Norderstedt. Seit Jahren sind die Preise stabil. Nun fehlen 1,6 Millionen Euro in der Kalkulation. Neues Gebührenmodell geplant, die Details.

Städte und Gemeinden haben einen großen Einfluss auf die Kosten des Wohnens. Gebühren für Abwasser und Müllabfuhr schlagen auf die Nebenkosten durch, und da drehen die Verwaltungen am Gebührenrädchen. Die gute Nachricht: Die Müllgebühren sind in Norderstedt fast konkurrenzlos niedrig. Die Stadt rangiert in einem bundesweiten Vergleich auf Platz drei.

Die schlechte Nachricht: Zum kommenden Jahr werden viele Norderstedter und Norderstedterinnen aber mehr zahlen müssen: Die Kalkulation für 2023 weist ein kräftiges Minus aus, gut 1,6 Millionen Euro fehlen im Gebührenhaushalt.

Müllgebühren Norderstedt: Politiker entscheiden am 19. Oktober

Wie teuer es dann wird, steht noch nicht fest. Darüber werden die Politiker in einer Sondersitzung des Umweltausschusses am Mittwoch, 19. Oktober, entscheiden. Grundlage sind eine Analyse und Empfehlungen der Hamburger Unternehmensberatung Econum, die die Gutachter dem Fachausschuss präsentiert haben.

Sie haben das jetzige Gebührenmodell umgekrempelt, von einer degressiven auf eine lineare Gebührenstruktur umgestellt. Bisher gilt: Je mehr Abfall in den Tonnen liegt, desto weniger zahlen die Bürger im Verhältnis dafür. Das neue System folgt dem Verursacherprinzip: Wer wenig Müll produziert, soll minimal entlastet werden. Für eine 40-Liter-Restabfalltonne würde die Gebühr um 0,15 Prozent auf 4,95 Euro sinken.

Für ein 120-Liter-Gefäß würden ab Januar 14,85 Euro fällig, plus 2,9 Prozent. Mit einem Plus von 28,8 Prozent würden die Gebühren für die 1110-Liter-Container an den Mietshäusern am kräftigsten auf 136,15 Euro pro Monat steigen. Für Bioabfall ergibt sich bei 60 Litern eine minimale Senkung auf 5,29 Euro im Monat, 120 Liter kosten dann 10,57 Euro, gut ein Prozent mehr.

Oberbürgermeisterin: „Gebühren so moderat wie möglich erhöhen“

Nach dem Gebührenmodell der Hamburger Unternehmensberater würde ein Ein-Personenhaushalt um zwei Euro oder ein Prozent pro Jahr entlastet, zwei Personen im Haushalt zahlen sechs Euro oder sieben Prozent mehr. Leben vier Personen unter einem Dach, kommt es zu einer Mehrbelastung von 37 Euro oder 25 Prozent im Jahr. Um den gleichen Prozentsatz oder 80 Euro im Jahr pro Wohneinheit erhöhen sich die Tarife bei den 1110-Liter-Containern.

Die Gutachter weisen darauf hin, dass sich der Verbraucherpreisindex seit 1998 um 54 Prozent erhöht habe, die Müllgebühren in Norderstedt aber nur um 12 Prozent gestiegen und über Jahre hinweg stabil geblieben seien. „Natürlich werden wir die Gebühren so moderat wie möglich erhöhen. Aber auch nach einer Erhöhung werden wir im Vergleich der Kommunen weiterhin zu den Städten mit den im Verhältnis niedrigsten Müllgebühren gehören“, sagt Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder. Mit den neuen Gebühren würde Norderstedt auf Platz sieben landen, vorausgesetzt, die anderen Kommunen erhöhen nicht, was die Gutachter für unwahrscheinlich halten.

Studie: Ziel war Transparenz und Vergleichbarkeit der Müllgebühren

Haus & Grund hatte das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln mit der Vergleichsstudie beauftragt. Ziel war, Transparenz und Vergleichbarkeit für die Bürger und Bürgerinnen zu schaffen. „Verbraucherinnen und Verbraucher haben oft keine Möglichkeiten, sich über die Gebührenhöhe zu informieren und die eigenen Kosten mit denen anderer Städte zu vergleichen“, sagt Kai H. Warnecke, Präsident von Haus & Grund Deutschland.

„Wir begrüßen es sehr, dass Norderstedt im Müllgebührenranking einen hervorragenden dritten Platz eingenommen hat“, sagt Sven Wojtkowiak, Vorsitzender von Haus & Grund Norderstedt. Er fordert die Stadtverwaltung auf, sich auch weiterhin für niedrige Kosten in diesem Bereich einzusetzen. „Hier sehen wir die Variante mit zwei Recyclinghöfen in einer Stadt sehr kritisch“, so Wojtkowiak.

