HSV-Jungprofi Christian Groß aus Norderstedt setzt auf neue Chance unter Armin Veh

Norderstedt. "Torschütze unsere Nummer 24, Christian Groß!" So konnte es der Stadionsprecher im Norderstedter Edmund-Plambeck-Stadion am letzten Spieltag der Regionalligasaison 2009/2010 verkünden. Es jubelten knapp 300, nicht 30 000. . .

Wie schon im Sommer 2009, war Christian Gross zuletzt in Sachen HSV wiederholt in den Schlagzeilen. Allerdings drehten sich diese Geschichten um den Schweizer Trainer Christian Gross (56), der als möglicher Nachfolger HSV-Trainer und Nachfolger von Bruno Labbadia gehandelt wurde, nicht um den 21 Jahre alte Nachwuchsprofi Christian Groß aus Norderstedt.

Gross kommt nicht, Groß ist schon da! Der 21-Jährige, der vor annähernd elf Monaten (wie berichtet) einen Profivertrag bei dem Fußball-Bundesligisten unterschrieben hatte, etablierte sich in seiner ersten Saison als Berufskicker als Stammspieler der "U23" (Regionalliga) des HSV, ohne aber große Schlagzeilen zu schreiben. Meuselwitz, Oberneuland und Goslar statt Bayern, Schalke und Bremen - Groß beackerte in der vierten Liga die Plätze der nordostdeutschen Fußballprovinz.

"Ich glaube daran, dass es für mich weitergeht"

Dennoch zog der gebürtige Bremer, der 2006 zum HSV gekommen war, in der A-Jugend-Bundesliga gespielt und seitdem im Norderstedter Fußballinternat des Vereins gelebt hatte, für sich ein durchweg positives Fazit der vergangenen Fußballmonate. "Wir sind eine junge Mannschaft, hatten zwischendurch eine gute Serie - und ich glaube daran, dass es für mich weitergeht."

Vollgas bis zum Schluss: Es passte zu seiner professionellen Einstellung, dass Groß im letzten Heimspiel im Norderstedter Plambeck-Stadion mit seinem Tor die Weichen auf Erfolg stellte. Mit dem 2:1-Sieg gegen Tennis Borussia Berlin kam die Regionalliga-Truppe des HSV unter Trainer Rudolfo Esteban Cardoso auf 55 Punkte und belegte einen guten Rang fünf. In der Saison zuvor hatte der HSV-Nachwuchs, der zumeist vor ein paar Dutzend Fans spielt, bis zuletzt um den Klassenerhalt zittern müssen. Mittelfeldspieler Groß als sogenannter 6er ein "Mister Zuverlässig" absolvierte in Liga vier 29 von 34 Spielen und erzielte drei Tore. Sein großer Traum, wenigstens eine Minute in der Arena am Volkspark vor vielen Tausend HSV-Fans spielen zu dürfen, wurde Groß von Bruno Labbadia verwehrt. Der 1,82 Meter große Schlacks machte vor der Saison beide Trainingslager bei den Profis mit, stand dann beim Heimspiel gegen den SC Freiburg im Kader - wurde aber beim Stand von 2:0 in der Endphase nicht gebracht. Das hat den Norderstedter gegrämt, nie aber käme er auf die Idee, deshalb auf seinen (Ex-)Trainer zu schimpfen. "Hätte, wenn und aber - so denke ich nicht", sagt der 21-Jährige.

Einen Durchbruch aus den Reihen der jungen Wilden schaffte nur Tunay Torun

Auch andere U-23-Spieler und Jungprofis aus den Reihen des HSV wie Hanno Behrens (20) teilen das Schicksal, noch nicht in Liga eins zum Einsatz gekommen zu sein. "Maxi" Beister (20) kam immerhin in zwei Spielen zehn Minuten zum Einsatz, Tolgay Arslan (20) sogar in fünf Spielen. Einen richtigen Durchbruch aus den Reihen der jungen Wilden schaffte einzig Groß' Kumpel Tunay Torun (20), der, bis zu seiner schweren Verletzung, 20-mal in der Bundesliga zum Einsatz kam.

