Henstedt-Ulzburg. Henstedt-Ulzburgs zweitgrößter Verein wird 75 Jahre alt. Warum es sein kann, dass die Erfolgsgeschichte bald endet.

Das ist eine Erfolgsgeschichte – allerdings eine mit ungewissem Ausgang. Vor 75 Jahren, am 31. Oktober 1948, wurde in Henstedt-Ulzburg ein Verein gegründet, der bis heute eine maßgebliche Rolle im Ortsgeschehen spielt: BürgerAktiv, früher Hausfrauenbund, ist mit 769 Mitgliedern der zweitgrößte Verein im Ort und dazu einer, der omnipräsent ist und aus dem öffentlichen Leben kaum wegzudenken ist. Jetzt allerdings muss ein Rettungsring ausgeworfen werden. Die meisten Mitglieder sind alt, für die Vorstandsarbeit gibt es kaum Interessenten. Wie geht es weiter mit BürgerAktiv?

Kontinuität spielt in diesem Verein eine große Rolle: In den 75 Jahren seit Gründung gab es mit Emma Gaertner, Anneli Schefe, Birgit Sommer und aktuell Annemarie Wenk gerade mal vier Vorsitzende. Nach der ersten Vorsitzenden, Emma Gaertner, wurde im Ortsteil Ulzburg sogar eine Straße benannt. Sie gründete gemeinsam mit 41 anderen Frauen den Hausfrauenbund Henstedt-Ulzburg, dessen erste Aufgabe es war, Spendengelder zu sammeln, um die Gemeindeschwester bezahlen zu können.

Ehrenamt: Hilferuf von BürgerAktiv – weil zu wenige Bürger aktiv sind

Die Boßelgruppe von BürgerAktiv erfreut sich großer Beliebtheit. Aktiv sind in den meisten Gruppen allerdings hauptsächlich Frauen.
Die Boßelgruppe von BürgerAktiv erfreut sich großer Beliebtheit. Aktiv sind in den meisten Gruppen allerdings hauptsächlich Frauen. © Annemarie Wenk

Im Laufe der Zeit entwickelte sich eine Schwesternstation mit mehreren Mitarbeiterinnen, aus der die heutige Sozialstation des DRK hervorging. Und so lief es weiter: Der Hausfrauenbund unterstützte sozial schwache Familien, organisierte Seniorenarbeit und weitete die Aktivitäten immer weiter aus, bis daraus schließlich eine Organisation wurde, die nahezu jeden Lebensbereich abdeckt, zahllose Veranstaltungen und Reisen organisiert. Seit 1993 ist die Kulturkate der Gertraud und Heinz Manke-Stiftung an der Beckersbergstraße die Heimat des Vereins, der 2002 in BürgerAktiv Henstedt-Ulzburg e.V., umbenannt wurde.

Auch für die Frühjahrs- und Sommermonate 2023 wurde wieder ein umfangreiches Programm aufgelegt und bereites in der 24. Auflage der Broschüre „Zeitlupe“ veröffentlicht. Am Sonnabend, 11. Februar, wird das neue Programm öffentlich vorgestellt (15 Uhr im Bürgerhaus).

Es gibt zu wenige, die sich aktiv engagieren wollen

Es geht also seinen gewohnten Gang bei BürgerAktiv – und doch macht sich bei Mitgliedern und im Vorstand Unruhe breit. Annemarie Wenk, seit Jahrzehnten aktiv im Verein und seit 2017 Vorsitzende, nennt die Probleme beim Namen: „Es gibt zu wenige, die sich aktiv engagieren wollen, außerdem ist der Verein überaltert.“ Das kann sie anhand von Zahlen belegen: 469 Mitglieder sind 75 Jahre alt oder älter, 238 Mitglieder sind zwischen 66 und 75 Jahre alt, 58 zwischen 51 und 65 und nur vier Mitglieder sind jünger als 51 Jahre.

Wenn weiterhin so wenig jüngere Frauen und Männer in den Verein eintreten, kann sich jeder ausrechnen, wie schnell sich die Gesamtmitgliederzahl reduziert. Was ist der Grund für diese Entwicklung, die vom gesamten Vorstand mit Sorge betrachtet wird? Annemarie Wenk hat darauf keine schlüssige Antwort. „Vielleicht liegt es immer noch am alten Namen Hausfrauenbund“, mutmaßt sie.

