Eintracht Norderstedts Trainer Thomas Seeliger zieht im Interview mit dem Hamburger Abendblatt seine Zwischenbilanz der Fußball-Regionalliga-Punktrunde 2014/2015

Norderstedt. Besser hätte es kaum laufen können für die Regionalliga-Fußballer von Eintracht Norderstedt. Nach 19 Spielen hat der vor Saisonbeginn von vielen Seiten als Abstiegskandidat gehandelte Club bereits 30 Punkte vorzuweisen. Die Gefahrenzone ist weit entfernt, auf eine zwischenzeitliche Serie von vier Niederlagen am Stück folgte zum Jahresende ein Lauf mit 14 von 18 möglichen Zählern. Im Interview mit dem Hamburger Abendblatt blickt Trainer Thomas Seeliger zurück, bewertet die Doppelbelastung mit seiner parallelen Ausbildung zum Fußballlehrer und sagt, was in der zweiten Saisonhälfte von der Mannschaft gefordert sein wird.

Hamburger Abendblatt:

Thomas Seeliger, Sie sind selbst Spieler gewesen. Wie gut tut es den Aktiven, einen Trainer einmal mehrere Wochen in der Winterpause nicht sehen zu müssen?

Thomas Seeliger:

Ich würde das nicht an der Person des Trainers festmachen. Es ist einfach entspannend, aus dem Alltagsrhythmus herauszukommen. Das hat mir auch immer gut getan. Jeder soll einfach mal essen, worauf er Lust hat, die Jungs dürfen gerne auch über die Stränge schlagen. Aber irgendwann kehrt es sich um, und es fängt wieder an zu kribbeln. Die Spieler sind sowieso ehrgeizig, werden ins Fitnessstudio gehen oder sich mit Läufen fit halten.

Und das mit dem sicheren Gefühl, dass schon jetzt für die dritte Regionalliga-Saison geplant werden kann?

Seeliger:

Wenn wir so weitermachen, werden wir die restlichen Punkte für den Klassenerhalt holen, da bin ich mir sicher. Wir haben die Basis geschaffen.

Vom berüchtigten schwierigen zweiten Jahr in einer höheren Spielklasse war bisher wenig zu sehen bei der Eintracht – oder täuscht der Eindruck?

Seeliger:

Ich selbst habe in meiner aktiven Zeit die Erfahrung gemacht, dass das zweite Jahr schwerer ist als das erste. Nichtsdestotrotz müssen wir in jedem Spiel alles geben. Es gibt keine Partie, die wir von der 1. bis 90. Minute dominiert haben, wir müssen uns alles hart erarbeiten. Uns fällt nach wie vor nichts in den Schoß.

Ihre Mannschaft musste ein tiefes Tal durchqueren, als dem 0:5 gegen Werder Bremen II das 1:2 in Cloppenburg folgte. Was hat die Serie von insgesamt sieben sieglosen Spielen ausgelöst?

Seeliger:

Es ist manchmal schwer zu greifen, warum man eine solche Phase hat. Zu 100 Prozent beurteilen kann man das nie. Irgendwie haben wir uns dann aber wieder stabilisiert, uns im mannschaftstaktischen Verhalten gesteigert. Ich habe Videomitschnitte gezeigt, jeder Spieler hat für sich seine Defizite behoben. Wir haben zudem unser System auf zwei Spitzen umgestellt, unser Zentrum stark gemacht und setzen jetzt mehr Diagonalbälle ein.

Gehört es zum Trainerjob, dass manche Dynamiken nicht aufgehalten werden können, man sozusagen einen Sturm inklusive Kritik im Umfeld auch einmal aussitzen muss?

Seeliger:

Unbedingt. Die Mechanismen im Fußball sind überall gleich, damit muss man leben. Aber es kann ja nicht immer alles schlecht sein, was vorher gut gewesen ist.

Wie gut funktionieren die Selbstreinigungskräfte innerhalb des Teams? Gibt es genügend Spieler, die Probleme aktiv angehen?

Seeliger:

Es gibt immer Gespräche. Die Spieler selbst haben während der schlechten Phase eine Sitzung einberufen. Man hat immer Grüppchen, die sich untereinander austauschen. So etwas zeigt mir, dass sich die Jungs Gedanken machen, dass sie nicht zufrieden und mit sich im Reinen sind.

Was macht die Mannschaft denn generell besser als in der Saison 2013/2014?

Seeliger:

Sie hat sich den Gegebenheiten der Regionalliga angepasst. Die Spieler sind klug genug, um Gegner einordnen zu können. Es ist bekannt, wie die U23-Mannschaften agieren, aber auch, dass Teams wie Havelse oder Lüneburg sehr robust auftreten.

Augenscheinlich fehlt allerdings ein „Knipser“ – die besten Torschützen, Jan Lüneburg und Philipp Koch, haben jeweils nur fünf Treffer erzielt, Neuzugang Sinisa Veselinovic lediglich drei...

Seeliger:

Jan Lüneburg hat weniger gespielt als Veselinovic, aber wenn er so weitermacht, kommt er wieder auf zehn Tore. Grundsätzlich hätten beide Stürmer aber häufiger treffen können, sie sind auch nicht zufrieden.

Wäre es ein lohnendes Ziel, die beste „Nicht-U23“ der Regionalliga Nord zu ein?

