Norderstedt. Kinderhaus Leege für sein Konzept „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ ausgezeichnet. So sieht der Kita-Alltag in Norderstedt aus.

Acht Kinder sitzen zusammen am Frühstückstisch. Sie trinken aus ihren eigenen Trinkflaschen und essen selbst geschmierte Brote, die sie von zu Hause mitgebracht haben. Joghurt in einem Glasgefäß steht auch auf dem Tisch. Plastikdeckel, Verpackungsmüll, PET-Flaschen, Frischhaltefolie? Fehlanzeige! Und das hat einen Grund: Alle Kinder des Kinderhauses Leege in Norderstedt wissen, was Nachhaltigkeit bedeutet.

„Seit dem Bestehen des Kinderhauses ist BNE unser Schwerpunkt“, sagt die Leiterin Christine Leege. „BNE“ steht für Bildung für nachhaltige Entwicklung. Das bedeutet, dass die Einrichtung Nachhaltigkeit in den Kita-Alltag integriert und Projekte zum Thema Klima- und Ressourcenschutz durchführt. Auf diese Weise sollen die Kinder an eine umweltbewusste Lebensweise herangeführt werden.

Nachhaltigkeit: Initiative vergibt Auszeichnung seit 2008

So viel Engagement zahlt sich aus: In diesem Jahr hat das Kinderhaus Leege für seine Leistungen die Auszeichnung „Kita21 – die Klimaretter“ erhalten. Es ist bereits das achte Mal, dass die Kita diesen Titel führen darf. Die Bildungsinitiative „Kita21“ verleiht diese Auszeichnung seit 2008 an Kindertagesstätten in Hamburg und seit 2012 auch an Einrichtungen in Schleswig-Holstein. Initiiert und gefördert wird das Projekt von der Umweltstiftung S.O.F. Save Our Future.

Die Kinder des Kinderhaus Leege lernen spielerisch den Lebensraum Wasser kennen.
Die Kinder des Kinderhaus Leege lernen spielerisch den Lebensraum Wasser kennen. © S.O.F. Save Our Future | Christine Leege

Jährlich kann jede Kita die Dokumentation eines Projekts rund um das Thema Nachhaltigkeit einreichen. Eine Jury bewertet die Leistungen. „Wir haben dieses Jahr Stufe 3 als Auszeichnung bekommen. Das ist im Augenblick die höchste Stufe“, sagt Leege. Insgesamt haben landesweit 16 Einrichtungen die begehrte Auszeichnung erhalten, als einzige Kita aus Norderstedt das Kinderhaus Leege.

Kita21: 16 Kitas werden ausgezeichnet – Oberbürgermeisterin Roeder war dabei

Allen 16 Kindertagesstätten wurde jetzt in einem feierlichen Rahmen in Norderstedt eine Plakette überreicht. An der Verleihung nahm auch Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder teil, die allen Einrichtungen gratulierte.

Schleswig-Holsteins Sozialministerin Aminata Touré sprach ihrerseits per Videobotschaft ihren Dank aus: „Neben Familie und Verwandtschaft ist die Kita der Ort, an dem wichtige Pfeiler für soziales Miteinander, Werte, Selbstbewusstsein und Bildung geschaffen werden. Es ist wichtig, dass den Jüngsten auf kindgerechte Art und Weise die Zusammenhänge dieser Welt nähergebracht werden.“

Norderstedt: Kita bemüht sich seit 38 Jahren um Nachhaltigkeit und Achtsamkeit

Und so funktioniert das Thema Nachhaltigkeit im Kita-Alltag des Kinderhauses Leege: Insgesamt 18 Kinder werden zurzeit in zwei Gruppen in der Halbtagseinrichtung am Mühlenweg betreut. Zwei Erzieherinnen kümmern sich um die Zwei- bis Vierjährigen; Leiterin Christine Leege arbeitet zudem mit zehn Vorschulkindern. Alle Jungen und Mädchen lernen tagtäglich, was nachhaltiges Leben bedeutet. Die vier Mitarbeiterinnen des Kinderhauses überlegen stets gemeinsam, welche Themen und Inhalte sie mit den Kindern durchnehmen wollen.