Ein echtes Karriere-Highlight aber durfte auch der junge Norderstedter verbuchen: Am 7. April absolvierte er beim 4:0 gegen Italien am Hamburger Millerntor sein erstes U-20-Länderspiel für Deutschland. "Die Nominierung durch Trainer Ralf Minge kam völlig überraschend, ich wurde in der 70. Minute eingewechselt - aber ich war für Deutschland dabei, das zählt", so Groß stolz. "In der U 20 spielen hauptsächlich Spieler, die schon in der ersten und zweiten Liga etabliert sind. Das ist schon schwer, dort hineinzukommen."

Wenn der 21-Jährige auf das vergangene Jahr zurückblickt, spricht er, im privaten Bereich, nicht nur von einem guten, sondern einem äußerst glücklichen Jahr: Seit sechs Monaten ist Groß mit Studentin Scarlett Stichter (23) zusammen, die in Hamburg ihren International Bachelor of Business macht und in den Elbvororten wohnt. "Ich bin wahnsinnig verliebt", sagt der Profikicker, "Hamburg ist eine Superstadt, um hier zusammen zu leben." Sein Lieblingsplatz ist Wittenbergen an der Elbe, wo er mit Freundin und Hund lange Spaziergänge unternimmt.

Wo er demnächst weiter an seinem beruflichen Glück arbeitet, ist für Groß dieser Tage völlig unklar, wie er gesteht. "Schon ein komisches Gefühl, aber Stress mache ich mir deshalb nicht - erst mal genieße ich den Urlaub." Nach dem letzten Saisonspiel ist Groß für drei Wochen nach Hawaii gedüst, wo Freundin Scarlett ein Auslandssemester absolviert. Was aber passiert danach? "Kann sein, dass mein Berater mich anruft, um mir zu sagen, dass ich irgendwohin zum Trainingsanfang muss", beschreibt der 21-Jährige, der einen Vertrag bis 2012 besitzt, die Situation. Am 28. Juni beginnt das Trainingslager der Bundesligamannschaft mit dem neuen HSV-Trainer Armin Veh. "Wir alle fangen bei einem neuen Trainer bei Null an", so der Mittelfeldspieler, "du bietest als Spieler an, was du hast. Und dann entscheidet sich, ob der Trainer dich als Spielertyp mag." In Regionalliga-Coach Cardoso und Interimscheftrainer Ricardo Moniz hat der Norderstedter prominente Fürsprecher. Aber dort, wo er spielt, im zentralen Mittelfeld, "tummeln sich immer die besten Spieler". In so namhaften Akteuren wie Ze Roberto, Aogo, Janssen hat der Linksfuß extrem starke Konkurrenz im eigenen Club. Das erste Jahr als Profi aber hat ihm auch ein Stück weit mehr Selbstbewusstsein beschert: "Ich habe mit Ze Roberto und Van Nistelroy auf dem Platz gestanden. Warum soll ich dann Angst haben?"

Groß hält sich bedeckt, er will nicht spekulieren

"Es laufen Gespräche", sagt Groß diplomatisch über mögliche Alternativen. Und meint eine mögliche Ausleihe an einen anderen Verein. Wenn, dann müsste der HSV ihn jetzt verleihen. Denn wenn die Ausleihe erst im letzten Jahr der Vertragslaufzeit erfolgt, verlängert sich der Vertrag automatisch. Groß hält sich bedeckt, will nicht spekulieren. Zweitligaaufsteiger Erzgebirge Aue hatte wiederholt öffentlich erklärt, sich vor allem mit jungen Spielern aus den Bundesliga-Reserven verstärken zu wollen. Auch Groß` Exverein, der VfL Osnabrück, hat den Wiederaufstieg in Liga zwei geschafft. Oder kann der Weg zu einem Absteiger führen, der mit jungen Leuten einen Neubeginn startet, wie zum VfL Bochum? "In der zweiten Liga weht ein ganz anderer Wind, als in der Regionalliga", weiß Groß, "und du musst als Neuzugang auch in die Mannschaft passen, die dich nicht unbedingt mit offenen Armen empfängt, gerade, wenn es sich um eine erfahrene Truppe handelt". Hamburg und der HSV bleiben seine erste Wahl; der Wunsch sich in die Bundesliga zu spielen, der zentrale Gedanke.

Egal, wessen Trikot er demnächst trägt: Sich hängen lassen, dass ist nicht Sache von Christian Groß, auch nicht im Urlaub. "Wenn du das Ziel hast, es nach ganz oben zu schaffen, dann musst du auch leben wie ein Profi."