Schulen leiden zunehmend unter Fachlehrermangel. Seiteneinsteiger helfen aus. Rektorin hält das nicht für gute Lösung

Kreis Pinneberg. Die Klasse 9d am Johannes-Brahms-Gymnasium in Pinneberg hat es nicht leicht. Der Klassenlehrer fällt bis September aus. Seine Biologiestunden übernimmt eine Kollegin, Chemie ist aber zunächst gestrichen. Zudem ist die Mathelehrerin krank. Der Unterricht in diesem Fach ist auf derzeit eine Stunde pro Woche reduziert. Dafür haben die Schüler vier Stunden Musik. Zudem heißt es bis auf Weiteres: Sport frei. Eltern und Schulleitern bereitet das Kopfzerbrechen.

Fällt ein Lehrer aus, ist ein Ersatz nur schwer oder gar nicht zu finden. Besonders in naturwissenschaftlichen Fächern und Mathematik herrscht Fachkräftemangel. Seiteneinsteiger sollen die Lücken schließen. Sie haben Physik, Französisch, Mathematik oder Latein studiert, nur eben nicht auf Lehramt. An den Schulen werden sie von erfahrenen Kollegen betreut. Parallel werden sie in Didaktik und Pädagogik im Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen in Schleswig-Holstein ausgebildet.

Auch am Johannes-Brahms-Gymnasium arbeitet eine Seiteneinsteigerin. Laut Schulleiterin Ortrud Bruhn ist das ein Lösungsansatz, der das grundsätzliche Problem nicht behebt. "Lehrer haben keine hohe soziale Anerkennung, und der Beruf ist sehr anstrengend", sagt Bruhn. Der Nachwuchs würde auch an ihrer Schule ausbleiben. Es koste Mühe, alle Fächer abzudecken, wenn Lehrer ausfielen.

Das Problem haben auch andere Schulen im Kreis. An den Gymnasien fielen von August 2009 bis April dieses Jahres 3,78 Prozent der Unterrichtsstunden komplett aus. Das sind 0,85 Prozent mehr als im Landesdurchschnitt. An den Regionalschulen sind es 3,66 Prozent (in Schleswig-Holstein nur 2,58 Prozent). An den Gemeinschaftsschulen fallen 2,85 Prozent aller Stunden aus - im Kreis wie im Land. Grund- und Hauptschulen haben deutlich weniger Ausfall.

Nicht in der Statistik enthalten: Ab der elften Klasse gelten Stunden nicht als ausgefallen, für die es einen Arbeitsauftrag gibt, der von den Schülern auch zu Hause oder ohne Aufsicht in der Schule bearbeitet werden kann. "Diese werden aber von Schülern und Eltern als Unterrichtsausfall empfunden", sagt Martin Riemer, Vorsitzender des Kreiselternverbandes Gymnasien des Kreises Pinneberg. Ein Problem seien längerfristige Erkrankungen, Fortbildungen und Schwangerschaften von Lehrern in Fächern mit Lehrermangel. Oft würden sogenannte "nullte Semester" eingesetzt. Das sind fast fertige Lehrer vor ihrem Referendariat. Riemer sagt: "Aufgabe der Politik ist es, das Studium und den Lehrerberuf wieder attraktiver zu machen. Wenn Weihnachts- und Urlaubsgeld gestrichen werden, die Arbeitszeit erhöht wird. Wer will dann noch Lehrer werden?"

Das Kieler Bildungsministerium will dem Nachwuchs den Berufseinstieg erleichtern. Minister Ekkehard Klug erklärte, dass künftig mit Schuljahresbeginn am 1. August genereller Einstellungstermin für Lehrer sei. Bisher hätten zwischen dem Ende des Referendariats und der Einstellung zum Schulbeginn teilweise Wochen der Arbeitslosigkeit gelegen. Mit der neuen Einstellungspraxis und der Einführung eines Online-Stellenmarktes für Schulen versucht das Ministerium, Lehrer ins Land zu locken.

Ein Blick in diesen Stellenmarkt zeigt, dass beispielsweise die Erich-Kästner-Gesamtschule in Elmshorn Realschullehrer für Physik, Mathematik, Technik und Erdkunde für sowie Gymnasiallehrer für Deutsch, Philosophie, Wirtschaft und Politik sucht. In der Bismarckschule in Elmshorn werden Lehrer für Mathematik, Physik und Chemie gesucht. Zwar sind die Fächer dank eines 90 Pädagogen umfassenden Kollegiums ausreichend besetzt, langfristig könne es jedoch zu Engpässen kommen. "Kurzfristig planen ist nicht möglich, wir müssen uns frühzeitig überlegen, wie wir das Lehrerteam aufstocken", sagt Peter Wendt, stellvertretender Schulleiter. Schon jetzt zeichne sich ab, dass wenige Studenten in den betroffenen Bereichen nachrücken werden. "Ohne Seiteneinsteiger ist es kaum möglich, den Fachkräftemangel auszugleichen", sagt Wendt. An der Bismarckschule sind momentan drei Seiteneinsteiger in den Fächern Mathematik, Physik und Chemie angestellt.

Auch die Schüler im Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium in Quickborn leiden unter Unterrichtsausfall. Bisher hatte Schulleiterin Angelika Lahrs vor allem in den Fächern Mathematik und Physik Not. Den Engpass Physik gleicht sie mit einem Seiteneinsteiger aus. Dies sei aber keine Lösung. "Eigentlich wollen wir lieber Studenten, die diesen Beruf auch wirklich ausüben wollen und motiviert sind", sagt Lahrs.