Norderstedt. Nach einem Ortstermin mit Stadt und Feuerwehr hat der Verein keine andere Wahl. Die Gründe – und was jetzt getan wird.

Ein 5:0 in der Regionalliga Nord beim Hamburger SV II, ein 2:0 im Lotto-Pokal beim SC Victoria – besser hätten die Fußballer von Eintracht Norderstedt nicht in die Saison starten können. Doch nun, wenige Tage vor dem ersten Heimspiel gegen den SC Spelle-Venhaus (Sonntag, 14 Uhr), gibt es schlechte Nachrichten. Und zwar abseits des Rasens. Mit sofortiger Wirkung kann der Verein mehr als ein Viertel der Kapazität in seinem Edmund-Plambeck-Stadion nicht mehr nutzen. Das ist die Konsequenz eines Ortstermins mit Feuerwehr und Verwaltung.

„Bei der Begehung mit den zuständigen Behörden wurde festgestellt, dass die oberen drei Ränge auf der Stehplatz-Gegengerade im Block C 1 gesperrt werden müssen, weil eine zu große Instabilität der Traversen vorliegt. Und C 2 sperren wir komplett“, sagt Präsident Reenald Koch. Auf der Gegengerade verbleiben dann noch 858 Plätze.

Sicherheitsbedenken: Eintracht Norderstedt sperrt mehr als ein Viertel der Plätze

„Das bedeutet: Wir werden eine Stadionkapazität von 3663 statt 5068 haben. Die zuständigen Behörden haben jetzt ein Round-Table-Gespräch anberaumt, bei dem sie jetzt die weiteren Maßnahmen festlegen wollen. Es wird so sein, dass als allererstes ein Fluchtwegeplan erstellt werden muss. Der ist schon recht aufwendig.“

Es geht also um die Sicherheit im Stadion – nennenswerte Vorfälle sind zwar keine bekannt, doch die Prävention steht im Vordergrund. Derzeit ist es so: Wer auf der Gegengerade steht, könnte in Notsituationen, etwa einer Massenpanik, nicht auf schnellstem Wege aus dem Stadion, denn es gibt keinen hinteren Ausgang zum Wanderweg, sondern nur entweder in Richtung Hauptausgang oder zum Scharpenmoor. Das hat die neue Berufsfeuerwehr nun moniert.

Die Stehtraversen sind mehrere Jahrzehnte alt – und von Wurzeln untergraben

Durch die Tore im Zaun können Zuschauer im Ernstfall zwar auch in den Innenraum, also auf den Rasen, gelangen. Das Spielfeld ist allerdings nur ein „Flucht-Aufenthaltsort“. Für eine Untersuchung müssen selbst extreme Szenarios durchgespielt werden, etwa eine Explosion im Stadion oder ein Angriff mit Drohnen.

Reenald Koch ist seit der Vereinsgründung 2003 Präsident von Eintracht Norderstedt.
Reenald Koch ist seit der Vereinsgründung 2003 Präsident von Eintracht Norderstedt. © Frank Best

Das andere Problem ist ein bauliches. Die Stehtraversen sind mehrere Jahrzehnte alt, als sie verlegt wurden, gab es Eintracht Norderstedt noch gar nicht, damals spielten hier noch die Fußballer des 1. SCN. Koch: „Die Bäume sind gewachsen, die Wurzeln haben vieles dazu beigetragen, dass die Platten unterschiedlich hoch stehen. Das kann zu Verletzungen führen. Und da wir Veranstalter sind und in der Verantwortung, haben uns die Behörden, insbesondere die Feuerwehr, geraten, die Kapazität zu senken. Wir werden das Sicherheitskonzept entsprechend anpassen, da sind wir dabei.“

Die baulichen Probleme im Stadion sind seit langer Zeit bekannt

Ganz so neu ist all das nicht. 2018 wurde darüber beraten, ob die gesamte Sportanlage nicht umgewidmet werden könnte für den Wohnungsbau und Eintracht eine neue Heimat bekommen würde. Daraus wurde nichts, insbesondere wegen des bestehenden Erbbaurechtes. In diesem Zusammenhang hatte Reenald Koch aber bereits erwähnt, dass das Ordnungsamt Bedenken geäußert habe wegen der Notfallpläne – und dass es zu wenige Ein- und Ausgänge gebe bei Tausenden Zuschauern, also bei Spielen im DFB-Pokal, wie es sie in jüngerer Vergangenheit dreimal gegeben hat.

