Der Dorfclub TuS Hartenholm schreibt an diesem Sonnabend ab 17.45 Uhr als krasser Außenseiter beim SHFV-Lotto-Masters in Kiel Geschichte

Hartenholm. Sie kommen mit einer Armada von zehn Charterbussen. 800 Karten sind für die eigens reservierten Blöcke verkauft und es werden auf den anderen Plätzen definitiv noch zusätzliche Fans sein. Umgerechnet jeder zehnte Zuschauer in der mit offiziell 8600, tatsächlich aber wohl weit über 9000 Besuchern proppevollen Kieler Sparkassen-Arena hält somit an diesem Sonnabend ab 17.45 Uhr zum TuS Hartenholm. Viele neutrale Sympathien dürften hinzu kommen, denn der Dorfclub ist inmitten von Profis und Semiprofis der absolute Exot beim Lotto-Masters des Schleswig-Holsteinischen Fußballverbandes.

Für Personen, denen die Kicker noch aus ihrer Zeit in den Niederungen der Kreisklasse A, später je zwei Jahre in der Kreisliga und der Verbandsliga, bekannt sind, ist die Geschichte immer noch kaum zu fassen. „Es ist der Höhepunkt einer Reise, die bis jetzt immer nur nach oben gegangen ist“, sagt Abteilungsleiter Patrick Petersen-Lund.

Seitdem der 23 Jahre alte Christian Jaacks, einer dieser Nobodys mit rasanter Entwicklung, am 8. November in Altenholz das Tor zur Masters-Qualifikation schoss (2:1-Sieg), ist der TuS im Ausnahmezustand. Spieler, Umfeld, Anhänger – sie alle hatten in den letzten Wochen stets glänzende Augen, wenn sie über den bevorstehenden größten Tag der Vereinsgeschichte sprachen.

Nach dem SV Henstedt-Rhen (später: SV Henstedt-Ulzburg) und dem SV Todesfelde ist Hartenholm der dritte Teilnehmer aus dem Kreis Segeberg beim bundesweit größten Hallenturnier für Amateurfußballer. Doch während die Konkurrenten aus der Region immer zumindest zu den Anwärtern für einen der begehrten Startplätze zählten, kann im aktuellen Fall hiervon nicht einmal annähernd die Rede sein.

Vielmehr wurde die Mannschaft noch im Sommer als erster Kandidat für einen der Abstiegsränge in der Schleswig-Holstein-Liga genannt – was die Hartenholmer selbst vollkommen gefasst zur Kenntnis nahmen. Erst, als im Herbst mehrfach Siege gegen nominell deutlich besser besetzte Kontrahenten gelungen waren, wandelte sich die Wahrnehmung. Es sprach sich herum, dass mit geringen Ressourcen quasi das Unmögliche möglich gemacht wird.

Denn die Spieler sind Amateure, Hobbysportler, sie bekommen keinen Cent für ihre Anstrengungen. Ist einmal Geld über, wird es bewusst in das Equipment investiert. Insbesondere Trainer Jörg Schwarzer wird in diesem Sinne immer wieder bei der Spartenleitung vorstellig, mahnt an, die Rahmenbedingungen zu verbessern.

Am vergangenen Mittwochabend musste Schwarzer einigen seiner Schützlinge dennoch wehtun. Neben den gesetzten Torhütern Jacob Lübke und Felix Rathjen durfte er lediglich zehn Feldspieler nominieren. Möglichst transparent versuchte er, seine Entscheidung bei einer Teamsitzung zu erklären. Wobei Schwarzers Begründung relativ simpel war. „Ich habe die Statistik sprechen lassen.“ Und so sind neun der berufenen Akteure diejenigen Hartenholmer mit den meisten Einsatzminuten in Test-, Pokal- und Ligapartien. Die Ausnahme bildet Marc Oldenburg, der für seine fast perfekte Trainingsbeteiligung (58 von 59 Einheiten) belohnt wurde. Leidtragender ist hingegen mit Tim Ollenschläger ausgerechnet ein Ur-Hartenholmer, der in dieser Saison aber aufgrund von Verletzungen zu oft pausieren musste.

Bleibt die Frage, was sich der Underdog ausrechnet. Kapitän Martin Genz formuliert es vorsichtig: „Wir wollen Tore machen, knappe Spiele bieten, damit sich unsere tollen Fans die Mühe nicht umsonst gemacht haben.“ Denn im Hintergrund hat eine Arbeitsgruppe unermüdlich Fahnen, Banner und Choreografien gebastelt, dazu trägt jeder Fan ein spezielles Masters-Shirt.

Mit Sicherheit wird es auf lautstarken Support ankommen, damit ihr Team das Lampenfieber rasch überwindet. „Klar, jeder Spieler sagt vorher, dass die Kulisse nicht stört. Aber wenn man da vor 10.000 Leuten aufläuft, geht einem vielleicht doch der Stift“, sagt Martin Genz. Gleich im Eröffnungsmatch geht es gegen Titelverteidiger ETSV Weiche Flensburg – eine technisch gute, robuste, eingespielte Truppe, bereits ein Remis wäre die erste Sensation. Aber damit hat der TuS Hartenholm ja schon so seine Erfahrungen gemacht.