Der bei Eintracht Norderstedt ausgebildete Fußballer verdient sein Geld als Profi beim FC Wil in der Schweizer Challenge League

Norderstedt. Es war eine Entscheidung, die Mut und Abenteuerlust erforderte. Als Jordan Brown im letzten Sommer über seine Fußballkarriere nachdachte, seine Optionen abwog, hätte er ein vertrautes Umfeld wählen können, die sichere Variante also. Der 22-Jährige hatte ein neues Vertragsangebot des Hamburger SV vorliegen, Brown wäre damit wohl ein Fixpunkt in der U23 des Traditionsclubs geworden. Doch würde er im unruhigen Reserveteam, mit höchstens vager Bundesligaperspektive glücklich werden? Seine Befürchtung lautete: nein.

Ein halbes Jahr später hat sich die Laufbahn von Jordan Brown genauso entwickelt, wie er es sich erhofft hat. Der gebürtige Hamburger und frühere Jugend- sowie Oberligaspieler von Eintracht Norderstedt hat es geschafft, er ist Fußballprofi. Brown lebt nun in der Schweiz, er steht beim Zweitligisten FC Wil unter Vertrag, einem in Deutschland weitestgehend unbekannten Club, der im Nachbarland aber einen ausgezeichneten Ruf genießt.

Wie ist denn das Leben in Wil, der Kleinstadt mit 23.000 Einwohnern, wird Jordan Brown dieser Tage oft gefragt, wenn er in Hamburg alte Freunde und seine Familie besucht. „Für mich als Hamburger ist Wil schon sehr klein. Es ist ein beschauliches Städtchen zwischen Zürich und St. Gallen. Aber das ist gerade für mich als jungen Spieler nicht schlecht, da kann ich mich gut auf den Fußball konzentrieren.“

Dabei hatte Brown beim ersten Kennenlernen weder den FC Wil gekannt, noch war sein Name den Schweizer Verantwortlichen geläufig – auch wenn Trainer und Sportchef Axel Thoma immerhin Deutscher ist. Natürlich stellt sich kein Fußballer heutzutage spontan bei einem Club vor. Auch Jordan Brown hat einen Berater, der vermittelnd tätig ist: Akeem Adewunmi. Dieser betreut unter anderem auch Jonathan Tah, das 17 Jahre junge Ausnahmetalent des Hamburger SV.

Doch binnen weniger Tage einen potenziellen neuen Arbeitgeber nachhaltig zu beeindrucken, das ist in jedem Job schwierig. Erst recht in einer Mannschaftssportart. „Man ist dann angespannt. Es ist nicht leicht, alles richtig zu machen, wenn man neu ist und die Laufwege nicht kennt“, sagt Jordan Brown. Er machte indes offenbar kaum etwas verkehrt. „Nach drei Tagen mit Probetraining und Testspielen stand der Wechsel im Juli fest. Das ging relativ schnell. Fast zu schnell, um mich von allen Leuten in Hamburg verabschieden zu können.“

Dafür wurde im Norden registriert, wie sich Brown in der Challenge League durchgesetzt hat. Dass der FC Wil als Tabellenvierter eine reelle Aufstiegschance hat, daran hat der Neuzugang seinen Anteil. „Man kann schon sagen, dass ich ein Stammspieler bin“, sagt er. Seit dem 25. September, einem 1:0-Erfolg bei Servette Genf, stand Brown stets in der Startelf. Insgesamt gelangen ihm zwei Tore und zwei Assists, sein Debüttreffer fiel im Derby gegen den FCWinterthur, das Wil mit 6:3 gewann.

Auch wenn die Schweiz keine reine Fußballnation ist wie Deutschland, so hat sich der Trubel für Jordan Brown vergrößert. Die Topspiele der Challenge League laufen live im Fernsehen, Wil hat im Schnitt rund 1500 Zuschauer, Brown selbst muss durchaus auch vor den Kameras Statements abgeben. „Bei Interviews musste ich aber anfangs wegen des schwer zu verstehenden Schweizerdeutschs fast bei jedem Satz nachfragen. Das hatte ich ein wenig unterschätzt – ich hatte angenommen, es sei Deutsch mit leichtem Dialekt.“

Intern ist die Sprachbarriere kein Problem. Der FC Wil hat elf Nationalitäten im Kader, Amtssprache ist Englisch. „Die Mannschaft ist homogen, aber wir haben auch viele Charaktere, die durch ihre Kulturen geprägt sind“, sagt Jordan Brown. „Wir haben einen Nordkoreaner, einen aus Uruguay, wir haben Osteuropäer, es ist sehr gemischt.“

Ob Wil auf Dauer seine sportliche Heimat sein wird, ist offen. Der Club finanziert sich ausdrücklich auch durch gewinnbringende Transfers junger Spieler. Vorerst läuft der Vertrag bis 2015, zudem gibt es eine vereinsseitige Option auf ein weiteres Jahr. Jordan Brown denkt davon abgesehen sowieso zweigleisig. „Wie es aussieht, beginne ich im Sommer ein Fernstudium. Mein Favorit ist weiterhin Psychologie. Wir trainieren in Wil oft morgens. Da kann das Leben recht eintönig werden.“

Eine Rückkehr zu Eintracht Norderstedt, wie im Sommer noch kolportiert, dürfte auf lange Zeit ausgeschlossen sein. Die alte Verbundenheit ist dennoch da. „Ich schaue an jedem Wochenende nach den Ergebnissen. Die sind manchmal überraschend, positiv wie negativ. Aber absteigen werden sie auf keinen Fall. Mittelfristig sollte die Regionalliga Alltag sein.“