Norderstedt. Norderstedter Genossen sollen Robert Hille wählen. Obwohl selbst OB Roeder sich mal gegen ihn ausgesprochen hatte.

Kaum hatte Amtsinhaberin Elke Christina Roeder (SPD) am 8. Oktober im ersten Wahlgang der Oberbürgermeisterwahl in Norderstedt gegen ihre Konkurrenten Katrin Schmieder (unabhängig) und Robert Hille (CDU) verloren, da wurde auch schon öffentlich spekuliert, auf wen die SPD-Wählerschaft denn nun bei der Stichwahl am 5. November umschwenken würde. Nur wenige Stimmen nahmen damals an, dass dies ausgerechnet der CDU-Kandidat Hille sein könnte, den die SPD besonders beim Thema innere Sicherheit inhaltlich stark kritisiert hatte. Zudem hatte sich ja sogar Roeder im Wahlkampf für Schmieder und gegen Hille ausgesprochen, falls es zu ihrer Niederlage kommen sollte.

Umso überraschender ist es vor diesem Hintergrund, dass die Ortsvereinschefin und SPD-Kreisvorsitzende Katrin Fedrowitz am Dienstag im Namen ihrer Partei eine Wahlempfehlung für Robert Hille abgegeben hat. „Nachdem die Sozialdemokraten am 8. Oktober anerkennen mussten, dass ihre Genossin und amtierende Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder im ersten Wahlgang nicht genügend Stimmen für eine Stichwahl erzielte, haben sie sich im Ortsvereinsvorstand ausgiebig mit den beiden Mitbewerbern beschäftigt und empfehlen nun im Sinne der Stadt Norderstedt die Wahl des CDU-Bewerbers Robert Hille“, heißt es in der Mitteilung.

Hille habe eine „Führungspersönlichkeit“, sagt die SPD

Fedrowitz und die SPD Norderstedt begründen ihren Schwenk ins CDU-Lager so: Als Leiter der Verwaltung habe ein Oberbürgermeister oder eine Oberbürgermeisterin vor allem die Beschlüsse der Politik umzusetzen und die Verwaltung im Sinne der Bürgerinnen und Bürger sowie der Mitarbeitenden zu organisieren. „Hier braucht die Stadt eine Führungsperson, die kompetent und respektvoll, mit Moral und Einfühlungsvermögen mit den Menschen in unserer Stadt, den Verwaltungsmitarbeitenden und der Kommunalpolitik umgeht. Dabei ist großes Engagement, Problemlösungskompetenz und eine reflektierte Selbstwahrnehmung Voraussetzung“, sagt die Ortsvereinsvorsitzende Fedrowitz.

Und diese Kompetenzen sieht die SPD offenbar allesamt nicht bei der Sozialdezernentin Katrin Schmieder. Vielmehr habe die SPD im Wahlkampf den Eindruck gewonnen, dass der Bewerber Robert Hille über die „soziale Kompetenz und Integrität verfüge, die man von einer Führungspersönlichkeit erwarte“.

OB Roeder sprach sich vor der Wahl für Schmieder als Alternative aus

„Der Ortsvereinsvorstand erhofft sich für die SPD und ihre Fraktion eine konstruktive, an der Sache orientierte Zusammenarbeit bei gegenseitigem Respekt für unterschiedliche Meinungen. Wir sprechen uns deshalb für die Wahl von Robert Hille zum Oberbürgermeister für die Stadt Norderstedt aus“, sagt Fedrowitz.

Das ist insofern irritierend, als selbst die Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder sich vor der Wahl am 3. Oktober gegenüber dem Stadtmagazin mehr als deutlich für Katrin Schmieder als ihre Nachfolgerin ausgesprochen hatte, falls sie die Wahl verlieren sollte. „Wenn ich wählen müsste, und mein Leben hinge davon ab, dass ich ein Kreuz machen müsste, dann wäre ich so viel Demokratin, dass ich bei Katrin Schmieder das Kreuz machen würde“, sagte Roeder damals. Auch wenn die Stadt dadurch eine sehr gute Sozialdezernentin verlieren würde, so Roeder.