Seeliger:

Nein. Wir wollen erst einmal 40 Punkte erreichen und dann das bestmögliche Ergebnis erzielen. Ein einstelliger Tabellenplatz ist zu schaffen, auch mit unseren Mitteln – das ist bemerkenswert, denn die Jungs leben nicht vom Fußball, sondern stehen ihren Mann im Job oder studieren. Wir trainieren deswegen nicht wie andere Clubs sechs-, siebenmal pro Woche.

Ist die derzeitige Struktur der Regionalliga Nord in Ordnung? Oder wäre eine weitere Reform ratsam – etwa, damit der Meister direkt aufsteigen kann?

Seeliger:

Wer Meister wird, muss auch aufsteigen können. Sonst kann in einer Aufstiegsrunde auch immer die Tagesform entscheiden. Rein sportlich war die alte Regionalliga mit den Nordost-Clubs attraktiver, aber das kannst du dir als Amateurverein eigentlich nicht leisten. Das ganze System müsste überdacht werden, meinetwegen dann mit vier Regionalligen, aber auch vier Auf- und Absteigern in der 3. Liga.

Sie schließen Ihre Ausbildung zum Fußball-Lehrer im Frühjahr mit den Prüfungen ab. Kommen eigentlich schon jetzt Aspekte aus dem Lehrgang in der täglichen Arbeit mit Eintracht Norderstedt zum Einsatz?

Seeliger:

Ja, da gibt es immer wieder Werkzeuge, die ich im täglichen Training einsetzen kann. Das sind allerdings keine Wunderwerke, man muss trotzdem seinen eigenen Weg finden. Der Lehrgang gibt mir nur Hilfsmittel an die Hand.

Man hatte den Eindruck, die Doppelbelastung war nie ein Thema...

Seeliger:

Mein Assistent Stefan Siedschlag hat alles vor Ort gemanagt, das Training geleitet, die Pokalspiele betreut. Das war sensationell, ohne ihn hätte das nicht funktioniert. Aber ich muss auch dem Verein danken, dass mir das ermöglicht worden ist.

Ihr Vertrag läuft im Sommer aus. Mit der Fußball-Lehrer-Lizenz könnten Sie ja dann auch in einer höheren Klasse als der Regionalliga arbeiten.

Seeliger:

Natürlich ist dann mehr möglich. Aber es sind unheimlich viele Trainer auf dem Markt. Man bekommt ja nicht automatisch einen hochkarätigen Job, wenn der Lehrgang abgeschlossen ist. Grundsätzlich spricht nichts gegen eine Verlängerung in Norderstedt, ich fühle mich hier sehr wohl.

Wohin führt denn der Weg mit Eintracht Norderstedt? Wäre theoretisch auch mehr möglich als die Regionalliga?

Seeliger:

Wenn wir in dem Umfang weitermachen wie jetzt, darf man nicht darüber nachdenken, eine Klasse höher zu gehen. Das wäre utopisch, da müssten ganz andere Mittel in die Hand genommen werden. Im Moment sind unsere Möglichkeiten mit dem, was wir machen, ausgereizt.

Was dem Verein fehlt, ist ein Sieg im Hamburger Oddset-Pokal. Ein Muss in dieser Saison?

Seeliger:

Ja, das muss unser Ziel sein. Nicht, dass es arrogant klingt, aber wir sind als Regionalligist der klassenhöchste Verein im Wettbewerb. Die Teilnahme am DFB-Pokal wäre eine hervorragende Möglichkeit, wirtschaftlich etwas Gutes für den Club zu tun und etwas zum Image beizusteuern.

Wird es in dieser Winter-Transferperiode personelle Veränderungen geben? Oder sind alle Verletzten beim Trainingsauftakt wieder mit dabei?

Seeliger:

Neuverpflichtungen sind nicht angedacht, aber man weiß ja nie, wer von den Verletzten wann wiederkommt. So hat Björn Nadler jetzt ein Ödem am Sprunggelenk, und Johannes Höcker lässt sich am Knöchel operieren. Außerdem hatten wir erst gedacht, dass wir am 14. Februar starten. Jetzt haben wir schon am 1. Februar das Pokalspiel in Buchholz. Ich habe grundsätzlich nie etwas dagegen, den einen oder anderen Spieler zum Probetraining kommen zu lassen.

Mit einer Reihe von Norderstedter „Leihspielern“ trumpft die SV Halstenbek-Rellingen in der Oberliga Hamburg auf, überwintert sogar als Erster. Wann kommen die Eintracht-Talente zurück?

Seeliger:

Die haben sich gut entwickelt, aber ob es für die Regionalliga reicht, weiß man nicht. Wir hatten sie ja auch bei uns im Training, sie sollen erst einmal die Saison bei HR zu Ende spielen.

Zum Abschluss ein Blick in die 2. Bundesliga: Wie sehr leiden Sie mit dem FC St. Pauli? Anfang Januar absolvieren Sie bei den Kiez-Kickern Ihr drittes Praktikum anlässlich der Trainerausbildung – mit Ewald Lienen erleben Sie dann schon den dritten Coach.

Seeliger:

Ich fühle mich als St. Paulianer. Der Verein gehört mit dem Kult und seiner Tradition mindestens in die 2. Liga, er ist in der ganzen Welt bekannt. Aber die sportliche Situation dort ist sehr prekär.