Norderstedt. Heilpraktiker, die auf Homöopathie setzen, gibt es auch für Haustiere. Was Mediziner an deren Methoden kritisieren.

  • Im Kreis Segeberg gibt es zahlreiche niedergelassene Tierheilpraktiker.
  • Diese setzen bei der Behandlung vor allem auf Homöopathika und einen „ganzheitlichen Blick“.
  • Ein Arzt von einer tiermedizischen Hochschule nennt das „Humbug“ und sieht Gefahren.

Globuli statt Antibiotika, Cortison und Co., ein „ganzheitlicher Blick“ auf den Patienten statt „Schulmedizin“: So in etwa lautet, grob gesagt, das Angebot von Heilpraktikern. Und viele Menschen vertrauen oder schwören sogar regelrecht darauf, versprechen sich konkrete Hilfe bei körperlichen oder psychischen Leiden aller Art. Auch für Tiere gibt es diese Angebote, und offenbar wird die Nachfrage immer größer. Nach Angaben des Verbandes Niedergelassener Tierheilpraktiker (FNT) steige diese „stetig an“, der Beruf des Tierheilpraktikers erfreue sich „immer größerer Beliebtheit“.

Zu sehen ist das auch im Kreis Segeberg, wo es mittlerweile in vielen Städten und Gemeinden Tierheilpraktiker gibt. Zu diesen gehört Britt Bachmayer-Ernst. Die 61-Jährige geht schon seit 20 Jahren diesem Beruf nach, ihre Praxisräume befinden sich in ihrem Privathaus in Norderstedt. Hier behandelt sie vorwiegend „Hunde, Katzen und Pferde“, wie sie sagt. Und dabei setzt sie aus voller Überzeugung auf die Homöopathie: „Es ist einfach irre, was man damit bei Tieren erreichen kann!“, sagt sie.

„Wir Naturheilkundler wollen an die wahren Ursachen ran“, sagt Britt Bachmayer-Ernst

Bachmayer-Ernst ist eine sehr freundliche, zupackend wirkende Frau. Mutter zweier Kinder, ehemalige Vielseitigkeitsreiterin. Homöopathie wendet sie seit vielen Jahren für sich und ihre Familie an. „Irgendwann dachte ich, ich muss die Homöopathie an die Tiere bringen“, sagt sie. Und so belas sich die frühere Zahntechnikerin, hospitierte dann bei einem Tierarzt, machte schließlich – wie bei Heilpraktikern üblich – eine Ausbildung an einer privaten Schule. In ihrem Fall war es die Akademie für Tiernaturheilkunde und Tierphysiotherapie (ATM) in Bad Bramstedt.

Häufige Leiden, mit denen die tierischen Patienten zu ihr gebracht würden, seien Magen-Darm-Beschwerden oder auch Hautprobleme. Und dann geht Bachmayer-Ernst so vor: „Zuerst nehme ich mir eine Stunde Zeit für das Tier, sehe es mir genau an, frage den Halter sehr viel.“ Es komme hier auf den „ganzheitlichen Blick“ an, wie sie sagt. „Wir Naturheilkundler wollen an die wahren Ursachen der Krankheiten ran.“ Ein Ansatz, der in der „Schulmedizin“ oft zu kurz komme, die nicht selten nur „Symptommedizin“ sei.

Bei Magen-Darm-Leiden wird zum Beispiel „Nux vomica“ verordnet

Britt Bachmayer-Ernst in ihrem Behandlungszimmer
Britt Bachmayer-Ernst in ihrem Behandlungszimmer © FMG | Claas Greite

„Wahre Ursachen“ könnten zum Beispiel, bei Magen-Darm-Problemen, virale oder bakterielle Infektionen sein, oder auch falsche Ernährung. Sehr viel anders werden es viele Tierärzte auch nicht sehen. Bachmayer-Ernst sagt aber, dass die Untersuchung „in der Tiefe“ bei Ärzten manchmal leider nicht stattfinde, „besonders bei chronischen Leiden.“

Ganz anders als bei Ärzten ist dann dann der Heilungsansatz. Um das richtige homöopathische Mittel zu finden, konsultiert Bachmayer-Ernst Standardwerke wie „Kent‘s Repertorium“. Bachmayer-Ernst: „Das funktioniert ein bisschen wie ein Trichter. Oben schmeißen wir die vielen Symptome herein, unten kommt dann das individuelle Mittel heraus.“ Im Falle von Magen-Darm-Problemen könne das dann zum Beispiel „Nux vomica“ sein. Das ist ein Präparat, das aus der Brechnuss gewonnen wird.

