Marco Schultz verabschiedet sich per SMS, geht trotz mündlicher Zusage und hinterlässt enttäuschte Mitspieler, Trainer und Verantwortliche.

Norderstedt. Aus Sicht von Fußball-Oberligist Eintracht Norderstedt mag es müßig sein, darüber zu spekulieren. Aber vielleicht war es bereits ein Vorzeichen für die nun eingetretene Entwicklung, als sich Marco Schultz im Sommer einer Berateragentur namens "Soccer and More" anschloss und dem Internetportal "Blog- trifft-Ball" ein vielsagendes Interview gab.

"Mein Ziel bleibt: Ich will Profifußballer werden. Der Weg dahin ist kein Wunschkonzert, das weiß ich. Aber ich bin bereit und fest entschlossen, meinen Traum zu leben. Mal abwarten, was sich ergibt", so ließ sich der 20-Jährige dort zitieren. Nun bieten die Garstedter zwar die beste Infrastruktur aller Hamburger Klubs unterhalb der Regionalliga, Profis sind an der Ochsenzoller Straße aber nicht unter Vertrag.

Den Spielern werden viele Annehmlichkeiten zur Verfügung gestellt, Talente können Grundlagen für die weitere Laufbahn erlernen und im Falle von seriösen Kontaktaufnahmen höherklassiger Klubs ist die Vereinsführung stets auch gesprächbereit. Nur: Der Zeitpunkt und insbesondere die Umgangsform müssen angemessen sein.

+++ Eintracht Norderstedt ist wieder am Ball +++

Davon kann beim Verhalten von Schultz keine Rede sein. Spätestens seit dessen bemerkenswertem Comeback mit sieben Toren in den sieben finalen Begegnungen der Spielzeit 2011/2012 war der offensive Rechtsfuß eigentlich fest vorgesehen für eine Schlüsselrolle in der Mannschaft. Als beschlossen wurde, den Akteuren erstmals feste Rückennummer zu geben, hätte Schultz die "10" bekommen sollen.

Als der einstige Jugendspieler des HSV, FC St. Pauli und VfB Oldenburg allerdings per SMS seine Teilnahme am Trainingsauftakt absagte, um stattdessen zur Probe beim VfB Lübeck anzutreten, sahen sich die Verantwortlichen mit einer unschönen Situation konfrontiert.

"Er hat mir gesagt, dass er in Lübeck mittrainieren wird, obwohl er von uns keine Freigabe erhält", berichtet Eintracht-Coach Matthias Dieterich, der desillusioniert scheint. "Solch ein Verhalten ist genau das Gegenteil von dem, was ich erwarte. Auch die Mannschaft ist schwer enttäuscht. Aber vielleicht ist das Geschäft ein Stück weit so."

Formell war Marco Schultz noch bis zum 30. Juni ein Norderstedter, hätte indes mit einer Gastspielergenehmigung bei einem anderen Klub aktiv sein dürfen. Dieses Verfahren ist nicht ungewöhnlich; dadurch konnte Milos Ljubisavljevic beispielsweise beim VfR Neumünster die Vorbereitung beginnen.

Die Eintracht informierte Lübeck von der fehlenden Gastspielergenehmigung, die auch versicherungstechnische Konsequenzen hat. Denn im Falle einer schweren Verletzung hätte der Akteur sämtliche Behandlungskosten selbst tragen müssen. "Das Management des Spielers hat sich in jeder Hinsicht unverantwortlich verhalten", sagt Präsident Reenald Koch.

Schultz hatte den Garstedtern eine feste mündliche Zusage für die nächste Saison gegeben. "Vielleicht haben wir einen Fehler gemacht, weil wir ihm keinen Vertrag gegeben haben. Wir wollten noch drei Monate abwarten", erklärt Reenald Koch.

Hintergrund war die Verletzungsgeschichte des Spielers, der vor seiner Sprunggelenk-Operation 2011 bereits einen Kreuzbandriss erlitten hatte. Ein monatliches Salär hätte Marco Schultz gleichwohl erhalten - bei ähnlichen Leistungen wie vor der Sommerpause wäre ein neuer Kontrakt nur Formsache gewesen.

Dies mag im Nachhinein naiv erscheinen, doch der nun Wortbrüchige hatte zuvor nie den Anschein erweckt, ein doppeltes Spiel zu treiben. Der Verein besorgte ihm sogar einen Ausbildungsplatz. "Es ist die größte menschliche Enttäuschung, die ich je erlebt habe", sagt Reenald Koch.

Er hinterfragt die Rolle von "Soccer and More", dessen Spielervermittler Mark Pomorin, ein bekannter ehemaliger Hamburger Amateurfußballer, sich um die Belange von Marco Schultz kümmert. Andere Klienten der Agentur sind mit Papiss Demba Cissé und Per Mertesacker internationale Stars. "Die Frage ist: Worin besteht die Hoffnung eines Beraters? Er findet junge, talentierte Spieler. Diese bekommen einen Profi-Vertrag, und zehn Prozent des Jahresgehalts gehen an den Berater."

Schultz wird wahrscheinlich in diesen Tagen einen Vertrag in Lübeck unterschreiben und dann auf seinen Durchbruch in der Regionalliga Nord hoffen. Die Eintracht ist nun auf der Suche nach einem Ersatz. Ein schwieriges Unterfangen: "Von der qualitativen Seite her ist Marco Schultz nicht zu ersetzen", so Matthias Dieterich. Ähnlich formuliert es Reenald Koch: "Er hat schon eine gewisse Qualität. Und in der Kombination mit dem jungen Alter gibt es diesen Spieler nicht auf dem Markt."

Unterdessen fand der Verein einen Testspielgegner für das kommende Wochenende. Am Sonnabend empfängt Eintracht Norderstedt um 15 Uhr den VfL Lohbrügge (Landesliga Hansa).