Nachhaltigkeit: Kindertagesstätte in Norderstedt nimmt Vorreiterrolle ein

Vor ein paar Jahren hat das Kinderhaus sich beispielsweise intensiv mit dem Thema Müll beschäftigt. Die Kinder haben gelernt, dass Millionen Tonnen an Abfällen jedes Jahr in die Ozeane und in die Natur gelangen, wodurch zahlreiche Tiere sterben.

Im Alltag achtete die Kita deshalb darauf, so wenig Müll wie möglich und keinen Plastikmüll zu produzieren. Zudem beteilige sich das Kinderhaus jedes Jahr bei der Norderstedter Stadtmüllsammlung, bei der die Kinder Müll von den Gehwegen einsammeln und entsorgen.

Aber damit nicht genug. Die Leiterin der Kita erzählt von einem weiteren Projekt: „Wir haben Stofftaschen bemalt, sind an einem Donnerstag auf den Harksheider Markt gegangen und haben den Leuten, die keine Einkaufstasche oder eine Plastiktasche bei sich hatten, einen Stoffbeutel geschenkt.“

Nachhaltigkeit: Kita erreicht, dass im Wald ein Mülleimer aufgestellt wird

Christine Leege betont: „Bei dem wöchentlichen Waldtag der großen Gruppe haben wir im Wald immer ganz viel Müll gesehen. Wir haben dann einen Brief an den damaligen Oberbürgermeister Grote geschrieben, mit der Bitte, im Wald einen Mülleimer aufzustellen. Und zwei Wochen später stand der Mülleimer dann tatsächlich im Wald.“

Die Jungen und Mädchen des Kinderhauses Leege bei einem „Arbeitsbesuch“ auf dem Recyclinghof Norderstedt.
Die Jungen und Mädchen des Kinderhauses Leege bei einem „Arbeitsbesuch“ auf dem Recyclinghof Norderstedt. © Christine Leege | Christine Leege

„Für die Kinder ist es toll gewesen zu sehen: ,Ich habe mich aktiv gezeigt, ich habe mich engagiert, und das ist das Ergebnis‘“, sagt die Sozialpädagogin. Die Kinder hätten gemerkt, dass sie etwas für die Umwelt tun können.

Norderstedt: Kinder lernen die Bedeutung von sauberem Wasser kennen

Zuletzt war die Kita „dem Wasser auf der Spur“. Dazu durften die Kinder unter anderem Wasser auf seinen pH-Wert untersuchen: „Die Kinder haben im Marmeladenglas Regenwasser, Badewannenwasser, Spülwasser und Trinkwasser mitgebracht. Das Wasser haben wir dann mit Lackmuspapier getestet“, sagt Leege.

Mit selbst gebauten Wasserfiltern haben die Kinder außerdem Regenwasser gereinigt. Dafür wurde eine leere Plastikflasche mit unterschiedlichen Materialien befüllt. „Wir hatten Stoff drin, haben Sand, Gras und verschiedene Kieselsteine geschichtet. Dann wurde das schmutzige Regenwasser hineingegossen, und die Kinder konnten sehen, wie das Wasser durch die einzelnen Stufen gefiltert wurde und unten sauber rauskam“, sagt die Kita-Leiterin.

Die Leiterin Christine Leege hat einen Wasserkreislauf genäht und gebastelt, damit die Kinder auch haptisch lernen können.
Die Leiterin Christine Leege hat einen Wasserkreislauf genäht und gebastelt, damit die Kinder auch haptisch lernen können. © S.O.F. Save Our Future | Christine Leege

Im Norderstedter Erlebnisbad Arriba gehen die Kinder einmal die Woche schwimmen. Die Gruppe hat daraufhin auch die Wasserfilteranlage besucht. „Jetzt haben die Kinder gesehen, wie das Wasser sauber gehalten wird“, sagt Leege.

Mit Musik und Bild können sogar Kleinkinder den Wasserkreislauf der Erde verstehen

In der Kita arbeitet auch eine Musik-Erzieherin, die mit den Kinder Lieder aus dem Buch „Plock der Regentropfen“ gesungen hat. Mit den Lieder haben die Kinder ebenfalls den Kreislauf des Wassers kennengelernt. Christine Leege hat außerdem auch noch den Wasserkreislauf „genäht“. Auf diese Wiese konnten die Kinder den Wasserkreislauf bildlich und haptisch wahrnehmen.

