Norderstedt. Erstmals seit 2016 gewinnt Eintracht Norderstedt gegen die SV Drochtersen/Assel. Das Spiel war in vielerlei Hinsicht bemerkenswert.

Von Emotionen lebt der Fußball. Meist wird dieser Satz als schnelle Rechtfertigung gebraucht. Wenn ein Trainer eine Schiedsrichterentscheidung bekrittelt. Oder Fanverhalten auf Unverständnis stößt. Selten wird er zur Beschreibung purer Freude verwendet. Dabei bringt nicht jeder Sieg nur drei Punkte. Manche sind, emotional betrachtet, viel wertvoller. So wie das 1:0 von Regionalligist Eintracht Norderstedt am Mittwochabend gegen die SV Drochtersen/Assel.

In diesem Nachholspiel der Regionalliga Nord schrieben die Garstedter zum zweiten Mal in dieser Spielzeit Geschichte. Dem ersten Erfolg in der Vereinshistorie beim VfB Lübeck am 19. November (1:0) ließen sie nach sechs torlosen Heimauftritten gegen ihren Ex-Angstgegner aus Niedersachsen einen süß schmeckenden Sieg folgen. „Wir waren uns unserer Statistik bewusst. Es wurde Zeit, dass es gegen Drochtersen daheim mal klappt“, sagte Linksverteidiger und Matchwinner Nummer eins, Rico Bork.

Eintracht Norderstedt: Zauberfreistoß zum 1:0 – historischer Sieg unter Flutlicht

Seinen herrlich in den Winkel gezirkelter Freistoß in der siebten Minute hätte Borussia Dortmunds Marco Reus nicht schöner ins Tor streicheln können. Es war Eintrachts erstes Heimtor gegen Drochtersen seit sieben Jahren und einem Tag. Das war selbst Bork nicht bewusst. „Ach, du Scheiße“, entfuhr es ihm, als er damit konfrontiert wurde.

In der 32. Minute hält Lars Huxsohl, Torhüter der Eintracht, einen Foulelfmeter von Alexander Neumann.
In der 32. Minute hält Lars Huxsohl, Torhüter der Eintracht, einen Foulelfmeter von Alexander Neumann. © noveski.com

„Diese drei Punkte fühlen sich richtig gut an. Vor allem nach diesem Hinspiel“, sagte Matchwinner Nummer zwei, Torwart Lars Huxsohl. Beim 1:3 am 13. August im Kehdinger Stadion hatte die Eintracht dem Gegner alle drei Treffer aufgelegt. Ein typischer Eintracht-Auftritt gegen Drochtersen eben.

Überragend: Torhüter Lars Huxsohl hält den Sieg fest

Doch ganz untypisch lief es diesmal auch deshalb anders, weil Huxsohl sich als unüberwindbar erwies. Martin Sattler (25.), Alexander Neumann (81.) und Lennard Fock (90.+3) scheiterten aus dem Spiel heraus an den Paraden des Torhüters. Neumanns Strafstoß nach angeblichem Foul von Fabian Grau an Jorik Wulff fischte Huxsohl katzenartig aus der rechten Ecke (32.). Schon am 9. Oktober, beim 3:1 gegen den FC St. Pauli II, hatte Huxsohl einen Elfmeter pariert.

Über seinen personellen und taktischen Anteil am Sieg durfte sich Cheftrainer Olufemi Smith freuen. Personell, weil er beiden Matchwinnern entscheidende Hilfestellungen gab. „Der Trainer hat mir in den letzten Wochen gesagt, er sei mit meinen Standards nicht mehr so zufrieden, wie er es früher mal war“, verriet Bork.

„Der Trainer war mit meinen Standards nicht mehr so zufrieden“

Also sprintete er, Küsschen ins Publikum werfend, nach seinem Traumtor direkt zur Trainerbank in Smiths Arme. Huxsohl wiederum erhielt vor dem Elfmeter einen entscheidenden Tipp. „Ich habe vor dem Strafstoß mit der Bank kommuniziert. Wir kennen die Lieblingsecken der Schützen. Der Trainer hat mir angezeigt, wo ich hinspringen soll“, sagte Huxsohl.

Taktisch war Smith ebenfalls wie üblich voll auf der Höhe. In der ersten Halbzeit schlug seine Mannschaft ungewöhnlich viele lange Bälle, konnte diese im Mittelfeld jedoch so gut wie nie festmachen. Sicher, das frühe Drochtersener Offensivpressing war extrem effektiv. Doch gerade die spielerisch so potente Eintracht ist normalerweise in der Lage, den Gegner auch unter Druck flach zu überspielen.

Eintracht Norderstedt: Mit mehr Aggressivität in der zweiten Halbzeit

Smith blieben daher in der Pause drei Möglichkeiten. Erstens: Sein Team ermutigen, flach hinten raus zu spielen. Zweitens: Mit Jan Lüneburg einen Zielspieler für die langen Bälle bringen. Drittens: Die Positionierung auf dem Feld ändern, um die sogenannten „zweiten Bälle“, also Abpraller nach den unvermeidlichen Luftduellen, endlich zu gewinnen und Spielkontrolle zu erlangen.

Smith wählte Möglichkeit drei und lag goldrichtig damit. In der zweiten Hälfte agierte die Eintracht aggressiver, erspielte sich nun auch eigene Möglichkeiten wie Borks Pfostenschuss (58.). Der Trainer offenbarte später zudem psychologisches Geschick. Statt das unansehnliche ,Hoch-und-weit-bringt-Sicherheit´-Gebolze der ersten Hälfte zu kritisieren, nahm er sein Team in Schutz. „Meine Spieler wollten vielleicht kein hohes Risiko im Spielaufbau nehmen, weil sie wussten, wie defensivstark der Gegner ist, sollten wir dabei einen Fehler machen und einen Treffer kassieren. Das kann ich verstehen, und das laste ich meiner Mannschaft auch nicht an.“

Eintracht Norderstedt: Am Sonntag kommt Hannover 96 II zum Topspiel

Die Matchwinner Bork („Ein überragender Freistoß. Rico hat da eine Riesenqualität“) und Huxsohl („Alles, was er mit den Händen im Strafraum macht, ist alleroberste Kategorie in der Regionalliga Nord“) lobte er auf Nachfrage explizit – und blickte voraus: „Nun freuen wir uns am Sonntag auf Hannover 96 II.“

Dann (Anstoß: 14 Uhr, Edmund-Plambeck-Stadion) kann die Eintracht im Spitzenspiel des Wochenendes gegen den Tabellendritten mit einem weiteren Sieg den Grundstein für eine dritte historische Marke in dieser Saison legen. Holt das Team in dieser 19er-Staffel 59 Punkte, so wäre diese Saison vom Punkteschnitt die beste Spielzeit der Vereinsgeschichte. Nötig wären dafür 21 Zähler in den 14 ausstehenden Begegnungen. Das wirkt machbar. So wie ein Ziel, dessen Erreichung viele schöne Emotionen hervorbringen kann.

Eintracht Norderstedt: Huxsohl – Marxen, Hildebrandt, Grau, Bork (70. Wallenborn) – Koch (60. Bölter), Behounek, Williams (78. Hölscher) – Choi (78. Nuxoll), Sezer (83. Lüneburg), Brüning.

Tor: 1:0 Rico Bork (7.).

Zuschauer: 460.