Immer gut besucht: Die musikalischen Frühschoppen von BürgerAktiv im Bürgerhaus.
Immer gut besucht: Die musikalischen Frühschoppen von BürgerAktiv im Bürgerhaus. © Annemarie Wenk

Wurde zu lange am alten Namen Hausfrauenbund festgehalten?

Tatsächlich gibt es nicht wenige im Ort, die befürchten, dass der Name, an dem 54 Jahre festgehalten wurde, das Image nachhaltig negativ geprägt hat. Bevor es 2002 zur Namensänderung kam, war heiß und kontrovers diskutiert worden. Manche hätten den alten Namen gerne behalten, obwohl das Programmangebot schon längst auf eine neue Zielgruppe ausgerichtet war. Schließlich setzte sich eine Mehrheit mit der Ansicht durch, dass ein Hausfrauenbund einfach nicht mehr in die Zeit passt.

Es gibt heute noch die Besuchsdienste, es werden die Seniorenweihnachtsfeiern der Gemeinde und die Blutspendetermine des DRK unterstützt, aber das Augenmerk liegt mehr bei den Freizeitaktivitäten. Senioren können Italienisch lernen, es gibt Filmvorführungen, Konzerte, Vorträge, Tages- und Mehrtagesfahrten, Gedächtnistraining, Boßeln, Radfahren, Yoga, einen Literaturkreis, Mal- und Handarbeitsgruppen, Spielenachmittage, gemeinsames Wandern, eine PC-Sprechstunde und einen Fahrdienst.

Angebote und Kontaktmöglichkeiten für Menschen in der zweiten Lebenshälfte

„Der Verein versteht sich als Begegnungsangebot und als Kontaktmöglichkeit für Menschen in der zweiten Lebenshälfte“, sagt Annemarie Wenk. Das hat BürgerAktiv vor allem nach Pandemie und Lockdown gespürt: Es wurden viele neue Mitglieder aufgenommen, die Kontakte in der Gemeinde suchen. Einige der regelmäßig stattfindenden Gruppen (Spielenachmittag, Wandern, Radfahren und andere) sind so überlaufen, dass zur Zeit wegen starker Nachfrage keine neuen Teilnehmer aufgenommen werden können.

All das muss organisiert werden. Seit 2017 werden diese Arbeiten in verschiedenen Arbeitskreisen und vom Vorstand erledigt. Außerdem gibt es einen Pool von Helfern in unterschiedlichen Bereichen und Gruppenleitern für die regelmäßiges Angebot. Aber auch hier gibt es Auflösungserscheinungen. Annemarie Wenk: „Nun sind wir in der Situation, dass diese aktiv Tätigen auch älter geworden sind oder bereits über sehr lange Zeit im Verein gewirkt haben.“ Nicht jeder kann oder will bis in alle Ewigkeiten aktiv sein.

Spielenachmittage in der Kulturkate gehören zu den dauerhaften Angeboten des Vereins. Die Mitglieder nutzen diese Möglichkeit sehr gerne.
Spielenachmittage in der Kulturkate gehören zu den dauerhaften Angeboten des Vereins. Die Mitglieder nutzen diese Möglichkeit sehr gerne. © Annemarie Wenk

Es gibt keinen Schriftführer, die Vereinsvorsitzende kandidiert nicht mehr

Der Schriftführerposten ist seit über zwei Jahren vakant, Annemarie Wenk selbst ist 69 Jahre alt und will nach sechs Jahren als Vorsitzende nicht noch einmal kandidieren. Für BürgerAktiv ist das ein Dilemma. „Um das Angebot in der Gemeinde für unsere älteren Bewohner aufrechterhalten zu können, benötigen wir dringend Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren möchten“, sagt die Vorsitzende. „Das betrifft alle Bereiche des Vereins.“

Wie es jetzt weitergehen soll - keiner weiß es. Aus Henstedt-Ulzburg ist der Verein nicht wegzudenken, um aber weiterbestehen zu können, muss zunächst ein neuer Vorstand gewählt werden, der dann wiederum alles daran setzt, den Verein zu verjüngen. Bisher allerdings hat sich niemand bereiterklärt, den Vereinsvorsitz zu übernehmen.