Fußball-Regionalligist Eintracht Norderstedt trotzt einer Grippewelle und bezwingt Hannover 96 II mit 3:0. Am Sonntag kommt der Goslarer SC

Norderstedt. Die Reihen hatten sich gelichtet, das war unverkennbar. Auf dem Ausdruck, wo stets die Anfangsformationen mit allen nominierten Spielern zu lesen sind, gab es bei Fußball-Regionalligist Eintracht Norderstedt drei weiße Blankozeilen – während die U23 von Hannover 96 mit voller Stärke angereist war. Eine Grippewelle im Garstedter Club hatte gleich fünf Akteure aus dem Verkehr gezogen.

„Das kam alles innerhalb von zwei Tagen“, sagte Trainer Thomas Seeliger, der somit auf Deran Toksöz, Marius Browarczyk, Gerrit Pressel, Dane Kummerfeld und Jan Kaetow verzichten musste. Weil zudem Linksverteidiger Jan-Philipp Rose rotgesperrt fehlte, waren sechs Akteure nicht dabei, die noch fünf Tage zuvor zumindest im Kader für die Begegnung beim VfB Lübeck gestanden hatten. 13 Feldspieler und zwei Keeper verblieben.

Außergewöhnliche Umstände also. Noch außergewöhnlicher war es allerdings, was die Eintracht daraus machte – nämlich eine der besten Saisonleistungen und einen hochverdienten 3:0 (2:0)-Erfolg. Quantitativ mag das Team zwar arg gerupft gewesen sein, doch das verbliebene, letzte Aufgebot zog offenbar genau daraus seine Kraft.

„Die Jungs waren alle unheimlich selbstbewusst und motiviert“, so beschrieb Thomas Seeliger die Minuten vor dem Anpfiff der Nachholpartie. Er selbst hatte so seine Zweifel, wie er offen zugab. „Es war nicht das beste Gefühl, weil wir nicht wussten, wie die neu formierte Mannschaft harmonieren würde.“

Norderstedt agierte in einer nie zuvor im Ernstfall erprobten Formation

Denn was Trainer in der Regel sehr ungern machen, war diesmal unvermeidbar: Das System musste notgedrungen den Ressourcen angepasst werden. Und daher agierte Norderstedt in einer 5-4-1-Formation, die es so noch nie gegeben hatte. Unter den drei Innenverteidigern war mit dem U19-Talent Hamajak Bojadgian sogar ein Youngster, der als Debütant ins kalte Wasser geworfen wurde. „Ich hatte aber schon Vertrauen in die Jungs“, sagte Thomas Seeliger. „Wenn wir im Training mit der A- gegen die B-Mannschaft spielen, sind das immer enge Dinger.“

Zumindest eines stand fest: Hannover hatte sich unmöglich auf die Norderstedter Zwangsrochaden vorbereiten können. Vielleicht wäre alles komplett anders verlaufen, hätte 96-Spielmacher Tim Dierßen mit einem Distanzschuss nach 90 Sekunden nicht bloß den Innenpfosten getroffen. Oder hätte Eintracht-Schlussmann Mirko Oest nicht die Chance des freistehenden Sebastian Ernst (6.) entschärft.

Allerdings erlahmte der Schwung der Jungprofis bald darauf. Zur Pause schlichen die Gäste mit hängenden Köpfen in die Kabine, der 0:2-Rückstand hatte ihnen sichtlich den Glauben genommen. Dass die rund 100 mitgereisten Fans der Niedersachsen den zweiten Durchgang mit minutenlangem Feuerwerk einläuteten, diente ebenso wenig als Weckruf, sondern zögerte die Niederlage lediglich hinaus.

Gefeiert wurde hingegen im Hause Lüneburg. Jan, seines Zeichens Eintrachts gefährlichster Angreifer, wollte seiner Mutter Gesa zu ihrem Geburtstag aus der Ferne etwas Gutes tun, wenn er schon nicht rechtzeitig zur Familienfeier kommen konnte. „Ich schenke ihr diese Tore“, sagte der breit grinsende Matchwinner, der als erster Stürmer überhaupt für den Verein in einem Regionalligaspiel drei Treffer erzielen konnte.

„Das ist ja auch mein Job. Wobei zwei der Tore nur durch Yayar entstanden sind, das waren quasi seine, da hat er sich super durchgesetzt.“ Während das 1:0 ein platzierter Kopfball auf Maßflanke von Pablo Kunter war (11.), resultierten das 2:0 und 3:0 (41./83.) in der Tat aus Sololäufen von Yayar Kunath, der jeweils selbst den Hannoveraner Keeper Alexander Rehberg ins Leere springen ließ, seine Versuche allerdings in beiden Fällen nicht über die Torlinie brachte – Lüneburg war Nutznießer, staubte aus kurzer Distanz ab, doch mindestens ebenso sehr wurde Kunath für seine Assists beglückwünscht.

„Natürlich würde Yayar auch gerne Tore machen, aber wenn der Ball am Ende drin ist, sind wir alle zufrieden“, konstatierte Thomas Seeliger. Er wollte das überraschende Ergebnis indes bewusst nicht an einzelnen Protagonisten festmachen. „Mit dem 5-4-1 wollten wir die Breite abdecken, weil Hannover immer viel über die Außenbahnen spielt. Es war eine der besten Saisonleistungen, da ist kein Spieler abgefallen, die Art und Weise hat mir äußerst gefallen. Ich will da auch keinen hervorheben.“

Schon am Sonntag hat die Eintracht wieder Heimrecht – dann gegen Goslar

Fraglich ist, ob einer seiner kranken Akteure bis zur nächsten Heimbegegnung am Sonntag (14 Uhr, Edmund-Plambeck-Stadion) gegen den Tabellen-15. Goslarer SC wieder einsatzfähig sein könnte. „Ich hoffe eher, dass sich nicht noch jemand angesteckt hat“, so Seeliger. Ähnlich sah es Jan Lüneburg: „Wer jetzt gegen Hannover nicht spielen konnte, ist auch ausgelaugt, der wird es wohl bis Sonntag nicht schaffen. Aber wir brauchen da keine Angst zu haben.“