Norderstedt. Was macht der Ochse auf dem Kreisel? Wann wurde die rotlackierte Stahlplastik aufgestellt? Ein neuer Bildband klärt auf.

Karsten Bensel fiel bei seinen Radtouren auf, dass an vielen der mehr als 200 Skulpturen und Figuren im öffentlichen Raum in Norderstedt keine Hinweise stehen, was sie darstellen, wann sie entstanden sind, wer sie entworfen und gearbeitet hat.

Karsten Bensel ist Vorstandsmitglied des Seniorenbeirats und ging mit seinem Anliegen zu Kulturamtsleiter Dieter Powitz, der Bensels Kritik sofort aufnahm und das Thema „Kunst im öffentlichen Raum Norderstedt“ grundsätzlich neu anpackte.

Norderstedt: „Noch viel Luft nach oben“ bei der Kunst im öffentlichen Raum

Als Ergebnis von Bensels Initiative ist nun der Bildband „46 Kunstobjekte im öffentlichen Raum – Stadt Norderstedt“ im Kieler Verlag Ludwig erschienen. Als zweites sollen die Inhalte des Buches auf einer eigenen Homepage im Internet nachlesbar sein, und als drittes erhalten die Kunstwerke im öffentlichen Raum endlich Hinweisschilder, zumindest die, die im Buch beschrieben sind.

„Ich wünsche mir, dass sich die Norderstedter mit der Kunst auseinandersetzen, die ihnen jeden Tag begegnet“, sagt Powitz. Er konnte auf die von seiner Vorgängerin Gabriele Richter erstellte Liste „Kunst im öffentlichen Raum Norderstedt“ zurückgreifen und bat damit Professor Dr. Klaus Gereon Beuckers vom Lehrstuhl für Kunstgeschichte, dem Kunsthistorischen Institut der Christian-Albrechts-Universität Kiel, die öffentliche Kunst in Norderstedt zu erforschen. Beuckers machte aus dieser Bitte mit seiner Kollegin Dr. Susanne Schwertfeger ein Projekt mit seinen Studierenden.

„Ich habe mir das angeguckt, doch als ich auf die Plastik ,Emmausweg – Auf dem Weg sein’ stieß, die Bernadette Hörder 2009 schuf, sagte ich mir, wenn diese Künstlerin für Norderstedt arbeitet, dann muss ich mir auch alles andere angucken“, sagt Beuckers und ergänzt: „Wir haben auch Sachen entdeckt, die noch gar nicht erforscht waren.“

Manches ist Kunst, manches eher Kunsthandwerk

Hörders Plastik aus rotlackiertem Stahl steht vor der Paul-Gerhardt-Kirche am Alten Buckhörner Moor und ist der erste Teil einer Serie, die den Emmaus-Pilgerweg zur Schwestergemeinde Christuskirche an der Kirchenstraße markieren soll. Doch von den weiteren Skulpturen wurde nur die Stele vor der Christuskirche realisiert. Beide zeichnet eine klare Formensprache im angenehmen Kontrast zur ihrer ländlichen Umgebung aus.

Norderstedt hat indes auch Skulpturen und Figuren, die eher nicht als Kunst, sondern als Kunsthandwerk bezeichnet werden sollten, beispielsweise die Arbeiten von Hans-Werner Könecke, darunter die „Regentrude“ auf dem Rathausmarkt oder die lustigen Figuren „Max und Moritz“, die der Schmiedekunsthandwerker Alfred Schmidt aus Trappenkamp 1993 für den Wilhelm-Busch-Platz arbeitete.

Was macht eigentlich der Ochse auf dem Kreisel?

Gleich nebenan, auf dem Kreisel Segeberger Chaussee/Schleswig-Holstein-Straße, steht der schwarzweiße Ochse als Symbol für den einstigen Ochsenschmuggel. Auch er fand den Weg in den neuen Bildband. Wieder andere Figuren vermitteln eher einen satirischen Eindruck wie „Augen und Ohren“ des Architekten Timm Ohrt vor dem Kinocenter an der Rathausallee mit quietschgelben Ohren und wasserblauen Augen (2008).