Norderstedt: Stärkster Gebührentreiber sind die Energiepreise

„Über die gebührenpflichtige Müllabfuhr hinaus bietet die Stadt den Bürgern und Bürgerinnen eine ganze Reihe von kostenfreien Serviceleistungen, die von anderen Kommunen in diesem Umfang nicht angeboten werden“, sagt Roeder. Dazu zählen Laubsammlung, die Abfuhr von Strauchgut, Tannenbäumen und Sperrmüll sowie die Schadstoffsammlungen in den Stadtteilen und die Wertstoffinseln.

Stärkster Gebührentreiber seien die Energiepreise, Sprit für die Müllfahrzeuge, Strom und Gas, um die Arbeitsräume zu beheizen. Laut einer rathausinternen Berechnung seien die rasant steigenden Energiekosten mindestens zu 80 Prozent für das Defizit verantwortlich. Fünf Prozent entfielen auf höhere Personalkosten.

Bücher sind Verkaufsschlager bei
Bücher sind Verkaufsschlager bei "Hempels" – in der gut bestückten Bibliothek findet jeder günstigen Lesestoff, ist Hempels-Chef Andre Klinger überzeugt. © Claudia Blume | Claudia Blume

Und: Das Gebrauchtwarenhaus Hempels schlage bei der Gesamtkalkulation der Abfallgebühren nur mit vier Prozent zu Buche, sei also kein treibender Faktor. „Die Pandemie hat uns im Bestreben, beim Gebrauchtwarenhaus Hempels weiter in Richtung auf eine schwarze Null hinzuarbeiten, einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ohne die Pandemie-bedingten Schließungen beziehungsweise Einschränkungen im Geschäftsbetrieb, fiele die Bilanz von Hempels deutlich besser aus“, sagt Roeder.

Gebrauchtwarenhaus Hempels schlägt bei der Gebührenkalkulation kaum zu Buche

Bei normalem Betrieb hätte der Umsatz wohl die Marke von rund einer Million Euro erreicht. Dann hätte die Stadt den Betrieb mit „nur“ 240.000 Euro bezuschussen müssen. So aber seien gut 635.000 Euro aus dem städtischen Haushalt nötig, um die Lücke zu schließen. Von den Kosten für Hempels sei aber nur ein kleiner Teil relevant für die Müllgebühren.

„Hempels ist kein privatwirtschaftlich arbeitendes Kaufhaus. Der Ansatz war und ist ein ganz anderer. Es gab nie das von der Verwaltung definierte Ziel, mit dem Gebrauchtwarenhaus Gewinne zu erwirtschaften“, sagt Roeder. Das Second-hand-Kaufhaus stehe unter ganz anderen Vorzeichen: Soziale Aspekte und Nachhaltigkeit stünden im Vordergrund.

Die Besucherzahlen zeigen: Hempels wird gut angenommen

Es handele sich um einen inklusiven Betrieb, in dem Menschen mit Handicaps Arbeit gefunden hätten und weiterhin finden. Müll werde vermieden, weil die Norderstedter und Norderstedterinnen ausrangierte Möbel, Bücher, Schallplatten und viele andere Haushaltsgegenstände zu Hempels brächten oder von Mitarbeitenden abholen ließen.

Im Gegenzug könnten Menschen mit wenig Geld dort günstig fündig werden. „Die Zahlen der Besucher und Besucherinnen und die Entwicklung der Warenmengen zeigen, dass das Konzept von ‚Hempels‘ angenommen wird“, sagt die Verwaltungschefin.

Müllgebühren Norderstedt: Durch städtischen Recyclinghof 400.000 Euro gespart

Die Norderstedter haben die Möglichkeit, Abfälle auf dem städtischen Wertstoffhof an der Friedrich-Ebert-Straße abzugeben, gut angenommen.
Die Norderstedter haben die Möglichkeit, Abfälle auf dem städtischen Wertstoffhof an der Friedrich-Ebert-Straße abzugeben, gut angenommen. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Das gelte auch für ein anderes neues Angebot: Durch den städtschen Recyclinghof habe Norderstedt schon 400.000 Euro eingespart. Seit Anfang 2021 können die Bürger Grünabfälle, Bauschutt oder Sperrmüll auch auf das Gelände an der Friedrich-Ebert-Straße bringen. Stadt und WZV konnten sich nicht mehr auf eine gemeinsame Betriebsführung der Recyclinghofes an der Oststraße einigen, so dass die Stadt die eigene Annahmestelle eröffnet hat.

Auch hier empfehlen die Gutachter von Econum, die Gebühren für alle Abfallarten um je einen Euro anzuheben. Für gewerbliche Anlieferer sollten Entgelte eingeführt werden, damit weniger aus dem Umland angeliefert wird. Auf Dauer müsse es Ziel sein, mit den Gebühren die Kosten zu decken.