Norderstedt. Beratungslandschaft für Süchtige und ihre Angehörigen in Norderstedt verändert sich: Wo man jetzt noch Hilfe bekommt.

Wer Probleme mit Alkohol- oder Drogensucht hat, der findet in Norderstedt ab dem 31. Mai einen Ansprechpartner weniger: Das Sozialwerk Norderstedt verabschiedet sich nach vielen Jahren aus der Suchtberatung. Der Grund: Es fehlt an Personal, um die Beratung Begleitung der Suchtkranken anbieten zu können.

„Wir müssen seit geraumer Zeit feststellen, dass der Personalnotstand auch in der Suchtberatung angekommen ist“, sagt Jeannine Strozynski, Geschäftsstellenleiterin des Sozialwerkes. „Wir haben uns die Entscheidung – gemeinsam mit unserem Vorstand – nicht leicht gemacht.“ Gleichwohl scheint sie alternativlos zu sein.

Suchtberatung in Norderstedt: Sozialwerk steigt aus – kein Personal

Jeannine Strozynski vom Sozialwerk, Karin Nordwald (ATS), Clemens Veltrup (Innere Mission), Christian Lauterbach und Sylvia Hakimpour-Zern vom Fachdienst Sozialpsychiatrie und Gesundheitsförderung des Kreises Segeberg.
Jeannine Strozynski vom Sozialwerk, Karin Nordwald (ATS), Clemens Veltrup (Innere Mission), Christian Lauterbach und Sylvia Hakimpour-Zern vom Fachdienst Sozialpsychiatrie und Gesundheitsförderung des Kreises Segeberg. © Kreis Segeberg

Über Jahrzehnte hatte das Sozialwerk sich die Suchtberatung in der Stadt mit der ATS Norderstedt des Landesvereins für Innere Mission geteilt – finanziert vom Kreis Segeberg. Zuständig waren beide Einrichtungen für Einzel- und Gruppenangebote für Süchtige, für die Unterstützung für Angehörige sowie die Suchtprävention an Schulen. Zum 31. Mai endet diese Kooperation nun, die ATS muss alleine weitermachen.

Karin Nordwald, die Regionalleiterin der ATS, bestätigt die angespannte Personalsituation und bedauert den Austritt des Sozialwerkes. „Die ATS wird ihr Angebot fortführen und erweitern. Um weiterhin möglichst viele Menschen erreichen zu können, nehmen wir perspektivisch auch jüngere Klientinnen und Klienten in den Fokus und bieten ab sofort auch Onlineberatungen an.“

Unter www.suchtberatung-sh.de könnten Hilfesuchende Termine machen. „Auf diese Weise wollen wir den Zugang zum Hilfesystem erleichtern“, sagt Nordwald.

Suchtberatung: ATS Norderstedt will das Angebot ausbauen – auch online

Das Sozialwerk will sich jetzt auf den Ausbau seiner übrigen Geschäftsbereiche konzentrieren, also die psychologische Beratung, die Angebote im Familienzentrum Glashütte, das Nachbarschaftsnetzwerk NeNo (Netzwerk Norderstedt), die Betreuung von Wohnungen und Treffs für Seniorinnen und Senioren. „Wir werden, wie gewohnt, ein guter Ansprechpartner sein und unseren Klientinnen und Klienten die allerbeste Unterstützung bieten“, verspricht Jeannine Strozynski.

Der Kreis Segeberg bedauert die Entscheidung des Sozialwerkes: „Wir verlieren einen zuverlässigen Partner und sehen mit Sorge die Entwicklung auf dem Personalmarkt“, sagt Sylvia Hakimpour-Zern, Leiterin des Fachdienstes Sozialpsychiatrie und Gesundheitsförderung in der Kreisverwaltung.

„Dennoch blicken wir optimistisch in die Zukunft, da beide Träger in ihren jeweiligen Aufgabenfeldern sehr gute Arbeit leisten, die den Norderstedterinnen und Norderstedtern in verschiedenen Lebenslagen zugutekommen.“

Suchtberatung: Trauriger Rekord beim Fachkräftemangel in den sozialen Berufen

Laut Erhebungen des Institutes der Deutschen Wirtschaft (IW) tritt der Fachkräftemangel in Deutschland in keinem Berufsbereich stärker zutage als im sozialen und im Gesundheitssektor. Die Berufsgruppe der Sozialarbeit und Sozialpädagogik ist schon lange Teil der „Top Ten“ der Berufe mit de größten Fachkräftelücken.

Laut dem IW gab es im Jahresdurchschnitt 2021/2022 einen traurigen Rekord: Von den bundesweit knapp 26.500 offenen Stellen für sozialpädagogische Expertinnen und Experten gab es für knapp 20.600 keine passend qualifizierten Arbeitslosen – so groß sei der Mangel nie zuvor gewesen.

Diese Fachkräfte fehlen in der Suchtberatung, aber auch in der Präventionsarbeit, ebenso bei der Berufseinstiegsbegleitung, in der Schulsozialarbeit, in Jugend-, Kinder- und Altenheimen. Also überall dort, wo Menschen persönliche Begleitung für die Lösung sozialer Probleme benötigen.