Homöopathie und Pflanzenheilkunde, zwei verschiedene Dinge

Homöopathie ist etwas anderes als Pflanzenheilkunde. Zwar kommen pflanzliche Wirkstoffe zur Anwendung – bei Homöopathen allerdings nach einem ganz besonderen System, das auf den Lehren des deutschen Arztes Samuel Hahnemann (1755 – 1843) beruht. Grundprinzipien sind das „Simile-Prinzip“, nach dem „Ähnliches durch Ähnliches“ geheilt werde, sowie das Prinzip der „Potenzierung“. Letzteres besagt, dass bestimmte Grundsubstanzen wirksamer werden, wenn man sie sehr stark verdünnt, aber gleichzeitig „dynamisiert“, durch Verschüttelung oder Verreibung.

Homöopatika werden auch heute noch nach diesem Muster hergestellt – und genau das trägt ihnen die Kritik von Wissenschaftlern und Ärzten ein. Denn es gibt keine Studien nach gültigen wissenschaftlichen Standards, die die Wirksamkeit dieser Präparate belegen können. Anhänger der Homöopathie verweisen, bisweilen vehement, darauf, dass es ihnen aber helfe und dass sie viele Fälle von Heilungen durch Globuli kennen. Die Kritiker bestehen indes darauf, dass sich diese Effekte dann ja auch in wissenschaftlichen Studien mit vielen Probanden nachweisen lassen müssten.

Wie die Schleswig-Holsteinische Tierärztekammer die Sache sieht

So ähnlich wird die Sache wohl bei der Schleswig-Holsteinischen Tierärztekammer gesehen. Auf die Frage, welche Position die Kammer zur Homöopathie einnehme, teilt Dr. Ann Johanna Marquardt von der Geschäftsstelle mit, dass im Jahr 2020 die Zusatzbezeichnung „Homöopathie“ für Tierärzte gestrichen wurde. „Somit ist eine Weiterbildung, die in der Zuerkennung der Zusatzbezeichnung Homöopathie mündet, in Schleswig-Holstein nicht mehr möglich. Dieser Entscheidung liegt zugrunde, das dieser Zweig der Tierbehandlung nicht evidenz-basiert ist und damit durch die Tierärztekammer keine Unterstützung mehr finden soll.“

Dr. Rolf Wagels, Tierärztliche Hochschule Hannover: „Homöopathie ist Humbug!“

Sehr klare Worte findet Dr. Rolf Wagels, Fachtierarzt bei der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover. Homöopathie nennt er „Humbug“, es sei eine Lehre mit „vielen Elementen aus vorwissenschaftlicher Zeit“. Die Grundannahmen des Simile-Prinzips und der Potenzierung seien „medizinisch nicht haltbar.“ Die Wirkungslosigkeit von Homöopathie sei „hinlänglich belegt“, so der Wissenschaftler.

Britt Bachmayer-Ernst hält dem entgegen, dass hinter Studien mitunter die große „Lobby der Schulmediziner“ stecke. Und sie sagt: „Wir Tierheilpraktiker könnten keine Studien bezahlen. Die Firmen, die Globuli herstellen, auch nicht.“ Rolf Wagels sagt hingegen: „Es gibt unendlich viele Studien, die die Nicht-Wirksamkeit hinlänglich belegen, auch in der Tiermedizin!“ Und weiter: „Selbst in von Homöopathen durchgeführten Studien gibt es keine belastbaren wissenschaftlichen Belege für die Effekte von Homöopathika.“

