Am Sonntag startet die Abiball-Saison im Kreis Pinneberg - die Veranstaltungen werden immer größer, pompöser und vor allem teurer.

Kreis Pinneberg. Noch einmal lernen, noch einmal schwitzen, zittern, hoffen: In diesen Tagen laufen die letzten anstrengenden Minuten für viele Abiturienten im Kreis Pinneberg. Die Schüler sitzen in den mündlichen Abituprüfungen. Für viele die letzte Möglichkeit, die Abschlussnote noch ein wenig in die richtige oder aber auch falsche Richtung zu drehen. Dann ist Schluss mit Schule. Für immer. Doch von Aufregung, gar Nervosität ist bei Jara Wilkening nichts zu spüren. Im Gegenteil: Die Abiturientin stößt schon vor ihrer Prüfung an. In weißer Bluse und grauem Hosenanzug lässt sie sich einen trockenen Riesling schmecken.

Das Grand Hotel Atlantic in Hamburg hat die 18 Jahre alte Abiturientin des Wedeler Johann-Rist-Gymnasiums zur finalen Weinprobe geladen. Die Cheforganisatorin des Abi-Balls ihrer Schule hat es nun in der Hand, die Abschlussfeier ihrer Mitschüler mit dem edlen Tropfen vom hoteleigenen Weinberg zu krönen. "Der ist sehr gut", sagt Jara Wilkening zum Sommelier. "Den nehme ich." Dann stellt sie die Kristallgläser zurück auf den Tresen. "Eigentlich hab ich von Wein aber nicht so viel Ahnung", gesteht sie.

Kleider für mehr als 200 oder 300 Euro sind keine Seltenheit

Macht nichts. Der Tropfen vom Gut Schloss Reinhartshausen wird den 432 Gästen schmecken, die hier am Pfingstsonntag im Ambiente der Jahrhundertwende feiern - unter Lüstern, Stuck und jeder Menge Blattgold. Es wird ein rauschendes Fest werden, denn der Jahrgang feiert nicht nur im feinsten Festsaal Hamburgs das Ende der Schulzeit, sondern hat auch noch alle umliegenden kleineren Säle, plus hoteleigenen Innenhof gemietet. Es wird getanzt werden, gelacht und vielleicht auch geweint. Dass in Wedel eigens am Sonntag auch ein Frisör öffnen wird, der die Damen für den Ball frisiert, ist da kaum noch der Rede wert.

Die Wedeler Gymnasiasten starten nicht nur am feinsten, sondern auch als Erste in die Abiball-Saison im Kreis, in der eins zu beobachten ist: Größer, perfekter, glamouröser und teurer werden die Jahrgangsbälle. Der Abschied von der Schule wird nicht mehr gefeiert, er wird zelebriert, er wird zum gesellschaftlichen Ereignis. Ob in Elmshorn, Schenefeld oder Barmstedt - eines ist überall gleich: Der Ball soll vor allem für viele Schüler nichts weniger als der schönste Tag in ihrem bisherigen Leben werden. Und das lassen sich nicht nur die Wedeler Schüler einiges kosten. 65 Euro müssen Lehrer, Familienangehörige oder Freunde hier für die Eintrittskarte auf den Tisch legen. Die Kosten für den Pomp belaufen sich auf etwa 30 000 Euro. Ein Teil des Geldes haben die Schüler durch die Organisation von Feiern im vergangen Jahr zusammen bekommen - doch der Hauptteil des Geldes kommt über die Eintrittskarten herein. Bei anderen Schulabschluss-Bällen sind es mal 54 Euro, mal 45 Euro. Dafür gibt es Fisch, Risotto, Spargelspitzen. "Es ist nicht günstig, aber wir haben das im Jahrgang besprochen und die Mehrheit wollte es so", sagt Wilkening.

Die Hochsteckfrisur für die Nacht der Nächte kostet immerhin 45 Euro

Waren Abiturbälle in den 60er-Jahren verpönt, sind sie heute fast ein Muss. "Sie entsprechen dem Zeitgeist, werden immer größer und schöner", sagt Alexej Stroh, Schulleiter des Ludwig-Meyn-Gymnasiums in Uetersen. Sein Abiball im Jahr 1983 war eine kleine Feier in der Aula. Viele hätten sich ihr Zeugnis im Sekretariat abgeholt. "Das wars."

Die Schüler seines Gymnasiums feiern am 1. Juni in den Elbmarschenhallen in Horst. 45 Euro kostet dort die Eintrittskarte. Gleich fünf Jahrgänge veranstalten hier ihre Bälle.

Doch es geht auch bescheidener, wie das Beispiel Dietrich-Bonhoefer Gymnasium in Quickborn zeigt. Statt Eventhalle oder Grandhotel feiern die Schüler in der neuen Sporthalle. Unter dem Motto "Kabirik - der Fluch hat ein Ende" wird der Jahrgang mit Schiffsdekoration und zum Schnäppchenpreis feiern. Nur 25 Euro kostet der Eintritt mit Büfett, acht Euro die Karte für Gäste, die später mittanzen dürfen. "Wir fanden die Feier im Vorjahr sehr schön und waren uns im Jahrgang gleich einig, dass wir in Quickborn bleiben", sagt Paulina Scholz vom Organisationskomitee. Nur eines wird auch hier zelebriert: Der Auftritt der Damen. "Kleider für mehr als 200 oder 300 Euro gibt es auch bei uns", sagt sie.

Am Erscheinungsbild wird nicht gespart - von der Hochsteckfrisur für 45 Euro bis zur edlen Handtasche und feinen Stoffen.

"Einige Schülerinnen werden im bodenlangen Kleid kommen", sagt Vanessa Martin, 18, aus Halstenbek, Abiturientin an der Johannes-Brahms-Schule in Pinneberg. Mit Freundin Jana Tomat kreierte sie ein Abi-Buch, das sie auf dem Abschlussball verteilen will. Auf mehr als 300 Seiten haben die beiden Chefredakteurinnen des Buchprojektes die Schulzeit dokumentiert und jeden Schüler natürlich.

Buch und Ball haben etwas gemein: kreativer und schöner muss es sein, als alle Abibücher zuvor. 3000 Euro kostet das Projekt in Hochglanzoptik. Dank Spenden kostet das Buch nur sieben Euro. Dunkelblau wird Vanessa Martins Kleid sein, mit dem sie zum Ball geht. Für die Abiturientin wird der Abend mehr als ein Fest sein. Sie sieht die Feier als Bewährungsprobe. Sie wird nach der Schule in einem Münchner Luxushotel eine Ausbildung starten. "Da war der Abiball eine gute Vorbereitung."