Norderstedt. Norderstedt könnte fast 400.000 Euro ausgeben, um Familien zu helfen. Nur: Es gibt zu wenige Bewerber um das Fördergeld.

Es ist ein Problem, das fast absurd wirkt: Norderstedt könnte sehr viel Geld ausgeben, um damit geflüchteten Familien, die in der Stadt untergekommen sind, das Leben zu erleichtern. Nur: Bisher konnte kaum etwas von dieser Summe ausgegeben werden. Denn viel zu wenige soziale Träger haben sich mit Projekten um dieses Geld beworben. Jetzt gibt es immerhin einige Bewerber – doch es dürften gerne noch viel mehr werden.

Das Geld, von dem hier die Rede ist, stammt aus dem „Aktionsprogramm familienunterstützende Maßnahmen für Geflüchtete“ des Landes Schleswig-Holstein. Der Stadt Norderstedt stehen aus diesem Programm, das für die Jahre 2022 und 2023 gilt, genau 369.400 Euro zur Verfügung. Wenn sie Geld aus diesem Topf beantragt, muss sie noch einen Eigenanteil von zehn Prozent drauflegen.

Norderstedt: Geld für Geflüchtete ist da – aber keiner will es ausgeben

Mit dem Geld können dann Projekte in Norderstedt gefördert werden – Familiencafés zum Beispiel, Ferien- und Freizeitangebote, Angebote zur Sprachförderung von Kindern, Lotsen-Projekte zum Gesundheitswesen und noch vieles mehr.

Zuerst war das Geld nur für ukrainische Geflüchtete gedacht – so stand es in der ersten Fassung des Gesetzes, verfasst unter dem Eindruck des gerade ausgebrochenen Krieges. Aber mehrere Städte und Gemeinden – darunter Norderstedt – pochten darauf, dass das Geld allen Geflüchteten zur Verfügung stehen soll. Und das Gesetz wurde dann auch entsprechend geändert.

2022 gab es gar keine Bewerber – jetzt werden erstmal drei Angebote gefördert

Das Mütterzentrum in Norderstedt bietet einen deutsch-ukrainischen Begegnungstreff an und wird dafür mit Geld vom Land gefördert.
Das Mütterzentrum in Norderstedt bietet einen deutsch-ukrainischen Begegnungstreff an und wird dafür mit Geld vom Land gefördert. © Burkhard Fuchs

Das Problem: 2022 fand man in Norderstedt nicht einen einzigen freien Träger, der ein förderfähiges Angebot gemacht hätte. Mittlerweile, immerhin, gibt es drei Bewerber. Und die Stadt Norderstedt hat erst einmal 150.000 Euro aus dem Aktionsprogramm beantragt und auch beschlossen, den Eigenanteil von 15.000 Euro bereit zu stellen.

Gefördert wird jetzt ein neues Projekt des Mütterzentrums e.V. am Kielortring 51. „Ukrainisch-deutscher Begegnungstreff“ heißt das Angebot, das schon existiert. Jeweils freitags von 9.30 bis 11.30 Uhr finden die Treffen statt.

Träger will Vorschularbeit für ukrainische Kinder anbieten

Außerdem gefördert wird ein Projekt des Trägers „Internationaler Bund“ (IB). Der will in Norderstedt Vorschularbeit für ukrainische Kinder anbieten. Dazu Sozialdezernentin Katrin Schmieder: „Viele der kleineren Kinder, die 2022 mit ihren Müttern kamen, sind nicht in die Kitas gegangen. Die Eltern waren oft einfach noch nicht so weit. Aber bei den Kindern greift irgendwann die Schulpflicht. Um sie darauf vorzubereiten, dient dieses Projekt.“ Aktuell sei es aber noch in der Planungsphase.

Ein weiteres Projekt vom IB, das nun gefördert wird, ist ein Familiencafé. Das soll ausdrücklich allen Geflüchteten offen stehen, „befreit von der Nationalität“, so Schmieder. Auch dieses Projekt ist noch in der Planungsphase.

Mögliche Projekte: Bewegungsangebote für ältere Kinder, Gärtnern, Ausflüge

Karina Jungsthöfel, Leiterin des Jugendamtes in Norderstedt, wünscht sich Kreativ-Angebote für traumatisierte Kinder- und Jugendliche.
Karina Jungsthöfel, Leiterin des Jugendamtes in Norderstedt, wünscht sich Kreativ-Angebote für traumatisierte Kinder- und Jugendliche. © Claas Greite

Aber es gibt noch Geld für viele weitere Projekte. Genau die werden jetzt gesucht. Wer also eine Idee hat, einen Bedarf kennt oder gleich ein fertiges Projekt anbieten kann, soll sich gerne bei der Stadt Norderstedt melden.

Wie das aussehen könnte, schildert Katrin Schmieder so: „Es gibt einen großen Bedarf an Bewegungsangeboten für etwas ältere Kinder, gerne sprachlich gemischt. Und ich könnte mir auch Ausflugsprogramme oder Angebote zum Gärtnern vorstellen. Manchmal brauchen Jugendliche auch einfach einen Platz, wo sie abhängen oder Dart spielen können.

