Norderstedt. Wie Norderstedt dazu beiträgt, dass Phänomene in entfernten Galaxien im Universum entschlüsselt werden können.

Der tiefe Blick ins Weltall – wird auch von Norderstedt aus gelenkt. Denn hier ist ein Antennen-Standort des sogenannten Low Frequency Array (LOFAR), einem riesigen Radioteleskop, das aus 50 Antennen-Stationen in zehn europäischen Ländern besteht. Norderstedt seit acht Jahren dabei und hat jetzt beigetragen zu einer weltweit einmaligen Entdeckung: Erstmals konnten Magnetfelder von weit entfernten Galaxien beobachtet werden.

„Diese Magnetfelder waren bisher nicht sichtbar“, sagt der Astrophysiker Volker Heesen von der Hamburger Sternwarte, die das Radioteleskop in Norderstedt betreibt und betreut. „Jetzt konnten wir diese Magnetfelder zum ersten Mal nachweisen, und zwar von Galaxien die im Mittel etwa 60 Millionen Lichtjahre von unserer Erde entfernt sind.“

Wissenschaft: Norderstedter Radioteleskop macht einzigartige Entdeckung im All

So sehen die Magnetfelder der Zig-Millionen Lichtjahre entfernten Galaxien aus, die mit Hilfe des LOFAR in Norderstedt jetzt erstmals sichtbar gemacht werden konnten.
So sehen die Magnetfelder der Zig-Millionen Lichtjahre entfernten Galaxien aus, die mit Hilfe des LOFAR in Norderstedt jetzt erstmals sichtbar gemacht werden konnten. © Volker Heesen/Hamburger Sternwarte

Es handele sich dabei um Spiralgalaxien, die sich am Nordsternhimmel befinden und somit gut von Norderstedt aus beobachtbar sind. „Sie sind so groß wie unsere Milchstraße“, sagt Astrophysiker Heesen. Und auch sie bestünden aus Zig-Milliarden Sonnensystemen. Bislang seien diese Magnetfelder, die sich mit Gasen und interstellarer dunkler Materie um die Galaxie herum befinden, nur in theoretischen Berechnungen vorgekommen. „Mit neuen, sehr empfindlichen langwelligen Radio-Beobachtungen war ihre Existenz nun erstmals nachweisbar.“

Diese Magnetfelder spielen eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung von Galaxien, erklärt der Astrophysiker aus Hamburg. So regulierten sie den Transport von hochenergetischen Teilchen, die auf der Erde als kosmische Höhenstrahlung beobachtet werden können. Diese Strahlung, die seit dem Urknall unseres Universums vor etwa 13,8 Milliarden Jahre existiert, zeigt sich manchmal im Winter in Nordeuropa durch ein grünes Leuchten am nächtlichen Sternenhimmel, dem sogenannten Polarlicht. Jüngst war dieses grüne Leuchten sogar am Nachthimmel im Norden Schleswig-Holsteins zu bestaunen, was äußert selten der Fall ist.

Norderstedter LOFAR schickt Wellenberge ins Weltall

Weitere Aufnahme der Magnetfelder in weit entfernten Galaxien.
Weitere Aufnahme der Magnetfelder in weit entfernten Galaxien. © Volker Heesen/Hamburger Sternwarte

Die Magnetfelder im All beeinflussten auch die Entstehung und Entwicklung von Sternen und sie schützten uns Menschen hier auf der Erde vor dem schädlichen Einfluss des Sonnenwindes, erklärt Heesen. Das Radioteleskop, zu dem der Antennen-Standort Norderstedt gehört, sendet relativ lange elektromagnetische Wellen aus, deren Wellenberge zwei bis sechs Meter auseinander liegen. „Diese Wellen im sichtbaren Bereich bewegen sich sonst höchstens im Mikrometer-Bereich, also im Abstand von nur einem Millionsten Teil eines Meters“, erklärt der Experte.

Mit dieser Methode seien nun 183 der Erde recht nahe Galaxien danach untersucht worden, ob dort die erwarteten Magnetfelder auch wirklich zu sehen sind. „Das ist uns gelungen“, freut sich der Hamburger Weltallforscher. In einem im holländischen Groningen stationierten Super-Computer laufen die Daten aus Norderstedt und den anderen Stationen des Radioteleskops in Europa zusammen. Der Computer hat die Magnetfelder am Bildschirm erstmals sichtbar gemacht.

Entfernte Galaxien sollen in Zukunft in ihrer Struktur untersucht werden

Das Antennenfeld des Radioteleskops in Norderstedt am Harthagen.
Das Antennenfeld des Radioteleskops in Norderstedt am Harthagen. © Burkhard Fuchs

Die nun erstmals entdeckten sogenannten zirkumgalaktischen Magnetfelder hätten dabei eine äußerst schwache Feldstärke von nur 0,5 Mikrogauss, die in dem verdünnten Gas, das die Sterne umgibt, „bisher allen Nachweismethoden entkommen sind.“

In Zukunft sollte mit noch tieferen und besser aufgelösten Beobachtungen sogar die Struktur der Magnetfelder in einzelnen Galaxien zu untersuchen sein, hofft Heesen. „Das LOFAR-Teleskop wird dafür gerade mit verbesserten Empfängern ausgestattet.“ Auch das kosmische Rätsel von dunkler, sehr schwerer Materie, die auch schwarze Löcher sein können und die bisher ebenfalls noch nicht sichtbar gemacht werden konnte, ließe sich dann vielleicht ein Stück weit entschlüsseln, hofft der Astrophysiker.

Wissenschaft: Weltweit größtes Radioteleskop mit 52 Antennen-Stationen

Astrophysiker Volker Heesen im Herz des Radioteleskops – hier laufen die Daten des LOFAR aus Norderstedt auf.
Astrophysiker Volker Heesen im Herz des Radioteleskops – hier laufen die Daten des LOFAR aus Norderstedt auf. © Burkhard Fuchs

Mit dem in dieser Größe weltweit einmaligen Radioteleskop ist Norderstedt direkt an der Weltraumforschung beteiligt. Der langjährige ehemalige Werkleiter und Geschäftsführer von wilhelm.tel, Theo Weirich, betonte bei seiner Verabschiedung im Januar, dass er dies für seine wichtigste Errungenschaft in seiner 24-jährigen Amtszeit erachte. Das LOFAR-Teleskop habe er gegen Widerstände in der Verwaltung nach Norderstedt geholt, betonte Weirich. „Norderstedt schließt hier die Lücke ins Universum. Darauf kann die Stadt nur stolz sein.“

Das Low Frequency Array (LOFAR) ist derzeit das weltweit größte Radioteleskop, das Radiowellen im Kurzwellen- und Ultrakurzwellenbereich messen kann. Seine 52 Empfängerstationen sind über zehn europäische Länder verteilt. Das einzigartige Teleskop ermöglicht den Astronominnen und Astronomen ganz neue Erkenntnisse, etwa zur Aktivität der Sonne oder der Entwicklung des frühen Universums.

Das LOFAR, erforscht einen bisher kaum erfassten Frequenzbereich unterhalb von 240 Megahertz und besteht aus einer Vielzahl von kleinen Antennen einfacher Bauart. LOFAR setzt sich zusammen aus 38 Stationen in den Niederlanden, sechs Stationen in Deutschland und weiteren Stationen in Irland, Großbritannien, Frankreich, Polen, Italien, Bulgarien, Schweden und Lettland. Die Signale aller Stationen werden in einem leistungsstarken Computercluster zusammengeführt und ausgewertet.