Nach der Wahl ist vor der Wahl. Was Sepp Herberger vor Urzeiten über den Fußball sagte, gilt selbstverständlich auch für die Politik. Da wird jedes noch so schlechte Wahlergebnis schön geredet und der politische Gegner klein gemacht, damit bloß niemand auf die Idee käme, die Partei wäre abgeschrieben oder hätte sich eines Fehlers schuldig gemacht.

Dabei wäre es doch entwaffnend ehrlich, wenn die Parteien mal selbstkritisch Tacheles redeten. Dann müssten die Liberalen, die jetzt nicht zuletzt mit Hilfe wohlfeiler Umfragen und einem zum Windmühlen-Kämpfer stilisierten Fraktionschef Kubicki die Fünf-Prozent-Hürde schafften, einfach nur heulen. Denn sie haben im Vergleich zu 2009 jeden zweiten Wähler in Schleswig-Holstein verloren. Dies als hervorragendes Ergebnis zu verkaufen, grenzt schon an Halluzination.

Auch der gespielte Jubel der CDU-Basis, der Sonntagabend über die Bildschirme lief, mutet seltsam an. Angesichts des Regierungsverlustes und keiner Aussicht auf eine rettende Alternativ-Koalition würde man sich mehr Selbstkritik wünschen. Aber für eine kritische Wahlanalyse sei es noch zu früh, behauptete Peter Lehnert gestern, der im Wahlkreis Pinneberg-Nord ein Dauer-Wahlabo gepachtet zu haben scheint. Vielleicht ist die CDU nur deshalb mit dem zweitschlechtesten Wahlergebnis seit 1950 in Schleswig-Holstein zufrieden, weil es noch schlimmer hätte kommen können.

Auch die Genossen machen bei diesem politischen Nebelkerzen-Werfen gerne mit. So ist ihr Regierungsanspruch mit diesem Zweit-Platz-Ergebnis, das auch das zweitschlechteste nach 2009 in Schleswig-Holstein ist, und einem Rückstand von rund 5000 Stimmen jetzt nicht mehr selbstverständlich. Der zweiter Sieger ist schließlich nicht erster Sieger, auch wenn die SPD neben den Piraten den größten Zugewinn hatte.

Das alles ist kein Grund, dem jetzt angestrebten Dreierbündnis von SPD, Grünen und SSW von vornherein die Tragfähigkeit abzusprechen. Mit einer Stimme Mehrheit, wie sie dieses Trio hätte, hat auch die schwarzgelbe Koalition drei Jahre in Kiel regiert. Das Simonis-Theater vor sieben Jahren hatte ganz andere Gründe und wird sich so bestimmt nicht wiederholen.

Auch andere Bündnisse von Jamaika (Schwarz-Grün-Gelb) bis Ampel (Rot-Grün-Gelb) wären rechnerisch machbar. Aber hierzulande scheint eine Zusammenarbeit zwischen FDP und Grünen mittelfristig ausgeschlossen, weil deren Propagandisten sich seit Jahren unversöhnlich beharken. Doch das muss ja nicht für alle Zeiten so gelten.

Dass die Piraten bei allen Rechenspielen ungenannt bleiben, verwundert. Zwar müssen sich diese Neuaufsteiger erst im politischen Alltag profilieren. Aber warum sollen sie nicht einem Regierungsbündnis, welcher Couleur auch immer, an die Macht verhelfen? Das politische Farbenspiel ist jedenfalls bunter geworden.