Übernachtungsgästen belegt. Nun soll der Pachtvertrag gekündigt werden, da drei Fraktionen (SPD, Grüne und FDP) den jährlichen Zuschuss von 35 000 Euro nicht mehr zu tragen bereit sind. Der Schulausschuss hat dies bereits beschlossen. Die endgültige Entscheidung trifft am nächsten Mittwoch, 6. Juni, der Kreistag. Die Zeit drängt also.

Andreas Dirbach empfängt den Kreispräsidenten erleichtert. Der KJR-Vorsitzende hatte kurz vorher mehrfach angerufen, wo er denn bleiben würde. Doch da störte er die Atmosphäre der Tiemannschen Popolski-Show und wurde weggedrückt.

Im großen Speiseraum warten die KJR-Geschäftführer Ingo Waschkau und Birgit Hammermann mit einem guten Dutzend weiterer Besucher aus dem Kreis Pinneberg, die sie mit zwei Bussen nach Dänemark gebracht haben. Es ist eine Schar aus Kreispolitikern, Vereinsvertretern und Jugendbetreuern, die hier auf Vorstandsmitglieder der nordschleswigschen Stiftung trifft, der das Heim und das ein Hektar große Gelände gehört, das nur einen Steinwurf von der Ostsee entfernt liegt.

Von den politischen Gegnern des Pinneberg-Heims ist keiner gekommen. Es sind nur Kreispolitiker von CDU, KWGP und Linken dabei, die das Heim unbedingt erhalten wollen. Und so appellieren alle leidenschaftlich für die Rettung des Ferienhauses an der dänischen Ostseeküste in den Block des Reporters. Über ihn soll die restliche Welt erfahren, welche Bedeutung das Heim für die Jugendarbeit, den kulturellen Horizont Heranwachsender und die deutsch-dänische Freundschaft hat.

Eifrigster Fan des Heims aus dem Kreis Pinneberg ist allerdings ein Sozialdemokrat, der aber als bürgerschaftliches Mitglied kein Stimmrecht im Kreistag besitzt. Es ist Alfred Fichte, Vorsitzender des Pinneberg-Heim-Ausschusses. Er war 23 Jahre lang Kreisjugendpfleger. Fichte plädiert dafür, das Heim zu retten. "Zurzeit habe sie schlechte Karten in meiner Fraktion."

Geradezu verguckt in den heimeligen Charme des Hauses hat sich Helmuth Müller. Seit 40 Jahren fährt der Mann mit seiner Familie, Freunden und Sportskameraden vom VfL Pinneberg zu Pfingsten nach Hadersleben, um dort Strandurlaub zu machen. "Gerade waren wir wieder mit 40 Leuten hier", erzählt Müller. "Wir lieben alle das Heim. Es ist einmalig." Spontan hätte sein Reisegruppe bei einem pfingstlichen Brainstorming versucht, Lösungsvorschläge zu erarbeiten, wie das defizitäre Heim besser ausgelastet werden könnte. Die Plakate hat er an die Wand gehängt, auf denen von Events, Sponsoren, Vermietung an Privatleute, Geld- und Sachspenden die Rede ist. Während der Vorstellungsrunde fallen die angeklebten Zettel von der Wand. Zur Mittagspause - es gibt dänische Hotdogs - hat Müller sie wieder befestigt.

Auch Gösta Toft vom Stiftungsvorstand hält wieder einen flammenden Appell für das Heim, wo die Kinder Ferien machen könnten wie in den Ferienzentren der türkischen Riviera. Im Schulausschuss des Kreistages drang er nicht bis in die Herzen der meisten Kreispolitiker vor. Hier vor Ort ist es anders. Er schwärmt von den vielen Sport- und Freizeitmöglichkeiten mit Sandstrand und Sportplatz, Segel-, Ruder- und Kitesurf-Möglichkeiten und der Naturbeobachtung.

"Allein schon das blaue Wasser wirkt beruhigend auf jeden, der hierher kommt." Das würde selbst die verhaltensauffälligsten Jugendlichen zähmen. Ein Vorschlag, den Claas Schmidt-Riese interessiert aufnahm, der mit seinen Schützlingen vom Kinderschutzbund in Elmshorn das Haus an der Ostsee gern nutzen würde.

Ein Rundgang durch die Räume schließt sich an. Dabei fällt auf, wie schlicht die Schlafräume für die Kinder sind. Zu sechst oder acht sind sie in Etagenbetten in den sechs Zimmern untergebracht und teilen sich einen Duschraum mit Waschbecken aus Metall. Für die Betreuer ist vor ein paar Jahren eigens ein großzügiger Schlaftrakt mit eigenen Nasszellen und großer Wohnküche mit Fernseher geschaffen worden.

Eigentümer Toft zeigt später die Pläne der Stiftung, wie das Heim modernisiert und ausgebaut werden könnte. Die Stiftung würde sich daran mit einem Drittel der Kosten beteiligen und hat dafür bereits angrenzende Grundstücke veräußert. Den Rest sollen Sponsorengelder und der Kreis beisteuern. Doch er möchte diese Pläne lieber noch nicht im Einzelnen in der Zeitung lesen, bittet Toft. "Erst einmal muss das Heim jetzt gerettet werden. Aber für die Realisierung dieser Pläne bräuchten wir einen langfristigen Pachtvertrag von fünf bis zehn Jahren."

Später auf dem Rückweg halten die Pinneberg-Heim-Befürworter Tiemann und Hoppe wenig von diesen Ausbauplänen. "Das Heim soll so bleiben wie es ist", betonen die Kreistagsabgeordneten, während Tiemann wieder die Popolski-Show aufdreht. Im November tritt die pseudo-polnische Parodie-Truppe in Hamburg auf. Karten hat sich der Kreispräsident dafür längst gesichert. Davon scheint das Pinneberg-Heim aber noch weit entfernt zu sein.