Norderstedt. Kampf gegen zu hohes Tempo und Lärmbelastung: Mit welcher Taktik die Stadtverwaltung die Einnahmen verdreifachte.

Susi ist die effektivste, fleißigste und kostengünstigste Fachkraft des Norderstedter Rathauses – und dabei genügsam und ohne Urlaubsanspruch. Im Norderstedter Ordnungsamt hatte man der mobilen Radaranlage den sympathischen Kosenamen gegeben. Mutmaßlich wusste man dort schon, dass Susi der Verkehrsüberwachung und dem Kampf gegen Raserei und Lärm in Norderstedt zu ganz neuen Höhepunkten verhelfen würde.

Und im vergangenen Jahr lieferte Susi und trug einen Gutteil dazu bei, dass die Stadt nun die höchsten Bußgeldeinnahmen seit Start der Radarüberwachung des Verkehrs in seinen Stadtgrenzen im September 2016 erzielt hat. Knapp 2,7 Millionen Euro an Bußgeldern haben Susi, ihre acht stationären Radarsäulen-Kollegen und die bemannte Radarwageneinheit im vergangenen Jahr durch das Dokumentieren von Verkehrsverstößen erwirkt.

Blitzer: Susi sei Dank: Rekord-Bußgeldeinnahmen für Norderstedt

Das Innenleben des Blitzeranhängers Susi der Stadt Norderstedt. Er kann auch nach hinten blitzen.
Das Innenleben des Blitzeranhängers Susi der Stadt Norderstedt. Er kann auch nach hinten blitzen. © Burkhard Fuchs

Zum Vergleich: 2017, im ersten vollen Abrechnungsjahr und noch ohne Gewöhnungseffekt beim Autofahrer, waren es 2,3 Millionen Euro an Bußgeldern. Von da an ging es kontinuierlich bergab – weil schließlich der Verkehr sich zunehmend an die Regeln hielt. Zumindest vor den bekannten, stationären Radarsäulen: 2018 waren es nur noch 1,3 Millionen Euro, 2019 kamen 1,2 Millionen Euro zusammen, 2020 sank der Betrag auf 977.000 Euro und im vorigen Jahr auf den Tiefstand von 904.000 Euro.

Angesichts von knapp 620.000 Euro an Ausgaben für Geräte und Personal 2021 war also abzusehen, dass sich Kosten und Einnahmen weiter annähern würden – und bei zunehmender Gewöhnung der Autofahrer an die Radarsäulen in der Stadt sogar ein Minus unter dem Strich entstehen könnte.

Neue Taktik: Weg vom stationären, hin zum mobilen Blitzen

Also änderte das Ordnungsamt die Taktik: Weg vom stationären, hin zum mobilen „Blitzgewitter“. Die fest im Boden verankerten Radarsäulen zur Geschwindigkeitsüberwachung an der Oadby-and-Wigston-Straße und der Poppenbütteler Straße wurden abgebaut.

Feste Säulen gegen Raserei gab es 2022 nur noch an der Schleswig-Holstein-Straße und der Niendorfer Straße. Dazu – ausschließlich zur Rotlichtüberwachung – auf der Ohechaussee (Höhe Schäferkamp), auf den Großkreuzungen der Poppenbütteler Straße und der Stormarnstraße mit der Schleswig-Holstein-Straße und an der Kreuzung Hummelsbütteler Steindamm mit Poppenbütteler Straße.

Radaranhänger Susi machte über 10.000 Fotos von Rasern

Und Radaranhänger Susi ging in ihr erstes volles Einsatzjahr. Versteckte sich mehr oder weniger sichtbar am Straßenrand der Oadby-and-Wigston-Straße und der Poppenbütteler Straße, ebenso an der Ochsenzoller Straße und an der Tangstedter Landstraße. Und machte dabei 10.689 Aufnahmen von Verkehrssündern, die meisten auf der Oadby-and-Wigston-Straße, nämlich 7400.

10.689 Fälle – so viele hatten in den Jahren zuvor die beiden für Susi abgeschafften stationären Radarsäulen an der Oadby-and-Wigston-Straße und der Poppenbütteler Straße noch nicht mal gemeinsam geschafft. Was auch zeigt, dass es auf beiden Straßen nach wie vor ein hohes Potenzial an Geschwindigkeitsverstößen gibt – die Raser bremsten aber offenbar vor den bekannten Blitzersäulen rechtzeitig ab.

Erschreckend: Auf der Niendorfer Straße waren 41.699 Autos zu schnell

41.699 Autos wurden 2022 auf der Niendorfer Straße vor der Grundschule geblitzt.
41.699 Autos wurden 2022 auf der Niendorfer Straße vor der Grundschule geblitzt. © Christopher Mey

Paradox erscheint es da, dass 2022 ausgerechnet einer der verbleibenden stationären Blitzer ein geradezu erschreckend hohes Ergebnis erzielte. Obwohl jeder in Norderstedt die Radarsäule vor der Grundschule Niendorfer Straße in Garstedt gut kennen dürfte und weiß, das hier aus Rücksicht auf Anwohner und zur Sicherheit der Kinder Tempo 30 gilt, wurden hier 41.699 Geschwindigkeitsübertretungen dokumentiert. Mehr als viermal so viele wie 2021 und fast zehnmal so viele wie 2020.

Dagegen wirken die Fallzahlen der Radarsäule auf der Schleswig-Holstein-Straße (11.904) und der bemannten Radarwageneinheit der Stadt (867) geradezu mickrig. Die Ergebnisse der Radarsäulen zur Rotlichtüberwachung stehen sogar in einem schlechten Verhältnis zum finanziellen Aufwand.

118.248 Euro an Kosten machen sie im Jahr, bei gerade mal 1226 dokumentierten Fällen, allein 641 davon auf der Ohechaussee. Kein Wunder, dass die Stadt den Rotlichtblitzer am Hummelsbütteler Steindamm (259 Fälle und überwiegend Rettungsfahrzeuge mit Sonderrechten) jetzt auf die Ohechaussee, Ecke Am Böhmerwald versetzt hat.

Blitzer: Bußgelder sorgen für positives Ergebnis im Ordnungsamt

Was die Finanzierung der Verkehrsüberwachung in Norderstedt angeht, sieht die Endabrechnung 2022 nun weitaus positiver aus als noch 2021. Von den exakt 2,697 Millionen Euro an Bußgeldern muss die Stadt 596.600 Euro an Gerät- und Personalkosten abziehen und kommt damit auf ein Ergebnis von 2,1 Millionen Euro – siebenmal mehr als 2021. Der Aufwandsdeckungsgrad der Verkehrsüberwachung liegt damit bei schwindelerregenden 452 Prozent.

Die Bußgelder sorgen auch dafür, dass das Ordnungsamt als Verwaltungseinheit mit einem positiven Ergebnis von 564.000 Euro in 2022 dasteht. 2021 wurde noch mit einem Minus von 1,4 Millionen Euro abgeschlossen.

Im vergangenen Jahr haben die Bußgelder aber alle Negativ-Ergebnisse bei den Einwohnermeldeangelegenheiten, im Standesamt, bei der Verkehrsaufsicht, bei den allgemeinen Ordnungsaufgaben und im zentralen Bürgerservice mehr als ausgeglichen.

Bleibt zu hoffen, dass Susi und die Radarsäulen nicht nur für Einnahmen, sondern auch für weniger Lärmbelästigung der Anwohnerinnen und Anwohner in der Stadt und deutlich weniger Raserei auf Norderstedts Straßen sorgen. Das lässt sich allerdings deutlich schwerer ermitteln als die Bußgeldeinnahmen.