Bedarf auch bei Kreativ-Angeboten und Schulungen für den Straßenverkehr

Jugendamtsleiterin Karina Jungsthöfel sagt: „Ich kann mir auch sehr gut Kreativ-Angebote vorstellen, etwa für traumatisierte Kinder und Jugendliche. Und es funktioniert immer wunderbar, wenn Kinder etwas für Kinder tun. Zum Beispiel gibt es Patenprojekte, bei denen ein etwas älteres Kind ein anderes an die Hand nimmt und ihm zeigt, was es alles in der Stadt gibt. So etwas ist auch förderfähig.“

Katrin Schmieder nennt noch einen wichtigen Bereich: „Es gibt auch ukrainische Kinder, die noch immer ganz unsicher im Straßenverkehr sind.“ Auch hier wären laut Schmieder Projekte vorstellbar, die die Kinder entsprechend schulen.

Derzeit leben 800 Ukrainer in Norderstedt, ein Drittel davon Kinder

Aktuell leben „etwa 800 Personen aus der Ukraine“ in Norderstedt, sagt Katrin Schmieder. Die Zahl sei „recht konstant seit Sommer 2022“. Ein Drittel, also rund 270, seien Kinder. Schmieder weiter: „Die schulpflichtigen Kinder gehen in der Regel in die DaZ-Klassen, manchmal auch in die normalen Regelklassen. Nicht-schulpflichtige Kinder tummeln sich mit ihren Müttern im Stadtgebiet.“

Fast zwei Drittel der Ukrainer, so Katrin Schmieder, leben in Norderstedt in Gastfamilien. Das übrige Drittel sei überwiegend in städtischen Unterkünften untergebracht, wie in den beiden angemieteten Hotels im Stadtteil Glashütte.

„Sportvereine machen viel, ohne je nach Fördergeld zu fragen“

Wie Katrin Schmieder und Karina Jungsthöfel betonen, gibt es auch jetzt schon viele Angebote in Norderstedt für Geflüchtete – aus der Ukraine und aus anderen Ländern. „Die Sportvereine machen viel, ohne je nach Fördergeld zu fragen“, sagt Katrin Schmieder. Und dann seien da natürlich das Willkommen-Team Norderstedt, die Kirchen und andere Akteure.

Karina Jungsthöfel. ergänzt: „Die Familienbildungsstätten mit den frühen Hilfen sind enorm wichtig, etwa für schwangere Frauen, die in Unterkünften leben. Die bekommen Unterstützung, es geht ja um wichtige Fragen wie die, dass die den Weg in die Geburtsklinik finden.“

Angebote der Jugendzentren sollen „niedrigschwelliger“ werden

Auch die städtischen Jugendzentren „machen viel“, sagt Karina Jungsthöfel. So fänden sich mittlerweile regelmäßig ukrainische Jugendliche in den Jugendhäusern Glockenheide und Muku Buschweg ein.

Karina Jungsthöfel sagt auch: „Da kann sicherlich noch mehr passieren. Ein Problem ist, dass es für viele eine Schwelle gibt. Sie trauen sich oft gar nicht erst hinein in so ein Zentrum. Daran arbeiten wir. Wir wollen die Angebote niedrigschwelliger und zugänglicher für alle machen.“

Viele Ukrainer möchten nach wie vor in ihre Heimat zurückkehren

Wie ist generell die Situation der Ukrainer in Norderstedt, 13 Monate nach Kriegsbeginn? Was sind ihre Ängste, Sorgen, Bedarfe und Wünsche? Katrin Schmieder sagt dazu: „Was viele eint, ist der Wunsch, irgendwann in die Heimat zurückzukehren.“ Zudem sei ein Hauptanliegen der Eltern, dass die Kinder gut in der Schule ankommen und dort mitkommen. Weiterhin hätten sehr viele den Wunsch, endlich eine eigene Wohnung zu beziehen.

Der Krieg sei dabei immer noch „allgegenwärtig“, so Schmieder. Dazu trage auch bei, dass fast jeder ein Handy besitze und täglich Bilder aus der Ukraine bekomme, und Nachrichten von Freunden und Verwandten, die noch dort sind. Zudem seien viele Väter im Krieg. So säßen viele Familien „zwischen den Stühlen“, die Kinder müssten eine „schwere Last tragen“, auch noch „die ihrer Eltern mit“. Schmieder: „Das ist eine Belastungssituation, die für uns unvorstellbar ist.“

Norderstedt: Wie Jugendarbeit helfen kann, dass die Situation erträglicher wird

Jugendarbeit, Sport und andere Angebote könnten aber helfen, dass Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene „mal abschalten, vielleicht auch einmal lachen können“, so Schmieder. In dem Zusammenhang nennt sie die Ferienpassangebote der Stadt Norderstedt, „da können sich alle Kinder anmelden!“

Generell gehe es darum, Familien in dieser schwierigen Situation zu entlasten – zumal die ja oft auf sehr beengtem Raum leben müssen. Einen wichtigen Bereich, wo es auch noch Bedarf für Projekte gibt, nennt Karina Jungsthöfel: „Ukrainische Frauen hätten gerne mehr Möglichkeiten, selbst zu kochen oder sich zu Koch-Gruppen zu treffen, mit Menschen anderer Nationalitäten.“

Kochen sei nämlich „ein Stück Heimat“, das man nicht unterschätzen dürfe. Das komme aber in manchen Unterkünften zu kurz. So werden jene Geflüchtete, die in den Hotels in Glashütte untergebracht sind, von einem externen Caterer versorgt. Selbst kochen kann man dort aber nicht.

Freie Träger, die sich mit Projekten um Förderung bewerben wollen, können diese noch bis zum 30. Juni bei der Stadt Norderstedt einreichen.