Ende 2021 dann, als kurzfristige Investitionen in Sportstätten politisch beraten wurden, kam die „Sanierung Tribüne Gegengerade“ im Edmund-Plambeck-Stadion zur Sprache – letztlich wurde aber kein Geld zur Verfügung gestellt. Der Stillstand hat aber mehrere Gründe. „Der Zustand, der hier herrscht, das muss man sagen, ist seit einem Jahrzehnt bekannt. Das wurde von der Stadt auch anerkannt“, so Präsident Koch. „Aber wir hatten in den letzten Jahren Corona, die Verwaltung war von der Kapazität unterbesetzt, das betrifft sowohl das Dezernat, wo die Sportstätten mit reinfallen, als auch das Baudezernat.“

Eintracht Norderstedt: Der Spielbetrieb ist nicht gefährdet

Jetzt ist die Situation besser – der Clubchef klingt optimistischer. Sozialdezernentin Katrin Schmieder sei „dem Sport gegenüber aufgeschlossen“, der neue Amtsleiter für Schule und Sport Max Janßen sowie Maximilian Bosdorf, der zuständige Fachbereichsleiter, würden sich „intensiver nicht nur um Eintracht Norderstedt, sondern um alle Sportstätten und Sportvereine kümmern“, so Koch. „Es ist ein Gewinn, dass das Amt jetzt entsprechend besetzt ist.“

Katrin Schmieder bestätigt: Nach einer Begehung kamen alle Seiten zu dem Schluss, die Stehränge zu reduzieren – die Stadt habe Eintracht empfohlen, den Bereich eventuell mit Werbebanden abzutrennen. „Uns ist es wichtig, dass niemand stolpert“, so Schmieder. Gerade, wenn es zu Notfallsituationen kommen könnte. „Zum Glück ist der Spielbetrieb nicht gefährdet.“ Sie geht davon aus, dass die Sperrung für die gesamte Hinrunde gelten könnte.

17,4 Millionen Euro – das könnte eine Komplettsanierung kosten

„Wir sind im Austausch darüber, was mittel- und langfristig zu tun ist“, sagt sie. Und die Zukunft könnte spannend werden. Das zeigt auch ein Blick in die Liste von Hochbauvorhaben, die kürzlich im Hauptausschuss veröffentlicht wurde. Dort sind alle Projekte genannt, deren Kosten auf mehr als 1 Million Euro kalkuliert sind. So wie der Unterpunkt „Stadion Eintracht Norderstedt / Sanierung hinsichtlich Betreiberverantwortung Versammlungsstätte“ für satte 17,4 Millionen Euro.

Der Start ist für 2028 anvisiert. Für eine solche Summe ist eine neue Arena drin. Aber so weit ist man noch nicht. „Diese Zahl höre ich zum ersten Mal“, sagt Koch. „Ich denke, es da nicht nur um Stadion, sondern um die Erweiterung der gesamten Anlage geht. Alle Vereine in Norderstedt sind mit ihren Sportanlagen an ihren Kapazitätsgrenzen. Ich finde es äußerst bedauerlich, dass wir Wartelisten haben – und wir Vier- bis Achtjährigen sagen müssen, dass es uns leid tut.“

Laut Dezernentin Schmieder handele es sich bei der Prioritätenliste um „Basiskosten“. Sprich: Es ist eine Art Leitlinie für die Politik, wann bestimmte Vorhaben in die Haushaltsplanungen übernommen werden könnten. „Es gibt keine Beschlussfassung“, so Schmieder. Sie deutet an, dass in den nächsten Jahren eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben werden könnte. „Es wäre gut, wenn wir das Stadion ertüchtigen können. Mit Eintracht Norderstedt sind wir in einem konstruktiven Austausch, offen und ehrlich.“

Eintracht Norderstedt: Bei der EM 2024 kommen Nationalteams zum Training nach Garstedt

Die Zeit drängt – und das aus einem noch ganz anderen Grund. Denn Reenald Koch verrät eine Neuigkeit: „Wir sind Host für die Europameisterschaft 2024.“ Bekanntlich werden im Volksparkstadion fünf EM-Spiele stattfinden – vier Gruppenmatches und ein Viertelfinale. Und die jeweiligen Nationalmannschaften benötigen auch Trainingsstätten. Eintracht bewarb sich erfolgreich, schließlich verfügt man über ein taugliches Stadion, in dem auch schon mehrfach Juniorenländerspiele ausgetragen worden sind.

Wer an die Ochsenzoller Straße kommt, steht aber noch nicht fest. Die Gruppen für die Europameisterschaft werden am 2. Dezember ausgelost. Reenald Koch: „Dafür muss das Stadion nicht nur schön aussehen, sondern es müssen auch die Sicherheitsparameter erfüllt sein.“