Die Sportler der Norderstedter Werkstätten gewinnen bei den Special Olympics 21 Medaillen. EM-Start von Alex Knaub in letzter Sekunde gesichert.

Norderstedt. Wenn Maike Rotermund, Sportlehrerin an den Norderstedter Werkstätten, gefragt wird, worin denn der Sinn liege, mit geistig behinderten Athleten Wettkampfsport im Kampf um Zentimeter und Hundertstelsekunden und nicht einfach nur "Be wegungstherapie" zu betreiben, dann verweist sie stolz auf das zurückliegende Großereignis. Bei den Special Olympics 2010 in Bremen, dem Sportfest für 4500 geistig behinderte Athleten in 20 Disziplinen, haben ihre 17 mitgereisten Schüler groß abgeräumt und sechs Gold-, fünf Silber- und zehn Bronzemedaillen gewonnen.

"Und das Besondere daran ist, jeder meiner Sportler hat in Bremen zumindest eine seiner persönlichen Bestleistungen gesteigert", sagt Maike Rotermund, "auch die, die keine Medaille gewonnen haben, konnten so wieder einmal einen enormen positiven Schub für ihr Selbstvertrauen verbuchen und waren einfach nur glücklich."

Teamgeist ist das Geheimrezept für den Erfolg der Werkstättensportler

Wie überschwänglich dieses Glück ausfallen kann, demonstrierte eine ausgelassene Silke Sacher bei ihrer Siegerehrung. Die 26-Jährige hatte in der obersten Leistungsklasse den Ballwurf mit 18,50 Metern gewonnen. "Silke war vor Freude dann kaum noch zu bremsen", erinnert sich ihre Sportlehrerin, "sie hat bei der Zeremonie der Moderatorin einfach das Mikro aus der Hand genommen und später, mit Einverständnis ihres Vaters, dem ganzen Team noch ein Eis spendiert. Nach sechs Jahren Sporttraining bei uns hatte sie nun endlich ihren Durchbruch und gelernt, worum es im Wettkampf geht."

Doch ihre wichtigste Lektion beherrschen Silke Sacher und ihre Mitstreiter von den Norderstedter Werkstätten auch ohne Training. Was sich da nicht nur bei den Leichtathleten, die den größten Teil der Aktiven der Special Olympics stellten, auf Platz 11 am Bremer Weserstadion abspielte, hat nichts mit dem Konkurrenzkampf von uns "normalen" Menschen zu tun. Jeder im Team feuerte seine Kameraden an. Keiner stand nach dem Wettkampf allein da, sondern erhielt sofort Zuspruch.

"Rivalität, auch mit den Aktiven anderer Vereine, ist nicht zu beobachten", berichtet Rotermund, "hier wird echter Sportsgeist gelebt. Deswegen hat unser Team so viel Spaß am Sport, und der Erfolg stellt sich fast automatisch ein."

Maike Rotermund wird drei Aktive für die Weltspiele in Athen melden

Dieser Erfolg hat in drei Fällen sogar erfreulich Konsequenzen. Durch ihren tollen Auftritt in Bremen haben sich neben Seriensieger und Vorzeige-Athlet Alexander Knaub (32), der in Bremen nur am Kugelstoßen und den 100-Meter-Sprintwettbewerben teilnahm, zwei weitere Werkstättensportler für höhere Aufgaben qualifiziert.

"Nach diesen Leistungen werde ich neben Alex auch Silke Sacher und Annika Sube für die Weltspiele 2011 in Athen melden", sagte Rotermund, "die beiden sind jetzt reif für internationale Starts."

Ein Prädikat, um das sich Alexander Knaub schon seit Jahren nicht mehr sorgen muss. Das 32 Jahre alte Kraftpaket der Norderstedter Werkstätten kam mit der Empfehlung von drei Medaillengewinnen bei den Internationalen Deutschen Meisterschaften in Bottrop an die Weser. Knaub hatte dort den Speerwurf gewonnen (29,90 Meter) und mit Silber im Kugelstoßen (9,49 Meter) sowie Bronze mit dem Diskus (24 Meter) seine schon reichhaltige Sammlung an Edelmetall erweitert.

Wenn es nach Knaub geht, darf es bald noch eine Medaille mehr sein. Der 32-Jährige hat sich für die Europameisterschaft in Kroatien, die am 7. Juli beginnen, qualifiziert. Doch bis gestern war dieser Traum in Gefahr: Die Flüge waren gebucht, das Quartier gesichert.

"Aber der Startpass fehlte noch", sagte Maike Rotermund. Grund: Die INAS, die Instanz des Weltsportverbands, die Athleten ihr Startrecht erteilt, hatte der Klassifikation von Knaub als von Geburt an geistig behindertem Sportler nicht zugestimmt. Rotermund: "Es gab Probleme mit der Anerkennung unserer Atteste. Aber wir hatten immer gehofft, und nun hat es doch geklappt. Seit Donnerstag ist der Startpass da."