„Was Tierheilpraktiker tun, ist absolut nicht ganzheitlich“

Die Annahme von Tierheilpraktikern, diese hätten einen „ganzheitlichen Blick“, während Mediziner nur „Symptome“ mit Medikamenten bekämpfen würden, weist Wagels scharf zurück: „Was Tierheilpraktiker tun, ist absolut nicht ganzheitlich. In Wahrheit sind es die Mediziner, die den Dingen auf den Grund gehen. Und zwar mit Bildgebung wie Ultraschall, MRT und Röntgen. Mit Blutbildern und Parasitenuntersuchungen zum Beispiel.“

Laut Wagels könne es sogar gefährlich werden, wenn sich ein Tierhalter nur auf einen Heilpraktiker verlässt. „Es kann dann durchaus sein, dass dem Tier nicht wirklich geholfen wird und dass es stumm weiterleidet.“ Er selbst habe an der Tierärztlichen Hochschule viele Fälle gesehen, in denen Tiere behandelt wurden, an denen sich vorher lange Zeit ein Heilpraktiker versuchte. „Aber dann war es meistens zu spät.“

Wagels sieht auch in dem prinzipiellen Misstrauen in der Homöopathischen Szene gegen die sogenannte „Schulmedizin“ ein großes Problem. „Es ist generell überhaupt nicht gut, wenn wissenschaftliche Fakten infrage gestellt werden. Denn dann verbreiten sich Fake News. Das gibt es auch in anderen Bereichen, zum Beispiel beim Thema Klimawandel.“

Placebo-Effekt und mehr: So erklärt Wagels die Effekte, die Homöopathen beobachten

So weit, so gut – aber wie erklärt sich dann die Wirksamkeit, die Anhänger der Homöopathie beobachten – bei sich selbst, anderen Menschen oder eben auch bei Tieren? Wagels holt etwas weiter aus: „Es liegt leider in der Natur des Menschen, Zusammenhänge herzustellen, wo keine sind.“ Das sei „evolutionsbiologisch bedingt“. Aber: „Korrelation ist nicht Kausalität.“ Mit anderen Worten: Es gebe immer jeweils ein Bündel anderer Gründe für Heilungseffekte, die dann aber fälschlicherweise den Globuli zugeschrieben würden.

Welche das sind, sagt Wagels auch: Erst einmal gebe es natürlich das körpereigene Immunsystem. Krankheiten verliefen zum Teil auch in Wellen. Weiterhin gebe es den Stressabbau, der sich positiv auswirken könne. Zum Beispiel dann, wenn sich ein Tierbesitzer nach dem Besuch beim Heilpraktiker stärker um das Tier kümmere. Weiterhn gebe es die „Änderung der Lebensumstände“, wenn zum Beispiel die Ernährung verändert wird. Und nicht zuletzt sei da der Placebo-Effekt, mit dem die „vermeintliche Wirksamkeit von Homöopathie“ ebenfalls erklärt werden könne.

Ein Placebo-Effekt bedeutet, kurz gesagt: Ein Mensch glaubt an die Wirksamkeit eines Medikamentes, deshalb geht es ihm dann tatsächlich besser. Verfechter der Homöopathie wenden nun ein, dass es diese Effekte bei Tieren ja nicht geben könne. Wagels sieht das anders: „Diese Effekte kann es sehr wohl bei Tieren geben. Wir nennen das ‚Placebo by proxy‘. Der Tierhalter glaubt an die Wirksamkeit, verhält sich anders, ist weniger sorgenvoll, geht aber stärker auf die Bedürfnisse des Tieres ein. Bei Tieren, die sehr feine Antennen haben, wie Hunden, hat das durchaus eine sehr große Wirkung.“

Britt Bachmayer-Ernst: Akutbehandlungen mit Globuli belegen Wirksamkeit

Ganz anders sieht Britt Bachmayer-Ernst die Sache. Sie besteht auf der Wirksamkeit der Globuli. Was sie in ihrer Praxis seit 20 Jahren beobachte, seien keineswegs Placebo-Effekte. „Das zeigt sich zum Beispiel bei „Akutbehandlungen“. Etwa dann, wenn ein Hund eine Blasenentzündung hat. „Der bekommt von mir einfach Globuli und nach zwei, drei Tagen ist die Entzündung weg.“

