Norderstedt. „Orientierung im Dschungel von Ausbildung und Beruf“: Das soll ein Info-Tag speziell für Migranten in Norderstedt bieten.

Eigentlich ist die Situation paradox. Auf der einen Seite gibt es sehr viele offene Stellen – der Fachkräftemangel ist in Norderstedt und Umgebung allerorten spürbar. Auf der anderen Seite kommen viele Menschen in die Region, aus Ländern wie der Ukraine, Syrien oder Afghanistan. Sie wollen arbeiten, können aber oft nicht, weil Qualifikationen fehlen oder nicht anerkannt werden. Und manch einer findet sich ganz einfach nicht zurecht im deutschen System.

Etwas Abhilfe schaffen wollen die Initiatoren des „Aktionstags Arbeit und Ausbildung“ am Mittwoch, 22. Februar, in Norderstedt. Hier soll beides zusammengebracht werden: Migranten aller Altersstufen, die arbeiten oder sich weiterbilden möchten und die, die Nachwuchs und Arbeitskräfte suchen. Außerdem sind viele Menschen vor Ort, die beraten können. Die Stadt Norderstedt organisiert den Tag, zusammen mit zahlreichen Organisationen.

Norderstedt: „So viele Stellen wie nie“ – Aktionstag für Zugewanderte

„Das Angebot richtet sich an alle in Norderstedt lebenden, zugewanderten Menschen“, sagt Heide Kröger, Integrationsbeauftragte der Stadt. Diesen soll mit der Veranstaltung geholfen werden, „sich im Dschungel des deutschen Systems von Ausbildung und Beruf zu orientieren“. Denn für nicht wenige sei das ein „schwieriges Feld“, zumal es in manchen Ländern formale Berufsausbildungen gar nicht gebe.

Der Aktionstag wird im Kulturwerk am See von 11 Uhr an stattfinden und wie eine Art Messe gestaltet. 17 Institutionen und Akteure werden vor Ort sein – darunter die Handwerkskammer, die Handelskammer, die Landwirtschaftskammer, die Agentur für Arbeit, das Jobcenter und verschiedenste Beratungsstellen für Migranten, etwa die Norderstedter Beratungsstelle „Interpunkt“ oder das Projekt B.O.A.T. (Beratung, Orientierung, Arbeit und Teilhabe) des Kirchenkreises Hamburg-West/Südholstein.

Kontakte knüpfen – und erfahren, welche Berufe man überhaupt lernen kann

Welche Arten von Hilfe gibt es für die Besucher? Es geht darum, Kontakte zu knüpfen, Ansprechpartner kennenzulernen, zum Beispiel bei der Handwerkskammer, die einen dann an Unternehmen weitervermitteln können. Und um Orientierung, welche Berufe es überhaupt gibt, die man lernen kann – und dann auch darum, wie man Bewerbungsunterlagen erstellt, welche Kostenübernahmen es gibt, wie man Berufsabschlüsse anerkennen lässt.

Gerade die Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen ist für viele Zuwanderer in Deutschland eine zeitraubende, oft frustrierende Erfahrung. Um hier zumindest etwas Licht ins Dunkel zu bringen, werden beim Aktionstag Vertreter einer Anerkennungs-Beratung aus Hamburg vor Ort sein.

Jobcenter Norderstedt: „Es gibt so viele Stellen auf dem Markt wie nie“

Dass es einen großen Bedarf am Arbeitsmarkt gibt, betont Susanne Kramer vom Jobcenter Norderstedt: „Es gibt so viele Stellen auf dem Markt wie nie.“ Auf der anderen Seite gebe es im Kreis Segeberg etwa 4800 zugewanderte Personen, die „in Bezügen sind“, also derzeit Leistungen beziehen.

„Darunter sind etwa Personen, die Sprachkurse machen. Manche erledigen auch Helferjobs, müssen aber aufstocken.“ Viele wollten sich gerne weiterbilden: „Wir beraten aktuell ungefähr 50 junge Leute, die gerne eine Ausbildung machen möchten und weitere 100 Menschen, die gerne ihren Berufsabschluss erweitern wollen.“

Menschen aus anderen Kulturen haben „sehr großen Beratungsbedarf“

Elena Wrede berät Geflüchtete, die in Norderstedt leben, in der Beratungsstelle Interpunkt. Auch sie spricht von einem „sehr großen Beratungsbedarf“, den Menschen aus der Ukraine, aber auch aus Ländern wie Syrien, Afghanistan oder dem Iran hätten. Die Qualifikationen seien sehr unterschiedlich „vom fehlenden Schulabschluss bis zur Promotion“.