Wassermangel in Afrika: Die Kita veranstaltete Spendenaktion

Im vergangenen Jahr haben die Kinder einen nachhaltigen Weihnachtsbasar veranstaltet, bei dem die Eltern selbst gebastelte Kleinigkeiten kaufen konnten. Die Kinder hatten bestimmt, dass das Geld, das sie einnehmen, einem Wasserprojekt in Afrika gespendet wird.

„Ich hatte zuvor von meiner Arbeit in Afrika erzählt und dass die Menschen dort oft sehr weit laufen müssen, um sauberes Trinkwasser zu bekommen“, so die Sozialpädagogin.

Nachhaltigkeit ist schon immer tief im Kita-Alltag verankert

Das Kinderhaus setzt eine umfassendes Konzept an nachhaltigen Ideen um: „Wir haben ökologische Reinigungsmittel auf Basis von Molke, wir haben keinerlei Plastik im Haus, wir kaufen inzwischen im Unverpacktladen oder regional und werden vom Biogut Wulksfelde beliefert“, zählt die Leiterin auf. Für Biomüll habe die Einrichtung außerdem einen Kompost, und man sei von Vollmilch auf Hafermilch umgestiegen.

Leege fährt fort: „Wir sparen Strom, indem wir alles auf LED umgerüstet haben und generell wenig Licht machen.“ Die Kita habe bei der Spülmaschine und dem Kühlschrank effiziente Modelle angeschafft. Und wenn gelüftet wird, wird selbstverständlich die Heizung ausgeschaltet. Leege: „Das wissen die Kinder: Fester auf, Heizung aus.“

Das Kaufverhalten im Kinderhaus Leege ist ebenfalls auf Nachhaltigkeit ausgelegt. „Wenn wir Dinge brauchen, versuchen wir, sie im Sozialkaufhaus Hempels gebraucht zu bekommen. Und wir kaufen nicht für jede Gruppe extra ein, sondern wir nutzen viele Dinge gemeinsam“, sagt die Kita-Chefin. Spielzeuge würden zwischen den Gruppen getauscht und kaputte Geräte repariert.

Nachhaltigkeit: Auch das Kinderhaus stößt an Grenzen

Manchmal sei die Umstellung auf konsequente Nachhaltigkeit allerdings äußerst schwierig. „Wir sind eine sehr kleine Einrichtung, die sich in einem Mietobjekt befindet. Da geht nicht alles“, sagt Leege. Trotzdem haben sie es geschafft, dass vor zwei Jahren eine Fotovoltaik-Anlage installiert wurde.

Für die Zukunft hat das Team große Pläne: „Im Moment sind wir dabei, eine Regenwasseranlage zu planen, damit wir die Waschmaschine oder Klospülung mit Regenwasser betreiben können“, so Leege. Eine Dachbegrünung des Garagendaches sei auch im Gespräch.

Nachhaltigkeit: Wie in Norderstedt alles begann

Vor 38 Jahren hat die Sozialpädagogin Christine Leege die Kita gegründet. Obwohl damals Klimaschutz noch kein großes Thema war, achtete sie von Anfang an auf einen nachhaltigen Konsum – für sie eine Selbstverständlichkeit. „Ich bin auf dem Land groß geworden und war das gewohnt“, sagt die Sozialpädagogin, das Landleben sei eben anders als das Stadtleben.

Geprägt wurde Christine Leege auch durch ihre jahrelange, ehrenamtliche Arbeit für das Projekt „Light for Children“ in Namibia, bei dem sie Kindergärten und Vorschulen vor Ort besucht und unterstützt. „Durch meine Reisen nach Afrika und Südamerika bin ich nachhaltiger, sparsamer und ökologischer geworden“, erzählt die Sozialpädagogin.

Nachhaltigkeit: „Die Kinder sind unsere Zukunft. Wir müssen was tun“

Auf die Frage, warum Ressourcen- und Klimaschutz wichtig sei, antwortet Leege: „Wir haben nur diese eine Erde. Wenn wir so leben und konsumieren wie bisher, dann ist irgendwann nichts mehr da. Diese Kinder sind unsere Zukunft, und ich möchte, dass sie entsprechend gesund aufwachsen.“

„Wir haben jetzt im Oktober noch 23 Grad. Früher hatte ich im Oktober schon Strumpfhosen an. Man merkt, dass das Klima sich verändert hat. Es wird in Afrika und Südamerika immer schlimmer. Und deshalb denke ich, dass wir etwas tun müssen.“