Das DHB-Pokalspiel des HT Norderstedt gegen Bundesliga-Club SC Magdeburg kann erst mit 48 Minuten Verspätung angepfiffen werden.

Norderstedt. Vor den Eingängen der Norderstedter Moorbekhalle drängten sich um 19 Uhr noch über 100 Handballfans um die Bierbar und den Würstchengrill, die von den Verantwortlichen des Handball-Teams Norderstedt dort aufgebaut worden waren. Warum auch nicht? Die Luft war warm, kein Regen in Sicht - ideal für eine kleine Sommersause im Freien.

Eigentlich hätte in diesem Moment das erste Pflichtspiel des neu formierten Handball-Teams Norderstedt in der Saison 2013/ 2014 beginnen sollen. Das Losglück hatte dem Hamburg-Ligisten die Bundesligaprofis des SC Magdeburg als Erstrundengegner im DHB-Pokal beschert. Einen attraktiveren Gegner hätte sich die Mannschaft nicht wünschen können.

Doch auch die Spieler von Coach Uwe Rogal standen vor dem Seitenportal, scherzten, wirkten gelöst, während in der Arena bereits über 800 Zuschauer die Ränge füllten und auf den prominenten Gegner warteten.

Weniger entspannt schauten HTN-Sportleiter Steffen Liepold und Teammanager Sven Vört mann drein. Ständig hielt das Duo per Mobiltelefon Kontakt zu den Magdeburgern. Die nämlich waren mit ihrem Bus noch auf der Autobahn, hatten gerade erst den Elbtunnel passiert.

"Wir sind auf der A2 in eine Sperrung geraten, haben alleine bis Helmstedt gut drei Stunden gebraucht", sagte SCM-Geschäftsstellenleiter Steffen Stiebler, der als Vorauskommando noch ohne Verkehrsbehinderung die Moorbekhalle erreicht hatte, "Abfahrt war um 11.45 Uhr, wir hatten also eigentlich eine ausreichende Zeitreserve eingeplant. Während der Pflichtpause des Fahrers haben die Jungs ihre Klamotten aus dem Gepäckraum geholt und sich im Bus umgezogen."

Den Beweis traten die "Gladiators" des SCM wenige Minuten später an, als ihr rotes Gefährt auf das Vorfeld der Halle rollte. Die Bundesliga-Akteure stiegen aus und begannen fast augenblicklich mit ihrem 20-minütigen Aufwärmprogramm.

Dann eine Fanfare. Hallensprecher Wolfgang Banse begrüßte die mittlerweile auf 1050 Zuschauer angewachsene Fangemeinde. Es folgte der Beweis, dass das HTN an diesem Tag "großen Handball" spielte. Die Magdeburgerin Katja Hermann betrat im sexy Outfit, eine überdimensionale SCM-Fahne schwenkend, die Spielfläche, um ihr Team zu begrüßen. So, wie es die 37- Jährige vor jedem Pflichtspiel der "Gladiators" macht. Sie ist so zu Deutschlands bekanntestem Handball-Fan geworden.

Doch der freundliche Applaus für die Profis, in deren Reihen sechs Stammspieler fehlten und fünf Akteure aus dem Drittligakader die Lücken füllten, war nichts gegen den Jubel, der um 19.45 Uhr losbrach. Das Publikum auf der Haupttribüne tobte, als die HTN-Männer einliefen.

Es sollten 60 Minuten folgen, die den Gastgebern zwar die standesgemäße 26:45 (7:21)-Niederlage einbrachten, für alle Norderstedter Spieler aber unvergesslich bleiben werden.

"Ich war komplett nervös", sagte Mannschaftskapitän Thiago Santos, "und bin froh, dass ich die Unsicherheit noch ablegen konnte. Das war ein Riesenerlebnis." Auch für die Fans, die in der torreichen zweiten Halbzeit nicht mit Applaus für das HT Norderstedt geizten. Eine Atmosphäre von der Youngster wie Frederik Hartz, 18, und Benedict Oldag, 19, profitierten und je viermal trafen.

Da sich auch die anfangs befürchtete Netzhautablösung beim dreifachen Torschützen Eike Wertz nach einem Balltreffer im Gesicht nur als Hornhautreizung herausstellte und das HTN nach Auszahlung der Fahrtkosten und eines Teils der Zuschauereinnahmen an die Profis schwarze Zahlen schreiben konnte, herrschte Zufriedenheit beim neuen Handball-Team und dessen Coach. "Ich bin stolz und froh, dass die Jungs geschlossen als Mannschaft aufgetreten sind", sagte Uwe Rogal, "den Geist müssen wir nun in den Punktspiel-Alltag mitnehmen." Sollte dies gelingen, dürfen sich die HTN-Fans auf weitere Handballpartys freuen...

Die Tore des HT Norderstedt: Thiago Santos (10/davon 1 Siebenmeter); Benedict Oldag, Frederik Hartz (je 4), Eike Wertz (3), Tobias Schadendorf (2), Glenn Ehrens, Tom Minners, Christian Schulz (je 1).