Hille fehle es an Herzblut für die Stadt Norderstedt, sagte Roeder

„Zum einen, ich finde, es tut der Stadt gut, eine Frau an der Spitze zu haben und jemanden zu haben, der mit genau so viel Herzblut an dieser Stadt hängt, wie ich es tue, die ihr Herz an die Stadt verloren hat – das hat Katrin Schmieder auch.“ Hingegen äußerte sie sich über Robert Hille kritisch: „Ich würde das Kreuz nicht bei Herrn Hille machen, das würde ich nicht übers Herz bringen. Da fehlt mir das Herzblut, das Leidenschaftliche für Norderstedt.“ Von Hille kämen zu viel Allgemeinplätze, er sei ihr zu unbekannt und quasi die „Katze im Sack“, die sie kaufen müsste.

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Hat sich also die Einstellung der SPD zu Katrin Schmieder während des Wahlkampfes von grundsätzlicher Zuneigung hin zur grundsätzlichen Abneigung verkehrt? Für Irritationen wird diese Entwicklung auch im Segeberger Kreistag sorgen. Denn noch am 17. Oktober hatte sich dort der Fraktionsvorsitzende der SPD, Martin Ahrens, mehr als deutlich für Katrin Schmieder als neue OB ausgesprochen.

SPD-Fraktionschef im Kreistag setzt auch auf Schmieder

„Ich unterstütze Katrin Schmieder, weil sie bereits jetzt auf Kreisebene eine kompetente und im höchsten Maße anerkannte Vertreterin der Stadt Norderstedt ist“, schrieb Ahrens. Schmieder habe ihm zugesichert, als neue Oberbürgermeisterin Norderstedts bei Themen, die das Verhältnis zwischen Norderstedt und dem Kreis Segeberg betreffen, stets auch die Kreispolitik überparteilich mitnehmen zu wollen.

Offenbar sah Ahrens weder Oberbürgermeisterin Roeder noch Robert Hille als die richtige Person für den Job an. „Der Kreis Segeberg braucht in seiner großen kreisangehörigen Stadt eine kommunikationsstarke und konsensfähige Person an der Spitze der Stadtverwaltung. Diese Person ist, meiner Meinung nach, Katrin Schmieder!“, sagte Ahrens.

CDU-Kandidat Hille spricht von „Kooperation“ und „Grundkonsens“ mit SPD

Für Robert Hille ist die öffentliche Unterstützung ein Coup. Zumal er im laufenden Wahlkampf stets propagiert, dass es kein „Weiter so“ geben dürfe, was gemeinhin als Ablehnung der Arbeit von Elke Christina Roeder interpretiert wird. „Ich freue mich darüber. In den letzten Wochen habe ich wahrgenommen, dass die SPD die großen Aufgaben der Stadt sehr genau im Blick hat.“ Warum die Sozialdemokraten nun auf seine Seite gegangen sind? Er nennt es einen „möglichen Erkenntnisprozess“.

Nur gemeinsam werde man die Herausforderungen meistern, so der Christdemokrat. „Und da ist der Blick auf die großen Fraktionen wichtig.“ Von einer „Großen Koalition“ will Hille nicht sprechen, nennt es vielmehr „eine Kooperation, einen Grundkonsens in den wichtigen Fragen“. Beispiele seien der Wohnungsbau, Energie, Migration und Wirtschaftsförderung.

Hille: „Meine Rolle als Verwaltungsspitze muss ja sein, eigene Impulse in die Politik zu geben. Nur wenn man gemeinsam Lösungen sucht, findet man einen gemeinsamen Weg. Aber natürlich sind CDU und SPD unterschiedliche Parteien und Fraktionen, da wird man sich auch reiben.“

Katrin Schmieder: SPD habe Gesprächsangebote abgelehnt

Kandidatin Katrin Schmieder zeigt sich über die Entscheidung des SPD-Ortsvereins sehr überrascht. „Katrin Fedrowitz stellt es so dar, dass sich der Ortsverein mit beiden Bewerbern beschäftigt hätte. Das trifft nur auf einen zu, meine Gesprächsangebote wurden leider abgelehnt.“

Schmieder mutmaßt, dass die Wahlempfehlung für Hille von einer „kleinen Gruppe des SPD-Ortsverbandes ohne Gesamtvotum“ ausgesprochen wurde. Schmieder: „Ich hoffe, dass die SPD-Wählerinnen und Wähler meine bisherigen Leistungen und mein soziales Engagement für unsere Stadt am 5. November zu würdigen wissen.“