Manager Jörg Franke sagt im Abendblatt-Interview, wie die Fußballer der Eintracht ihren katastrophalen Saisonstart ausbügeln wollen.

Norderstedt. Endlich raus aus der Oberliga Hamburg und rein in die Regionalliga Nord - so lautet das ehrgeizige Ziel von Jörg Franke, 54, dem Manager der Fußballer von Eintracht Norderstedt. Auf ihrem Weg in die Viertklassigkeit sind die Kicker von der Ochsenzoller Straße indes gehörig ins Straucheln geraten. Nach fünf Spieltagen ist das Team mit sieben Punkten und 4:5 Toren lediglich Tabellen-14.

Aufgeschreckt von den leblosen Auftritte in der Oberliga und dem peinliche Aus im Oddset-Pokal gegen Landesliga-Klub HEBC hat sich der Verein ungewöhnlich früh von Trainer Matthias Dieterich getrennt und mit Thomas Seeliger einen neuen Coach verpflichtet. Im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt erläutert Jörg Franke, der bei der Eintracht seit Februar 2012 im Amt ist, wie Norderstedts beste Fußballmannschaft die Trendwende schaffen will.

Hamburger Abendblatt:

Herr Franke, wird bei Eintracht Norderstedt das Wort "Regionalliga" momentan überhaupt noch in den Mund genommen?

Jörg Franke : Ja, nach unserem katastrophalen Saisonstart aber nur ganz vorsichtig. Wir haben den Aufstieg immer noch im Hinterkopf, schließlich ist der Kader vor der Saison mit mehreren regionalligaerfahrenen Akteuren verstärkt worden. Es kann nicht unser Anspruch sein, auf Platz acht in der Oberliga Hamburg herumzudümpeln. Jetzt muss aber erst einmal etwas Ruhe einkehren; vorerst wird nur noch von Spiel zu Spiel gedacht.

In ihrem Beruf als Beamter bei der Hamburger Kriminalpolizei gehören Vernehmungen zum Alltag. Haben Sie angesichts der schwachen Vorstellungen des Teams in ihrer Funktion als Manager schon mal daran gedacht, den einen oder anderen Spieler von Eintracht Norderstedt zu verhören ?

Franke: Wir reden ständig miteinander. Die Jungs wollen ja, aber sie können ihr Leistungsvermögen momentan einfach nicht abrufen. Die Mannschaft ist selbst am meisten enttäuscht darüber, dass sie bisher so schlecht gekickt hat.

Wie erklären Sie sich das undisziplinierte Auftreten mit vier Platzverweisen in acht Pflichtspielen?

Franke: Das ist sensationell, so etwas habe ich in über 20 Jahren, in denen ich als Manager tätig bin, noch nicht erlebt. Zugegeben: Die Mannschaft ist frustriert und verunsichert, das sieht und merkt jeder. Allerdings rechtfertigt dies noch lange nicht, dass sich beispielsweise ein Linus Meyer in einem Oddset-Pokalspiel gegen einen Kreisklassen-Verein beim Stand von 14:0 die Rote Karte und eine Sperre einhandelt, weil er nachtritt. So etwas darf einfach nicht passieren.

Auch die Chefetage der Eintracht vermittelt nicht unbedingt den Eindruck von Souveränität. Das Aus für Trainer Matthias Dieterich wurde von der Vereinsführung offiziell mit dessen beruflicher Mehrbelastung begründet, dann folgte zwei Tage später ein Rundschreiben auf Eintracht-Norderstedt-Briefpapier an Sponsoren und Förderer, in dem von einer "überraschenden, aber konsequenten Trennung" die Rede war. Was stimmt denn nun?

Franke: Das alles ist sicherlich ein wenig unglücklich gelaufen. Wir wollten Matthias Dieterich mit der zuerst kommunizierten und gemeinsam verabredeten Formulierung schützen. Er ist ein junger Trainer mit einer guten Ansprache; ich habe noch nie einen Übungsleiter erlebt, der sich so akribisch wie er auf Übungseinheiten und die Spiele vorbereitet. Fakt ist aber auch, dass ich mir schon vor dem ersten Oberliga-Match Sorgen um die Verfassung der Mannschaft gemacht habe. Wir haben bis auf eine gute Halbzeit gegen Holstein Kiel eigentlich kein einziges überzeugendes Testspiel gezeigt.

Sie haben innerhalb von nur sieben Monaten nun schon den zweiten Trainer verpflichtet. Kontinuität sieht anders aus...

Franke: Das stimmt.