Sie sollen „die Chance haben, dauerhaft hier anzukommen“, sagt Norderstedts Sozialdezernentin Katrin Schmieder. Heide Kröger ergänzt: „Wir sind mittlerweile eine sehr, sehr internationale Stadt. Hier leben Menschen aus 140 Nationen der Welt.“ Das Potenzial für den Arbeitsmarkt sei, gerade in Zeiten des Fachkräftemangels, also sehr groß – müsse aber noch „gehoben“ werden.

Initiatorinnen des Aktionstages „Arbeit und Ausbildung
Initiatorinnen des Aktionstages „Arbeit und Ausbildung" in Norderstedt (v.l.): Raphaela Shorina (Projekt B.O.A.T. des Diakonischen Werks Hamburg-West/Südholstein), Sozialdezernentin Katrin Schmieder, Integrationsbeauftragte Heide Kröger, Elena Wrede (Beratungsstelle Interpunkt) und Susanne Kramer (Jobcenter Norderstedt). © FMG | Claas Greite

Chance gerade für junge Leute: Freiwilliges Soziales oder Ökologisches Jahr

Dabei soll nun der Aktionstag helfen. Neben Jobs, Anerkennungen, Ausbildungsberufen und Abschlüssen soll es auch um Freiwilligendienste wie das Freiwillige Soziale Jahr, das Freiwillige Ökologische Jahr oder das Freiwillige Soziale Jahr Kultur gehen. Diese – bezahlten – Tätigkeiten könnten eine interessante Alternative gerade für jüngere Menschen mit Migrationshintergrund sein, sagt Raphaela Shorina vom Projekt B.O.A.T.

Die Veranstaltung kann zu zwei Uhrzeiten besucht werden – sie beginnt einmal um 11 Uhr und dann noch einmal um 13 Uhr. Wer kommen möchte, sollte sich vorher anmelden, damit sich die Organisatoren besser auf die Besucher einstellen können.

Am Anfang wird übersetzt, aber individuelle Gespräche sollen auf Deutsch stattfinden

Deutschkenntnisse sind nicht zwingend erforderlich. „Am Anfang stellen sich die Institutionen in kleinen Vorträgen vor. Das wird von Dolmetschern in mehrere Sprachen übersetzt“, sagt Raphaela Shorina. Die anschließenden Gespräche an den Ständen sollen dann aber auf Deutsch stattfinden. Dafür sind „gefestigte Grundkenntnisse in der Sprache ratsam“, sagt Heide Kröger.

Wer noch nicht gut Deutsch spricht, soll trotzdem gerne zum Aktionstag kommen – dann aber idealerweise in Begleitung einer Person, die ein bisschen bei den individuellen Gesprächen helfen und gegebenenfalls übersetzen kann.

Norderstedt: Info-Abend zum Chancenaufenthaltsrecht

Ergänzend zum Aktionstag organisiert die Diakonie auch für Montag, 27. Februar, einen Informationsabend zum Chancenaufenthaltsrecht. Das ist eine neue Möglichkeit für Geduldete, einen anderen Status in Deutschland zu bekommen – mit Beschäftigungserlaubnis.

Aktionstag „Arbeit und Ausbildung“, Mi, 22. Februar, Beginn: 11 und 13 Uhr, Kulturwerk am See, Am Kulturwerk 1, Norderstedt. Anmeldung mit Namen und gewünschter Uhrzeit (11 oder 13 Uhr) per E-Mail an: . Info-Abend zum Chancenaufenthaltsrecht, Mo, 27. Februar, 17 Uhr (arabisch/englisch/deutsch) und 18.30 Uhr (farsi/englisch/deutsch), Interpunkt, Rathausallee 72, Norderstedt. Anmeldung per E-Mail an .