Professor Dr. Klaus Gereon Beuckers, Institut für Kunstgeschichte der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (links), mit Dieter Powitz, Amtsleiter Kultur Norderstedt, vor der Regentrude von Hans-Werner Könecke auf dem Rathausmakt, Rathausallee 50.
Professor Dr. Klaus Gereon Beuckers, Institut für Kunstgeschichte der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (links), mit Dieter Powitz, Amtsleiter Kultur Norderstedt, vor der Regentrude von Hans-Werner Könecke auf dem Rathausmakt, Rathausallee 50. © Heike Linde-Lembke | Heike Linde-Lembke

In dem Bildband sind auch Kunstwerke von Norderstedter Künstlerinnen und Künstlern mit Fotos und eingehender Beschreibung verzeichnet, darunter „Rehe“, die Heinz Knopp 1958 als „Kunst am Bau“ für die Grundschule Friedrichsgabe schuf, „Musikanten / Silhouette einer Stadt“ von Lilo Peters (1977) am Festsaal am Falkenberg bis zur „Triformation“, mit der Ane Königsbaum am Stadtmuseum ein Querverweis zum Grundriss der „TriBühne“ am Rathaus gelang (2003).

Künstler Jan Koblasa schuf besonders bedeutende Werke

Von herausragender Bedeutung sind die Werke von Jan Koblasa am Norderstedter Amtsgericht mit dem großen Bronze-Relief an der Eingangstür, den Reliefs in den Gerichtsgängen und der Bronze-Stele „Labyrinth des Lebens“ auf dem Gerichtsplatz. Jan Koblasa schuf unter anderem auch Altar und Orgelprospekt in der Vicelin-Schalom-Kirche am Immenhorst.

Buntglasfenster zeigt der Bildband mit Uwe Fossemers Serie in der Mensa des Schulzentrums Süd, die je nach Lichteinfall die Regenbogenfarben durch die Mensa wandern lassen.

Auch Arbeiten des Norderstedter Bildhauers Thomas Behrendt sind im Band vertreten

Natürlich sind auch die Werke des Norderstedter Bildhauers Thomas Behrendt vertreten, sein „Atlas“ im Willy-Brandt-Park, sein „LuftSchiff“ am Lessing-Gymnasium ebenso wie seine Gruppe „Familie“ auf dem Kreisel Ochsenzoller Straße/Berliner Allee, über die die Norderstedter so heftig stritten. Thomas Behrendt, wie Ane Königsbaum Kulturpreisträger der Stadt, hatte eine Figuren-Trilogie geplant.

Zwei weitere Werke sollten auf dem Kreisel Achternfelde/Ochsenzoller Straße und Berliner Allee/Kohfurth entstehen. Doch die Norderstedter Politik sprach sich statt für Kunst für Begrünung der Kreisel aus.

Norderstedt: Bildband ist der Auftakt zu einer neuen Buchserie

„Es gibt in Norderstedt noch ohne Ende Kreuzungen, die mit Kunst bestückt werden könnten, doch wir wollen zwischen Kunst und Natur keine Konkurrenz entstehen lassen“, sagt Beuckers und ergänzt: „Wir vom historischen Institut wollen Schleswig-Holsteins Kunst im öffentlichen Raum systematisch erarbeiten, aber wir werten nicht, sondern suchen den Kontext.“

Der Bildband spiegelt das gesamte Spektrum über Kunsthandwerk bis zu anspruchsvoller Kunst wider. Viele ältere Werke entstanden während der drei Internationalen Bildhauer-Symposien 1976, 1980 und 1985 mit Künstlern wie Walter Arno und Isidor Guitérrez Alfaro, Sabine und Pierre Schumann, Yoshito Fugibe bis zu Nardo Dunchi. Der Norderstedter Band der Kieler Uni ist der Auftakt zu einer Buchserie über Kunst im öffentlichen Raum in Schleswig-Holstein. Der zweite Band soll die Kunst auf dem Campus der Kieler Universität thematisieren.

„Norderstedt steht mit der Kunst im öffentlichen Raum gut da, aber es ist noch viel Luft nach oben, beispielsweise auf den Kreiseln“, sagt Beuckers und verweist auf die Bildhauer-Symposien als Impulsgeber. „Es ist an der Zeit, das wieder zu beginnen“, sagt der Professor für Kunstgeschichte.

46 Kunstobjekte im öffentlichen Raum, Band 1, Norderstedt, Klaus Gereon Beuckers. 200 Seiten, 14,90 im Buchhandel.