Haben Sie persönlich Fehler gemacht?

Franke: Ich habe sicherlich die Situation in der Rückrunde 2011/2012 unterschätzt. Nach der Trennung von Andreas Prohn hat Matthias Dieterich einen ausgezeichneten Eindruck hinterlassen, es erschien sinnvoll, weiter mit ihm zusammenzuarbeiten. Aber die aktuelle Mannschaft ist mit ganz anderen Persönlichkeiten bestückt als das damalige Team; da hat es ein Kumpeltyp wie Matthias zwangsläufig sehr schwer.

Warum hat Eintracht Norderstedt Trainer Thomas Seeliger vom Landesliga-Klub SV Blankenese losgeeist?

Franke: "Seele" erfüllt genau unser Anforderungsprofil. Er hat als Profi für Fortuna Düsseldorf, den SC Freiburg, 1860 München, den VfL Wolfsburg und den FC St. Pauli gespielt. Dem macht im Training doch niemand etwas vor. Er kann dazwischenhauen, wohnt in Norderstedt, kennt den Verein, ist heiß auf den Job - das passt.

Wieso läuft der Vertrag bis 2014? Wäre es nicht sinnvoller gewesen, eine Art Probezeit bis zum Ende der Serie 2012/2013 zu vereinbaren?

Franke: Ein derartiger Kontrakt wäre in diesem Fall nicht angemessen gewesen. Ich bin hundertprozentig davon überzeugt, dass Thomas Seeliger in der jetzigen Situation der richtige Mann für uns ist und dass mit ihm auch bei uns mehr Kontinuität einkehrt. Wir sollten immer auch an Vereine wie den SV Curslack-Neuengamme und dem TSV Buchholz 08 denken, die von der langjährigen Zusammenarbeit mit ihren Übungsleitern Torsten Henke und Thomas Titze sehr profitieren.

Gab es noch andere Kandidaten für den Trainerposten?

Franke: Ja, wir haben auch mit Matthias Stuhlmacher vom Meiendorfer SV gesprochen, ihm dann aber abgesagt.

Man hat als Zuschauer in dieser Saison bisher nicht das Gefühl, dass die Mannschaft "brennt", dass sie alles gibt. Wo ran liegt das? Fehlt den Spielern die richtige Einstellung?

Franke: Möglicherweise kann der eine oder andere mit dem Erwartungsdruck, den es bei Eintracht Norderstedt zweifellos gibt, nicht umgehen. Wir haben vor der Saison mit unseren hochkarätigen Neuverpflichtungen ein ganz eindeutiges Signal gesetzt, wo die Reise hingehen soll - das scheint das Team allerdings nicht zu beflügeln, sondern zu belasten.

Was muss sich ändern, damit Eintracht Norderstedt in dieser Saison noch die Kurve kriegt?

Franke: Das geht nur über Erfolgserlebnisse und eine völlig andere Präsenz auf dem Platz. Die Mannschaft ist einfach viel zu lieb. Beim Auflaufen muss der Gegner Angst vor dem Klackern unserer Stollen bekommen. Fußball ist immer auch ein bisschen psychologische Kriegsführung - und jetzt sind Siegertypen gefragt.

Gibt es die denn im Kader?

Franke: Dennis Wehrendt, Jürgen Tunjic und Johannes Höcker haben das Sieger-Gen. Sie wollen immer gewinnen und bekommen schon einen dicken Hals, wenn sie mal ein Trainingsmatch verlieren. Genau diese Einstellung müssen künftig auch die anderen Eintracht-Spieler auf dem Platz leben; zwar nicht mit Schaum vor dem Mund, aber mit viel Herzblut. Das gilt auch und vor allem für Jungs wie Marius Browarczyk, Linus Meyer und Philipp Koch, die trotz ihrer Jugend inzwischen gestandene Oberliga-Akteure sind. Von denen muss einfach mehr kommen.

Wann steigt Eintracht Norderstedt in die Regionalliga auf?

Franke: Qualität setzt sich am Ende immer durch. Ich glaube nach wie vor fest an dieses Team, gehe davon aus, dass wir spätestens im März 2013 einen der ersten drei Tabellenplätze belegen - und dann ist alles möglich.

Eintracht Norderstedt ist vom Hamburger Fußball-Verband und der Sparda-Bank Hamburg als fairstes Oberliga-Team der Rückrunde 2011/2012 ausgezeichnet worden. Mannschaftskapitän Denis Wehrendt nahm im Grand Hotel Elyseé einen Scheck über 3000 Euro in Empfang.