Kreis Segeberg. Bis Jahresende werden bis 5000 Geflüchtete neu in den Kreis gekommen sein. Welche Notlösung derzeit intensiv geprüft wird.

Es sind Zahlen, die es so im Kreis Segeberg noch nicht gegeben hat. Bis zu 5000 Flüchtlinge beziehungsweise Asylsuchende werden bis Jahresende aller Voraussicht angekommen sein in der Region. Zum Vergleich: Das wären mehr als 2015 (2191 Menschen), 2016 (1699) und 2017 (406) zusammengezählt. Die Bereitschaft zur humanitären Hilfe, insbesondere unter dem Eindruck des Krieges in der Ukraine, ist groß – aber die Belastung steigt für Kommunen, Verwaltungen, Ehrenamtliche.

„Bei der derzeitigen Situation handelt es sich um die größte Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg“, so Kreissprecherin Sabrina Müller. „Es handelt sich neben den wieder ansteigenden Asylverfahren und der EU-Binnenmigration um eine zusätzliche, große Herausforderung, die nur gemeinsam bewältigt werden kann.“

Kreis Segeberg: Kommunen schlagen Alarm – Möglichkeiten „nahezu erschöpft“

Landrat Jan Peter Schröder beschreibt auf Abendblatt-Nachfrage die Situation, wie sie ihn aus den Städten, Gemeinden, von Amtsverwaltungen oder von Helferinnen und Helfern berichtet wird. „Einzelne Kommunen des Kreises Segeberg melden, dass die Möglichkeiten der Unterbringung nahezu erschöpft sind, sodass dort darüber nachgedacht wird, möglicherweise auch wieder Turnhallen für Geflüchtete zu öffnen“, so der Verwaltungschef.

Haupt- und Ehrenamtliche würden sich seit Wochen und Monaten „teilweise über die Belastungsgrenze hinaus“ engagieren. „Nur so gelingt es bislang überhaupt, die Situation halbwegs beherrschen zu können. Für diesen nicht selbstverständlichen Einsatz möchte mich daher bei allen Beteiligten ganz herzlich bedanken.“

Rund 3000 Menschen aus der Ukraine kamen 2022 bisher in den Kreis

Im Kreis Segeberg leben laut Verwaltung 31.688 Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit, davon haben 11.193 eine EU-Staatsbürgerschaft oder direkte Verwandte. Allein aus der Ukraine wurden in diesem Jahr 3000 Vertriebene aufgenommen. „Zudem befinden sich zusätzlich rund 740 Menschen in laufenden Asylverfahren und circa 870 nach Ablehnung im Duldungsstatus“, so Sabrina Müller.

Landrat Jan Peter Schröder berichtet von Haupt- und Ehrenamtlichen, die teilweise über die Belastungsgrenze hinaus gehen.
Landrat Jan Peter Schröder berichtet von Haupt- und Ehrenamtlichen, die teilweise über die Belastungsgrenze hinaus gehen. © Christopher Mey

Die Zahl von Asylbewerbern aus Syrien und Afghanistan steigt. Aber wie schwierig die Situation noch wird, hängt nicht unwesentlich von der Entwicklung in der Ukraine ab. Die sei „dynamisch“, sagt der Landrat. „Entsprechend schwankt auch die Zuweisungszahl der Ukrainerinnen und Ukrainer. Mal kommen nur zwei Geflüchtete aus der Ukraine, mal sind es 20 Personen pro Woche. Derzeit ist die Zuweisungszahl auf stetigem Niveau, eine Steigerung ist aufgrund der klimatischen und politischen Verhältnisse in der Ukraine aber anzunehmen.“

Deswegen wird intensiv geprüft, wie Kommunen entlastet werden können. Eine nahe liegende Option: die ehemalige Klinik des Forschungszentrums Borstel. In diesem Jahr war diese bereits über Monate genutzt worden, bis zu 250 Menschen könnten theoretisch in den alten Stationsräumen leben. Als zeitweise die Zahl der ankommenden Personen zurückging, wurde der Standort wieder geschlossen. Schröder bestätigt, dass über eine mögliche Reaktivierung wieder gesprochen werde. „Die offenen Finanzierungsfragen werden mit dem Land erörtert. Eine Entscheidung befindet sich somit aktuell noch in der Abstimmung mit allen Beteiligten.“ Weitere Notunterkünfte seien nicht geplant.

Landrat Schröder: Land soll mehr Kapazitäten schaffen – und die Kosten übernehmen

Grundsätzlich würde sich Schröder von der Landesregierung wünschen, dass diese in den Landesunterkünften mehr Kapazitäten schafft. Das wären im Kreis die ehemalige Rantzau-Kaserne in Boostedt (1435 Plätze) und der Levo-Park in Bad Segeberg (1203 Plätze). Der Landrat: „Die dort untergebrachten Personen sollten dort länger verbleiben als bisher, damit die Kommunen die Möglichkeit haben, für ausreichend Unterkünfte zu sorgen. Die Ankündigung, welche Personen den Kreises zugewiesen werden, sollte mindestens vier Wochen betragen.“

Ein weiteres dringendes Thema sind die Kosten. „Zur Entlastung kann ebenfalls beitragen, dass das Land sich bereiterklärt, die finanziellen Aufwendungen für Herrichtung und Pflege der Unterkünfte und Wohnungen sowie den Betrieb und die Betreuung der Unterkünfte nicht nur der Kreise, sondern auch der Städte, Ämter und Gemeinden zu übernehmen.“