Norderstedt. Bündnis „Rosa Kreuz“ will auf das Leid in der Massentierhaltung aufmerksam machen. Die Forderungen gehen aber viel weiter.

Nennenswerte politische, gesellschaftliche oder soziale Bewegungen, die weit über die Stadtgrenzen wirken, sind bislang nicht aus Norderstedt entstanden. Vielleicht ändert sich das mittel- bis langfristig. Denn eine Organisation, die hier ihren Sitz hat, sucht die Öffentlichkeit, will sichtbar werden – und hat ein brandaktuelles Thema, das hoch emotional diskutiert wird: die Massentierhaltung.

Aufgetaucht ist das „Rosa Kreuz“ kürzlich auf mehreren Demonstrationen von „Fridays for Future“: in Rostock, in Göttingen, München, Kassel, sogar in der estnischen Hauptstadt Tallinn. Das tragende Symbol ist versehen mit Botschaften: „Artgerecht statt ungerecht“ und „Tierleid jetzt stoppen“. Die Farbe soll an die Hautfarbe von Schweinen erinnern, die unter Bedingungen der Massentierhaltung mit Kastenständen in großen Anlagen sehr leiden. Kreuze sind in Protestbewegungen etabliert, ob nun gegen Atommülltransporte im Wendland oder gegen Braunkohleabbau in Nordrhein-Westfalen.

„Rosa Kreuz“: Eine in Norderstedt entstandene Initiative kämpft gegen die Tierindustrie

Moritz Enshaie ist der Projektleiter. Er studiert Wirtschaftsingenieurwesen in Leipzig. „Wir sind ein Zusammenschluss vieler Vereine und Privatpersonen. Zusammen bilden wir das Projekt ‚Rosa Kreuz‘.“ Im Hintergrund steht „Animals – a crime“, eine gemeinnützige Gesellschaft aus Norderstedt. Dort lebt ihr Gründer, Christian Schleuning. Dieser ist auch Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig. Und so kam die Verbindung zustande. „Er ist an mich herangetreten und hat mich gefragt, ob ich in der Organisation mitmachen möchte.“

Der BWL-Professor Christian Schleuning aus Norderstedt ist Gründer von „animals - a crime“. Er sagt: Was in der Massentierhaltung geschieht, ist ein Verbrechen.
Der BWL-Professor Christian Schleuning aus Norderstedt ist Gründer von „animals - a crime“. Er sagt: Was in der Massentierhaltung geschieht, ist ein Verbrechen. © Privat

„Animals – a crime“, was soll das heißen? Schleuning erklärt: „Es geht darum, was in der Massentierhaltung passiert.“ Übersetzt: Was Tieren angetan wird, ist aus seiner Sicht ein Verbrechen. „Das rosa Kreuz ist das Zeichen nach außen. ‚Animals – a crime‘ arbeitet im Hintergrund.“

„In 50 bis 100 Jahren darauf blicken wie auf Sklaverei“

Die Bewegung sei, so der Initiator, offen für unterschiedliche politische Richtungen, für Menschen, die religiös sind oder nicht, „sichtbar nach außen, damit eine Änderung herbeigeführt wird. Das wäre ein Verbot von Massentierhaltung.“ Christians Schleunings provokante These: „Irgendwann, in 50 bis 100 Jahren, wird man darauf blicken wie auf die Sklaverei.“

Es soll demnach nicht bei Symbolik bleiben. „Unser Ziel ist es, Gesetze zu ändern. Mit dem Zeichen des rosa Kreuzes möchten wir zur Debatte anregen und zeigen, wie viele Menschen dahinterstehen – und zeigen: Es kann so nicht weitergehen mit den Nutztieren“, so Moritz Enshaie. Schleuning ergänzt: „Tiere sind keine Rechtspersönlichkeiten.“ Das wolle er ändern. „Wir versuchen, einen Hebel zu finden, wie wir auf gesetzlichem Weg ansetzen – das wäre ein Paradigmenwechsel.“

Das Vorbild: die Deutsche Umwelthilfe und Fahrverbote für Dieselfahrzeuge

Vorbild ist die Deutsche Umwelthilfe, mit der er in Kontakt steht. „Die haben es durch Prozesse geschafft.“ Ein Beispiel: die Dieselfahrverbote in Großstädten. „Und wir konzentrieren uns eben auf die Tierebene.“

Auf der Internetseite hat seine Organisation die Ziele konkret benannt: „Die Bewusstmachung, welches ethische Verbrechen wir an Nutztieren nur aus Kosten-Nutzen-Gründen begehen. Zum anderen eine Gesetzesänderung, die es untersagt, dass Fleisch aus tierquälerischer und nicht artgerechter Haltung in Deutschland weder produziert werden noch nach Deutschland ein- oder ausgeführt werden darf.“

Bündnis aus Norderstedt: Tiere mit Achtung und Respekt behandeln

Die Erwartung: „Wir möchten, dass Deutschland eine Vorreiterrolle übernimmt, vorausschauend anerkennt, und zwar lückenlos, dass Tiere fühlende Wesen sind, die wir mit Achtung und Respekt behandeln müssen. Ebenso ist es genauso wichtig, die Rolle des Bauern als Fundament der Ernährungswirtschaft anzuerkennen.“

Sprich: Tiere dürfen zwar gehalten werden, nicht aber in industrieller Form. Das Eintreten für Tierrechte stellt sich gegen Speziesismus. Diese Annahme besagt: Lebewesen, etwa ein Schwein, werden wegen ihrer Zugehörigkeit diskriminiert, weil sie nicht einer bestimmten Spezies angehören – in der Regel der Mensch.

USA: Klage gegen Gefangenschaft eines Elefanten scheiterte

Im US-Bundesstaat New York hat es in diesem Jahr tatsächlich einen Prozess gegeben, der diese moralisch-ethische Frage verhandelt hat. Geklagt hatte eine Tierrechtsorganisation. Diese wollte erwirken, dass ein Elefant nach 40 Jahren aus einem Zoo entlassen werden müsse – denn es handele sich um eine unrechtmäßige Gefangenschaft, so die Argumentation.

Nachdem die Klage in erster Instanz abgewiesen wurde, urteilte das zuständige Berufungsgericht ähnlich. Ein Elefant habe zwar Anspruch auf gute Betreuung, sei aber keine Person im juristischen Sinn. Zudem wurde befürchtet, dass zahllose weitere Verfahren gefolgt wären, wenn der Klage stattgegeben worden wäre. Theoretisch hätten dann Millionen von Nutztieren ein Recht auf Freiheit gehabt. Das wäre aus Sicht der Richter dann doch zu weit gegangen.