Eine extreme Skeptikerin der „Schulmedizin“ ist sie auch nicht, betont, dass sie selbst durchaus Ärzte aufsucht und in bestimmten Fällen auch ein Haustier „natürlich sofort“ zum normalen Tierärzt schicken würde. „Zum Beispiel dann, wenn ein Hund humpelt und geröntgt werden muss.“ Aus ihrer Sicht sollen Tierheilpraktiker Tierärzte nicht ersetzen, sondern ergänzen. Und so betont sie auch, dass sie selbst sehr gut mit mehreren Tierärzten zusammenarbeite.

„Wir brauchen uns gegenseitig“, sagt sie. „Manche Tierärzte schicken ihre Patienten direkt zu mir. Die sagen, geh mal zu Britt. Die findet das raus. Zum Beispiel, wenn es um Augenallergien geht. Und ich arbeite zum Beispiel auch mit einer Tierärztin zusammen, die Chemotherapien bei Tieren macht. Die schickt die Tiere dann zu mir, zur Entgiftung.“

Zusammenarbeit von Tierheilpraktikern und Tierärzten – eine gute Lösung?

Hand in Hand zusammenarbeiten, das Beste beider Welten zusammenführen – eine schöne Lösung für alle? Rolf Wagels kann auch damit wenig anfangen. „Das ist keine Zusammenarbeit. Es ist einfach so, dass die eine Methode fachlich richtig ist – und die andere falsch.“ In solchen Fällen mache „eine Methode die Arbeit, und die andere steht daneben und erntet die Lorbeeren mit.“

Wagels sieht aber durchaus, dass Heilpraktiker Bedürfnisse ansprechen, denen in regulären Arztpraxen nicht immer gerecht geworden wird. „Da ist ein Bedürfnis nach Zuwendung und nach Zeit“, sagt Wagels. Dem gerecht zu werden, sei bei Tieren manchmal sogar noch wichtiger: „Bei der Behandlung von Tieren erfordert die Diagnostik mehr Zeit als bei Menschen, weil sie ja nicht sprechen können.“ Aber nicht jeder Tierarzt nehme sich diese Zeit oder glaube, sie nicht zu haben. Außerdem, so formuliert Wagels vorsichtig, „untersucht leider nicht immer jeder Tierarzt so gründlich, wie es sein sollte.“ Nicht jede und jeder habe „die wissenschaftlichen Fortschritte in der Tiermedizin der letzten Jahrzehnte nachvollzogen“. Im Zweifel empfehle sich ein Wechsel der Tierarztpraxis.

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Verbieten wolle er die Homöopathie natürlich nicht. Am Ende sei es jedem selbst überlassen, wenn er zusätzlich zum Tierarzt noch zum Heilpraktiker geht. „Wenn der Besitzer dadurch beruhigt wird, ist das natürlich völlig legitim. Am Ende sind das Befindlichkeitsdinge, die man abwägen muss. Die Frage ist nur, ob man für das Gefühl der Beruhigung unbedingt das Gedankengebäude der Homöopathie braucht.“

„Der Hund frisst schon wieder!“, sagt Britt Bachmayer-Ernst und strahlt

Zumindest bei Britt Bachmayer-Ernst ist dieses Gebäude offenbar sehr gefestigt. Sie hat auch ein Buch geschrieben, in denen sie von Heilungserfolgen mit Homöopathie berichtet. Der Titel: „Glücksfelle“, erschienen im Verlag Fred & Otto. Beispiele wie diese, sagt sie, begegnen ihr immer wieder. Während sie noch mit dem Reporter in ihrem Behandlungsraum steht, klingelt plötzlich das Handy. Ein Tierhalter ist dran, der vor Kurzem mit seinem Hund bei ihr war, wegen eines Magen-Darm-Leidens. „Mir wurde gerade erzählt, er frisst schon wieder!“, sagt Britt Bachmayer-Ernst. Und strahlt.